Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals:
Julia Klöckner ist jetzt ein halbes Jahr im Amt. Im top agrar-Stimmungsbarometer bewerten 38 % der 2 080 Teilnehmer ihre Arbeit überwiegend gut, 39 % sehen eher durchwachsene Leistungen und 19 % sind mit der CDU-Frau nicht zufrieden. Das sind dramatisch bessere Werte als sie ihr Vorgänger Christian Schmidt am Ende seiner Amtszeit eingefahren hat (14 % gut, 45 % nicht gut).
Die Vorschusslorbeeren hat sich Klöckner durchaus verdient. Ihre erste große Bewährungsprobe, die Bewältigung der Dürrefolgen, hat sie gut gemeistert. Jetzt müssen Bund und Länder die Vergabe der zugesagten 340 Mio. € schnell und fair organisieren (Seite 26). Staatliche Krisenhilfen sind aber auf Dauer keine Lösung. Wichtig ist, dass Julia Klöckner einen Rahmen schafft, der den Landwirten hilft, sich besser gegen die Risiken des Klimawandels abzusichern. Mit der Risikoausgleichsrücklage oder Versicherungslösungen stehen zwei Instrumente oben auf der Agenda, die aber noch viele Fragen aufwerfen (Seite 44 in der neuen top agrar 10/2018).
Darüber hinaus hat die Ministerin weitere große Baustellen vor der Brust:
Ferkelkastration: Am 1. Januar 2019 fällt der Hammer. Gegenwärtig gibt es für Bauern, Schlachter und den Lebensmittelhandel keine praktikable sowie zeitlich und vor allem flächendeckend umsetzbare Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration. Ohne Fristaufschub haben die deutschen Sauenhalter im EU-Wettbewerb nicht die geringste Chance. Deshalb darf sich Julia Klöckner nicht hinter den Bundesländern verstecken (Seite 111).
Tierwohllabel: Beim Tierwohllabel haben Lidl und Co. längst Fakten geschaffen und der Staat rennt hinterher. Klöckner muss das Labelchaos beenden und eine Lösung auf Basis der erfolgreichen Initiative Tierwohl suchen.
Krisenfester Milchmarkt: Wenn sich die Molkereien nicht bewegen, will Klöckner verbindliche Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Molkereien vorschreiben. Und sie fordert eine Sektorstrategie Milch. Bei beiden Themen muss die Ministerin den Druck aufrecht halten – sonst läuft die Branche ungesteuert in die nächste Krise.
Ackerbaustrategie: Das Verbot der Neonicotinoide, die Diskussion um Glyphosat und das Insektensterben zeigen, dass der Ackerbau eine langfristige Strategie braucht, die aufzeigt, wie man ökonomische und ökologische Interessen verzahnen kann.
EU-Förderung nach 2020: Der Vorschlag von Agrarkommissar Hogan lässt künftig noch mehr Bürokratie befürchten. Julia Klöckner könnte die Debatte mit neuen Vorschlägen beleben – am besten im Schulterschluss mit Frankreich, fordert Haushaltskommissar Günther Oettinger (Seite 30).
Beim Bearbeiten der Baustellen, erwartet Klöckner vom Berufsstand konstruktive Veränderungsbereitschaft. Im Gegenzug will sie dafür sorgen, dass die Landwirte im internationalen Wettbewerb nicht untergehen. Dafür braucht sie das Wohlwollen der Nichtlandwirte. Deshalb ist es gut, dass sie die Medien nutzt, um zwischen Landwirten und Gesellschaft zu vermitteln. Wichtig für ihre Glaubwürdigkeit ist, dass sie sich nur zu Wort meldet, wenn sie etwas zu sagen hat. Dann hat diese Ministerin das Zeug, die Distanz zwischen Landwirten und Nichtlandwirten zu verringern. Danach sehnen sich viele Bauern.