Es müsse erst abgewartet werden, ob die Handelsketten tatsächlich dauerhaft die Milchpreise erhöhen, berichten die Aalener Nachrichten. Solch eine Schonfrist wollen auch die Milchbauern in Mecklenburg-Vorpommern dem Handel einräumen. Wie die Ostseezeitung berichtet, haben sie ihre für Freitag angekündigten Proteste vor der Edeka-Zentrale in Hamburg abgesagt. Der Lebensmittelkonzern habe am Donnerstagabend eine Erhöhung der Verbraucherpreise bei Milch angedeutet, erklärte der Sprecher des Landesbauernverbandes, Harald Kienscherf, in Neubrandenburg. In Upahl und Wismar laufe auch alles wieder normal, bestätigten gleichzeitig die beiden Molkereien. "Wir haben gestern nicht gefeiert und müssen erst abwarten, ob wir unseren Kampf nicht doch noch fortzuführen haben", sagte auch Niedersachsens BDM-Landesvorsitzender Christian Niemann. Der geforderte Abnahmepreis von 43 Cent pro Liter sei nicht das einzige Ziel. Das gesamte Preis- und Liefersystem gehöre reformiert.
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner forderte eine Änderung des Kartellrechts. Ein paar große Lebensmitteleinzelhändler seien in der Lage, die Molkereien an die Wand zu drücken, sagte er heute dem Sender NDR Info. Zugleich müssten die Bauern sich in der Angebotsstruktur anders aufstellen, um nicht immer so ausgespielt zu werden. Die Zusagen des Handels seien kein Grund für Euphorie, aber ein entscheidender Schritt. "Wir müssen sehen, dass am Weltmarkt die Milchpreise anziehen. Es geht langsam aufwärts."
Süddeutsche skeptisch
Bauern liefern wieder Milch an Molkereien
Deutlich kritischer schätzt die Süddeutsche Zeitung die Lage heute in ihrem Kommentar ein: Dass die Bauern nun mehr bekämen, weil die Preise im Laden steigen, sei eine Idealvorstellung. Wichtig sei, dass tatsächlich alle Supermärkte mitziehen. Bislang hätten die meisten Einzelhändler nur ihre Bereitschaft signalisiert, über höhere Preise zu verhandeln, "wenn es der Markt hergibt". Mit diesem Satz würde sich der handel ein Hintertürchen offenhalten. Zum anderen bemerkt die Zeitung, dass nur ein kleiner Teil der Milch für Butter und Milch verwendet wird. Weitaus mehr landet in der Käseproduktion oder auch in der Herstellung von Quark und Joghurt. Der Einzelhandel müsste also eine Reihe weiterer Produkte verteuern, damit die Landwirte spürbar mehr erhalten für ihre Milch, so die Süddeutsche. Es spricht ihrer Ansicht nach daher einiges dafür, dass die Aktion von Lidl in erster Linie ein geschickter Marketing-Schachzug war. Lidl habe gewusst: Der Erste, der einlenkt, ist in den Augen der Öffentlichkeit der Gute. Er setzt sich für faire Preise ein, während die anderen nur nachziehen. Nach dem Skandal um die Bespitzelung von Mitarbeitern sei Lidl solch eine Gelegenheit, das eigene soziale Image aufzupolieren, sicher sehr gelegen gekommen. Zuletzt wirft die Zeitung einen Blick auf den Milchmarkt und erläutert ihren Lesern, dass das Grundproblem zuviel Milch wäre. Der Druck wird ihrer Ansicht nach noch wachsen, wenn die von der EU festgesetzte Milchquote in den kommenden Jahren ausläuft und jeder Bauer so viel liefern darf, wie er will, heißt es in dem Kommentar.