In Thüringen fordert rot-rot-grün im Koalitionsvertrag mehr Tierwohl durch eine konkrete Tierwohlstrategie. In dieser Woche präsentierten die Verantwortlichen die ersten Ergebnisse. Das Problem: Wer die Maßnahmen finanziert, steht noch nicht fest.
Nach hartem Ringen haben das Landwirtschaftsministerium und das Sozialministerium am Mittwoch in Erfurt erstmals ihre Tierwohlstrategie für Thüringen vor ca. 80 Zuschauern präsentiert, berichtet der MDR. Kernpunkte sind unter anderem bessere Haltungsbedingungen und weniger Antibiotika. Landwirte, Tierärzte, Veterinärämter und Ministerien haben ein Jahr lang in Arbeitsgruppen an einem Entwurf gearbeitet. Ende des Jahres soll die Strategie beschlussreif sein. Bis dahin haben die Experten Zeit, ihre Verbesserungsvorschläge einzubringen.
Wichtige Punkte der Strategie
"In einigen Bereichen ist ein grundsätzliches Umdenken und entsprechendes Handeln notwendig (…) es werden Maßnahmen über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus notwendig sein“, heißt es unter anderem als Leitgedanke in dem 110 Seiten langen Entwurf.
Thüringen will sich einsetzen für:
- mehr Platz
- weniger Antibiotika und dafür bessere Gesundheitsvorsorge durch Impfen, Entwurmen, verbesserte Hygienemaßnahmen
- kurative Eingriffe verhindern: Schnäbel kürzen, Eckzähne von Ferkeln abschleifen, Schwänze kupieren, Kälber enthornen
- Fortbildungspflichten für die Mitarbeiter in der Tierhaltung (z. B. Abschluss als Tierwirt, Landwirt, Agrar-Wissenschaftler oder Tiermediziner)
- Kastenstände nur noch während der Säugezeit
- Verbot des Kükentöten
- Auslauf für Masthähnchen
- Verbot der Anbindehaltung
Finanzierung steht noch nicht
Die Tierwohlstrategie ist vorerst eine Empfehlung. Zunächst sind freiwillige Vereinbarungen mit Verbänden geplant. Erst später soll es Rechtsänderungen, Fördergelder und stärkere Kontrollen durch die zuständigen Ämter geben. Denn die Finanzierung steht noch nicht und Tierschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Wichtig sei es, den Landwirten die Mehrkosten für mehr Tierschutz zu erstatten, heißt es in Erfurt. „Wir brauchen eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung, aber Verbesserungen beim Tierwohl müssen auch bezahlt werden“, sagte Anke Bokeloh, Referatsleiterin Tierschutz im Thüringer Sozialministerium.
Faire Übergangsfristen fordert der Thüringer Bauernverband
Das ist auch Anne Byrenheid vom Thüringer Bauernverband wichtig. Neben einer gerechten Entlohnung fordert sie vor allem ausreichende Übergangsfristen: "Wenn ein Landwirt vor fünf Jahren einen Stall gebaut hat und der entspricht jetzt nicht mehr den Vorgaben, dann ist er nicht abbezahlt und nicht refinanziert. So einen Stall baut man nicht jedes Jahr neu - daher die Forderung nach Übergangsfristen." Sie sagte auch: Landwirten "ist auch daran gelegen, dass es ihren Tieren gut geht. Kranke Tiere, die ständig behandelt werden müssen, bringen auch kein Gewinn."
Grünen und AbL fehlen konkrete Umsetzungsvorschläge
Michael Grolm, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland (AbL) kritisiert den Entwurf der Tierwohlstrategie als völlig unzureichend. „Es fehlen Empfehlungen für einige bäuerliche Haltungsformen, die einen unmittelbaren Einfluss auf das Tierwohl haben völlig: Strohhaltung bei Rindern und Schweinen oder Mobilställe für Geflügel – um nur einige zu nennen“, kritisiert er. Auch die Grünen sehen noch Diskussionsbedarf. „Die Tierwohlstrategie wurde im kleinen Kreis von Fachleuten hinter verschlossenen Türen erstellt. Die Expertise ökologisch wirtschaftender Betriebe, von Umweltverbänden aber auch von grünen Fachpolitikern wurde bisher nicht einbezogen. Das ist schade, denn deren Perspektive muss im nun folgenden Dialogprozess dringend ergänzt werden“, so Stephanie Erben von den Grünen. Ebenfalls fehlen den Grünen konkrete Umsetzungsmaßnahmen und ein konkreter Zeitrahmen, um diese Maßnahmen auch auf den Weg bringen zu können. „Das können Anreizprogramme für zügige Veränderungen der Haltungsbedingungen sein, die vom Land auch finanziell untersetzt werden müssen“, ergänzt Erben.
Tierschutzverband sieht noch Diskussionsbedarf
Horst Otto Gerd Fischer vom Landestierschutzverband Thüringen lobt, dass "sich diese Landesregierung als erste um das Tierwohl in dieser Form kümmert". Bisher hätten sich Landwirte und Verbände beim Verteidigen der Kastenstände "um Zentimeter geprügelt". Er geht daher davon aus, dass hier noch ein "dickes Brett zu bohren" sei und die Politik auch finanziell helfen müsse.