Gentechnik ist in den USA extrem weit verbreitet und akzeptiert. Kaum ein Lebensmittel ist frei davon, und die Industrie scheint übermächtig. Die ZEIT hat nachgefragt, warum das so ist.
Patty Lovera von der Organisation Food and Water Watch führt das u.a. auf die Überrumpelungstaktik der Konzerne Monsanto und DuPont zurück. Als die Konzerne ihre genetisch veränderten Getreidesorten bewarben, habe es darüber kaum Diskussionen gegeben, so die Kritikerin. "Die Umstellung passierte rasend schnell, niemand hat die Verbraucher wirklich gefragt, und die Firmen steckten viel Geld in die Werbung, um die Branche zu überzeugen." Seit 1996 seien genetisch veränderte Zutaten nun schon fester Bestandteil der US-Lebensmittelindustrie. 70 bis 80 % aller heute verkauften Produkte würden Inhaltsstoffe enthalten, deren DNA verändert wurde.
Ein weiterer Grund für den mangelnden Widerstands liegt laut Lovera in der Kultur der Amerikaner. Die Bevölkerung habe sich anders als etwa die Europäer über Jahrzehnte nur wenig dafür interessiert, was sie isst. "Wir haben einiges aufzuholen", sagt Lovera. Das Ruder jetzt herumzureißen, sei schwer. Heutzutage sei es für Landwirte nahezu unmöglich, überhaupt noch Mais oder Sojabohnen zu finden, die nicht auf irgendeine Art genetisch verändert worden seien.
Angst schüren vor einer GVO-Kennzeichnung
Doch langsam wächst auch in der Gen-Nation USA der Widerstand, schreibt die ZEIT weiter. In inzwischen 26 Bundesstaaten hätten Verbraucherschützer und Kritiker bis heute Gesetzesvorschläge eingebracht, die eine Kennzeichnung von Lebensmitteln vorschreiben, die gentechnisch veränderte Bestandteile beinhalten. Bei den meisten Entscheidungen war die Bevölkerung anfangs noch für eine Kennzeichnung. Nach teuren Angstkampagnen der Hersteller stimmte dann aber eine Mehrheit häufig gegen ein Siegel.
Nach Informationen der Zeitung hätten die Konzerne allein in Washington und Kalifornien vor der Abstimmung 2012 fast 70 Mio. Dollar in Marketingkampagnen gesteckt, um Stimmung gegen den Gesetzesvorschlag zu machen. Gentechnisch veränderte Getreidesorten, so die Argumente, seien sicher, reduzierten die Ernteausfälle, machten die Keime widerstandsfähiger – und führten zu niedrigeren Preisen für die Endverbraucher. Und hinter einer Verbraucherseite, die Fragen beantworten soll, stehen u.a. Monsanto und DuPont, heißt es.
Konzerne bearbeiten das Landwirtschaftsministerium
Laut Gentechnikkritikern würden die Konzerne mit aller Macht gegen Gesetze in Einzelstaaten kämpfen. Zudem würden sie die US-Lebensmittelbehörde drängen, gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe als natürlich einzustufen und fordern, es bei den freiwilligen Kennzeichnungen "für interessierte Nischenverbraucher" zu belassen. Vor allem auf Bundeseben habe die Lebensmittelindustrie enormen Einfluss, sagt Patty Lovera von Food and Water Watch. Deswegen drängten sie auf eine landesweite Regelung, statt den Kampf in einzelnen Bundesstaaten führen zu müssen. Laut der ZIEIT offenbar mit Erfolg: Das US-Landwirtschaftsministerium stehe vor der Zulassung einer neuen Generation genetisch veränderten Saatguts von Dow Chemical, das gegen hochgiftige Pestizide resistent sein soll.
"Wir befinden uns mitten in einem Experiment, was für Auswirkungen es hat, werden wir erst in vielen Jahren sehen", sagt Lovera. Aktivisten wie sie zitieren Studien, die belegen, dass der Verbrauch von Herbiziden seit dem Einsatz der Getreidesorten deutlich gestiegen ist, während die Ernteausfälle, anders als versprochen, nicht gesunken seien. "Das vermeintliche Wundermittel funktioniert offenbar nicht", sagt Lovera. Es werde Zeit, sich nach Alternativen umzusehen.
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