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topplus Die Zukunft der Medien

Warum die Glaubwürdigkeit der Medien leidet

Viele Menschen vertrauen den etablierten Medien nicht mehr. Der Geschäftsführer des Landwirtschaftsverlags (LV) Münster, Ludger Schulze Pals, analysiert die Gründe und zeigt Wege aus der Misere auf.

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland hält die klassischen Qualitätsmedien – Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften – für nicht mehr glaubwürdig. Das hat das Meinungsforschungsinstitut „rheingold salon“ im vergangenen Jahr bei einer bundesweiten Befragung ermittelt. Fast jeder zweite Befragte ist der Ansicht, dass man in Deutschland seine Meinung nicht frei äußern könne. So hat es das Institut für Demoskopie Allensbach schon im Jahr 2021 festgestellt. Was sind die Gründe für diese Entwicklungen, die auch vor den Agrarmedien nicht halt machen?

An der Rechtsgrundlage kann es nicht liegen. Die Meinungs- und Pressefreiheit ist in Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert. Das Recht ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist der verantwortungsvolle Umgang der Medien mit dieser Freiheit. Dafür gibt es den Deutschen Presserat, die freiwillige Selbstkontrolle der Medien. Der Presserat hat in seinem Pressekodex die ethischen Standards und Richtlinien für guten Journalismus definiert. Die meisten deutschen Verlage – auch der Landwirtschaftsverlag Münster – bekennen sich dazu, den Pressekodex zu achten. Wer glaubt, ein Medium habe gegen den Pressekodex verstoßen, kann sich beim Presserat beschweren. Allerdings kennen nur die wenigsten Leserinnen und Leser den Presserat. Zudem überwacht der längst nicht mehr alle Bereiche der Informationsvermittlung.

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Soziale Medien ohne Kontrolle

Die Sozialen Medien entziehen sich völlig der Kontrolle des Presserates, weil sich X, Instagram, TikTok, Facebook und Co. auf ihren Plattformen nicht an den Pressekodex halten. Gerade dort ist der Kontrollbedarf jedoch besonders hoch. Fake News, Sensationsjournalismus oder gezielte Meinungsmache sind auf den einschlägigen Plattformen fast schon Standard. Zwar kuratieren auch X, Facebook und Co., die Inhalte. Besonders eifrig sind sie dabei aber nicht.

Jede Nutzerin, jeder Nutzer von Sozialen Medien steht damit selbst in der Verantwortung, den Wahrheitsgehalt von Informationen kritisch zu hinterfragen und die Seriosität der Quelle zu prüfen. Das schaffen nur die wenigsten. Daher müsste jeder vorsichtig sein bei der Nutzung von Informationen, die aus diesen Quellen stammen. Geschieht das? Ich habe Zweifel. Somit verschieben und verwischen die Sozialen Medien mit ihrer Vermischung von interessengeleiteter Kommunikation und journalistischen Formaten die Grenzen des „guten Journalismus“. Das wirkt sich schleichend negativ auf die Glaubwürdigkeit der Medien aus, wie die Ergebnisse der Meinungsforschungsinstitute zeigen.

Glaubwürdigkeitsverlust der Presse hat Ursachen

Für diesen Glaubwürdigkeitsverlust sind aber nicht nur die Sozialen Medien verantwortlich. Ich sehe sechs weitere wichtige Einflussfaktoren, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben:

  1. Viele Journalistinnen und Journalisten kommen aus urbanen Lebensumfeldern. Das hat Auswirkungen auf die Themenwahl und den Blickwinkel, wie Sie Probleme wahrnehmen. Das lässt sich am Beispiel der Landwirtschaft besonders gut erklären. Städter, die den Wolf nur aus dem Zoo oder aus Tierfilmen kennen, schauen anders auf das Raubtier als Rinder- und Schafhalter, die jeden Tag mit den Folgen der wachsenden Wolfspopulation zu leben haben. 

  2. Viele Journalistinnen und Journalisten – insbesondere die der Leitmedien – sind politisch eher mitte-links einzuordnen. Ich will das nicht kritisieren. Es hat aber – unbewusst und bewusst – Auswirkungen auf die Berichterstattung und die Kommentierung. Diese Feststellung hat den Chefredakteur der ‚Zeit‘, Giovanni di Lorenzo, in einem Leitartikel zu der Frage animiert: Wo sind die konservativen Stimmen in unseren Medien? Die Frage muss man allerdings an die Chefredakteurinnen und Chefredakteure zurückgeben. Wer, wenn nicht sie, sollten für ein breites Meinungsspektrum in den Redaktionen sorgen?

  3. Viele Journalistinnen und Journalisten sind Geisteswissenschaftler. Über Landwirtschaft wird eine Germanistin anders berichten als ein Betriebs- oder Volkswirt.

  4. Es wird zu viel skandalisiert: „bad news are good news“. Insbesondere im digitalen Bereich geht es um Reichweiten. Reichweiten bedeuten Relevanz, Wahrnehmbarkeit und in der Folge Anzeigenumsätze. Das verleitet dazu, der Überschrift und dem Vorspann mehr Eskalation und Aufregung mitzugeben, als die Meldung tatsächlich verdient. Auch bei top agrar online haben Krisenmeldungen mit einer knackigen Headline 30 % mehr Clicks als eine Meldung mit positivem Spin und sachlicher Überschrift. Das ist eine permanente Herausforderung für die Journalistinnen und Journalisten, die wollen, dass ihre Texte gelesen werden, vor allem aber für Verleger, die Anzeigen- und Vertriebsumsätze im Blick haben müssen.

  5. Manch ein Journalist/manch eine Journalistin hat zwei Haltungen. Im hauptamtlichen Medium, bei dem sie angestellt sind, wird sachlich, differenziert und abgewogen berichtet. Hingegen bezieht man im privaten Account auf den Sozialen Medien deutlich Position. Die Übergänge von einer Haltung zum beeinflussenden Aktivismus sind fließend. Ich finde das schwierig. Die Glaubwürdigkeit eines Journalisten/einer Journalistin muss durchgängig gegeben sein. Die weit überwiegende Zahl der Journalisten arbeitet sauber. Wie überall reichen aber auch hier wenige schwarze Schafe, um einen falschen Eindruck zu vermitteln.

  6. Viele Menschen bewegen sich immer stärker in Blasen. Sie glauben nur noch den Informationen, die in der eigenen Blase verbreitet werden. Andere Positionen werden meist gar nicht gelesen, und wenn doch, immer weniger akzeptiert. Das hat auch top agrar online zu spüren bekommen. Auf den Kommentarseiten hatten sich zuletzt immer mehr Schreihälse und Schwurbler versammelt. Das hat uns schließlich dazu veranlasst, die Kommentarfunktion abzuschalten. Wir haben alternativ ein Leserforum eingerichtet, wo uns die Leserinnen und Leser im geschützten Bereich ihre Meinungen mitteilen können. Seitdem erhalten wir sehr viel mehr inhaltlich wertvolle Leserkommentare, die wir sichten und veröffentlichen.

Es braucht guten Journalismus

Was sind unsere Antworten auf diese Entwicklungen? Der Gründer und Inhaber von „rheingold salon“, Jens Lönneker, empfiehlt uns Medienmenschen, besser zuzuhören, mit weniger Voreinstellungen zu arbeiten, die Themen und das Handeln der Menschen erst zu bewerten, wenn wir die dahinter liegenden Motive kennen. Das ist nichts anderes als guter Journalismus. Wir brauchen auf der anderen Seite aber auch aufgeklärte Mediennutzerinnen und -nutzer, die über mehrere Informationsquellen verfügen, die bereit sind, für gute Informationen zu bezahlen, die nur den Informationen vertrauen, die von Medien kommen, die ihre Glaubwürdigkeit nachweisen und die Informationen aus den Sozialen Medien nicht ungeprüft übernehmen.

Dafür müssen wir die Medienkompetenz unserer Bürgerinnen und Bürger verbessern. Damit beginnen wir am besten in der Schule. In bin dafür, ein Unterrichtsmodul „Medienkompetenz“ verpflichtend und bundesweit einzuführen. Wir müssen schon die Kinder und Jugendlichen die Wichtigkeit und Bedeutung objektiver Medien nahebringen, sie darin schulen, wie sie Medien verantwortungsvoll nutzen können und ihnen zeigen, wie es gelingt, sich eine abgewogene Meinung zu bilden.

Fazit

Die Zukunft unserer Qualitätsmedien ist in Gefahr. Ihre Glaubwürdigkeit leidet. Es gilt, beherzt gegenzusteuern. Das geht nur mit gut ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten, die unabhängig und vorurteilsfrei arbeiten und mit aufgeklärten Lesern und Usern, die neutrale Berichterstattung von gezielter Meinungsmache unterscheiden können. Wir sollten an beidem mit aller Kraft arbeiten. Sie sind wichtige Grundlagen für eine freies und demokratisches Land und für einen Zusammenhalt in der Gesellschaft, den wir in Deutschland noch haben.

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