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Warum die Kontingentierung nicht funktionieren kann

Der ehemalige Staatssekretär Dr. Helmut Scholz setzt sich mit dem Für und Wider der Milchkontingentierung auseinander und wirft im Landwirtschaftlichen Wochenblatt Westfalen-Lippe einen Blick hinter die "agrarpolitische Kulisse" der Vergangenheit.

Lesezeit: 5 Minuten

Im Jahr 1984 wurde die Milchkontingentierung eingeführt, aber schon lange vorher, 1967, haben die Verbände solch ein Instrument gefordert. Nach Gesprächen kamen die Experten zu dem Entschluss, dass der unbefriedigende Milchpreis (damals 20,55 Cent/l) durch eine Kontingentierung der Milchproduktion angehoben werden könnte. Je niedriger das Kontingent, umso höher der Milchpreis. Doch so einfach hat man es sich schon damals nicht gemacht. In der Ausarbeitung des Papiers kam man zum Ergebnis, dass eine Kontingentierung in der praktischen Agrarpolitik nicht funktionieren wird \- und das aus folgenden Gründen: 1. Der Politik wird es nicht gelingen, das Kontingent unter dem tatsächlichen Verbrauch festzusetzen, so dass Milch knapp wird und einen höheren Preis erzielt. Als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die Kontingentierung 1984 tatsächlich beschloss, wurde das Kontingent erheblich über dem Verbrauch festgelegt, mit der Folge, dass der Milchpreis nicht anstieg. Mit vielen Milliarden DM aus dem Staatshaushalt wurden Kontingentsmengen aus dem Markt herausgekauft. Trotzdem blieb die Produktion höher als der Verbrauch, weil der Herauskauf aufgrund der hohen Kosten zu gering blieb. Es entstanden die berühmten und für den Staatshaushalt teuren "Butterberge".


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2. Das statistische Instrumentarium in der EWG reicht nicht aus, um den tatsächlichen Verbrauch zeitnah richtig festzustellen, so dass der Staat eine richtige Justierung der Kontingentsmenge gar nicht vornehmen kann. Die Praxis hat dies später bestätigt.


3. Die Verteilung der Kontingente auf die landwirtschaftlichen Betriebe oder die Molkereien sowie die Kontrolle der Einhaltung des Kontingents werden einen hohen bürokratischen Aufwand erfordern, der notwendige strukturelle Anpassungen hinauszögert. Wegen der schlechten Kontrollmöglichkeiten der Kontingentierung wird es vielfachen Betrug geben. Auch das ist bei der praktischen Durchführung eingetreten, denkt man nur an Italien oder Spanien. Bundeslandwirtschaftsminister folgte damals dem Rat seiner Mitarbeiter. Während seiner Amtszeit gab es keine Kontingentierung der Milchproduktion. Dadurch wurden gefährliche Fehlinvestitionen im Milchbereich und Milliarden-Subventionen vermieden.


Besser ohne Staat


Die Ursache für die schlechte Milchpreis-Situation \- damals und heute \- ist einfach zu beschreiben: Eine Produktion über den Verbrauch hinaus, auch mit relativ geringen Mengen, ist für die Milchviehhalter eine schlimme Sache, weil die Preise schnell verfallen. Zugleich aber hat die Praxis bewiesen, dass Subventionen oder Kontingentierungen langfristig die Probleme nicht lösen können. Dem BDM wird es noch weniger gelingen, die Produktion auf freiwilliger Basis in gewünschter Weise zu drosseln, weil bei Weitem nicht alle Milchviehhalter in Europa mitmachen werden.


Allerdings hat sich inzwischen auf der Verbraucherseite weltweit einiges geändert. Die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten steigt beachtlich und wird nach Meinung der Fachleute weiter zunehmen. Die Frage ist nur, ob der Preisanstieg auf dem Weltmarkt auch bei dem einzelnen Landwirt ankommt. Hier sind die Zweifel, die der BDM äußerst, berechtigt. Der BDM nennt auch die Gründe hierfür. Den rund 100 000 Milchviehhaltern und den Molkereien stehen in Deutschland wenige sehr große und starke Marktpartner im Handel gegenüber. Die Molkerei-Genossenschaften haben hinsichtlich Größe und Geschlossenheit mit dem Einzelhandel nicht mithalten können.


Vor diesem Hintergrund wird immer wieder Solidarität eingefordert, vor allem die Solidarität zwischen Milchbauern und genossenschaftlichen Molkereien. Diese kann man zwar einfordern, aber nicht erzwingen. Das gilt auch für den vom BDM geforderten Milch-Lieferstreik. Ein Lieferstreik im Milchbereich ist besonders problematisch, denn Kühe geben jeden Tag Milch. Milch wegzuschütten wird einen Sturm der Entrüstung in der Öffentlichkeit auslösen und das Ansehen der Landwirtschaft, das sich gerade erheblich bessert, schwer beschädigen.


Wie geht´s weiter?


Das politische Ziel in der EU ist, die Quoten aufzugeben. Dieses Ziel wird sehr wahrscheinlich verwirklicht werden. Bis jetzt liegt kein Konzept vor, wie das politische Ziel im Einzelnen in der Übergangszeit erreicht werden soll. Die Milchmengenbeschränkung ist bereits aufgeweicht. Deutschland wollte dem nicht zustimmen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Das kann sich bei der derzeitigen weltweiten Nachfragesituation und der derzeitigen Marktordnung für Milch nur senkend auf den Erzeuger-Milchpreis auswirken. Wenn sich die weltweite Nachfrage nach Milch und Milchprodukten wieder erhöht \- das wird wahrscheinlich der langfristige Trend sein \- werden die Erzeugerpreise wohl wieder steigen, wenn auch mit starken Schwankungen.


Womit zu rechnen ist


Im Ergebnis werden nur eigenkapitalstarke Betriebe mit größeren Produktionseinheiten, die kostengünstig organisiert sind, den voraussichtlich sehr harten Wettbewerb überleben. Das kann bedeuten, dass die Milchviehhaltung in Gebieten mit ertragsschwachem Grünland zurückgeht. Das wäre ein großer Verlust für die Erhaltung des dortigen Kulturlandes. Eine Förderung der Milchviehhaltung in diesen Gebieten wäre die Aufgabe der Länder, Landkreise und Gemeinden. Da der Milchpreis für viele Betriebe nicht kostendeckend ist, werden viele Betriebe die Milchproduktion aufgeben. In den vergangenen zehn Jahren haben das schon 75 000 Landwirte in Deutschland getan. Über 40 % der Milchproduzenten, die noch vor zehn Jahren Milchvieh gehalten haben, haben aufgegeben. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Aber trotz des gewaltigen Rückgangs der Zahl der Milchvieh haltenden Betriebe ist die Milchproduktion hierzulande mit 29 Mio. t pro Jahr gleichgeblieben.


Dr. Helmut Scholz

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