Ein Kommentar von Anselm Richard, Chefredakteur des Wochenblatts für Landwirtschaft und Landleben:
Als wenn das nicht längst bekannt wäre: In der deutschen Fleischwirtschaft arbeiten viele ausländische Menschen auf der Basis von Werkverträgen. Sie sind nicht direkt bei diesen Unternehmen angestellt, sondern bei anderen Firmen und werden zur Arbeit in die Schlacht- und Zerlege- oder Verarbeitungsbetriebe entsandt. Erst mit dem Ausbruch der Corona-Fälle in Coesfeld und anderswo wird das Thema plötzlich zum Skandal schlechthin.
Werkverträge sind alltäglich
Ausgeblendet wird dabei, dass Werkverträge in Deutschland zum Alltag gehören. Viele Unternehmen lassen die Reinigung ihrer Betriebs- und Bürogebäude von spezialisierten Dienstleistern erledigen. Genau dasselbe in anderen Geschäftsfeldern: Der Werkschutz wird „ausgelagert“, die betriebliche Datenverarbeitung oder auch Teile der Produktion. Auch in der Bauindustrie sind Werkverträge gang und gäbe.
Eine andere Spielart dieser Arbeitsorganisation sind tatsächlich oder vermeintlich selbstständige „Unternehmer“, die Sportkurse leiten, in Call Centern Werbeanrufe tätigen und Reklamationen bearbeiten oder als Fahrer Essen und Pakete ausliefern, Lastwagen und Taxen steuern.
Keine Zwei-Klassen-Systeme
Tatsächlich ist nicht der Werkvertrag an sich das Problem, sondern seine Ausgestaltung und deren Umsetzung. Die gesetzlichen Regeln müssen sicherstellen, dass die Beschäftigten unabhängig von ihrem Status anständig und gerecht behandelt werden. Zwei-Klassen-Systeme darf es nicht geben.
Dazu gehört natürlich auch die regelmäßige Kontrolle der Werkvertragsfirmen. Viele Politiker und Arbeitnehmervertreter lehnen Werkverträge kategorisch ab, und dies nicht ohne Grund: Die Praxis lehrt leider auch, dass es gerade bei den Dienstleistern oder Subunternehmern Auswüchse gibt, die jeglicher Beschreibung spotten. Lohndumping, unbezahlte Arbeit, Mietwucher und menschenunwürdige Unterbringung dürfen niemals und nirgends zum Geschäftsmodell gehören. Wo das der Fall ist, muss konsequent eingeschritten werden. Dasselbe gilt für die Hinterziehung von Steuern und Sozialabgaben.
Wichtig ist auch, dass der Auftraggeber nicht leichthin jede Verantwortung für die Arbeitssituation und die Einhaltung der Vorschriften ablegen kann. Die Fleischbranche steht im Zentrum der Kritik, weil sie besonders viele und vor allem Menschen aus ärmeren Ländern beschäftigt, die oft wenig integriert sind und in Gemeinschaftsunterkünften wohnen.
Wurzel allen Übels?
Doch wenn nun die Werkverträge ausschließlich in dieser Branche verboten werden, ist das eine halbherzige, ja populistische Lösung. Gesellschaftliche Regeln und Arbeitnehmerrechte gelten überall. Wer als regierender Politiker der Ansicht ist, dass Werkverträge die Wurzel allen Übels sind, der sollte sie schlechthin verbieten, für alle und jeden.