Ein Kommentar von Matthias Schulze Steinmann vom Wochenblatt Westfalen-Lippe:
Es klingt wie der Aufruf zur Zerschlagung eines Verbrecherkartells: Jürgen Trittin von Bündnis 90/Die Grünen kündigt bei der Vorstellung des 100 Tage-Programmes seiner Partei nicht nur massive Eingriffe in die Tierhaltung an – auch seine Wortwahl lässt aufhorchen. Trittin poltert über „Subventionen für Megamastanlagen und Schlachtfabriken“, „unnötiges Tierleid“ und „Drogenhandel im Stall“.
Wer sich noch fragt, ob das Image der Bauern in den vergangenen Jahren tatsächlich Kratzer bekommen hat, der lasse sich Trittins Rhetorik noch einmal auf der Zunge zergehen: Was für einen Aufschrei hätte eine solche Diffamierung eines ganzen Berufsstandes noch vor wenigen Jahren ausgelöst? Vorgetragen nicht auf irgendeinem Aktivistenstammtisch, sondern eingebettet in ein offizielles Parteiprogramm. Heute regt sich außer den Bauern selbst und ihren Verbandsvertretern kaum noch jemand auf.
Wahlkampf auf Kosten der Bauern
Man braucht in diesen Tagen noch nicht einmal nach Berlin schauen, um mangelnden Stil in der politischen Auseinandersetzung zu beklagen. Auch unter den Bauern in Westfalen boxt beileibe nicht mehr jeder oberhalb der Gürtellinie. Die genaue technische Ursache für das tragische Verenden der rund 900 Schweine in Vreden muss noch über ein Gutachten geklärt werden. Der Umgang manches Berufskollegen mit den Ereignissen wirft aber schon heute Fragen auf: Trittins Parteikollege, Friedrich Ostendorff stellvertretender Vorsitzender des Ernährungsausschusses des Deutschen Bundestages und selbst Landwirt aus Bergkamen, hatte die tragischen Geschehnisse nicht nur für eine Generalabrechnung mit der konventionellen Tierhaltung genutzt. Er hat den Sohn von WLV-Präsident Johannes Röring auch noch auf persönlicher Ebene attackiert und ihm eine „eindeutige Verletzung der bäuerlichen Aufsichtspflicht“ vorgeworfen.
Auch wenn im Wahlkampf viel auf dem Spiel steht: Eine gerade Furche sieht anders aus. Ostendorffs Aussagen bewegen sich irgendwo in der Grauzone einer dreisten Ferndiagnose und dem Tatbestand der Verleumdung. Sie lösten in den vergangene Tagen selbst bei landwirtschaftskritischen Zeitgenossen Kopfschütteln aus.
Tierhaltung ohne Anfeidungen weiterentwickeln!
Wo bleiben die Gemäßigten? Das fragen sich nicht nur Bauern, die die Äußerungen der Grünen der vergangenen Monate Revue passieren lassen. Die Agitationen von Trittin und Ostendorff mögen öffentliche Aufmerksamkeit bringen. In der Sache helfen sie nicht. Das ist schade, denn es gibt Bereiche in denen sich die Tierhaltung sehr wohl weiterentwickeln kann. Dann aber bitte ohne öffentliche Anfeindungen, basiert auf wissenschaftlichen Fakten und lösungsorientiert.
Wie das funktioniert, zeigen ausgerechnet die verhassten „Massentierhalter“ selbst, die in der vergangenen Woche mit ihrer Initiative für mehr Tierwohl den Weg freigemacht haben, um die im internationalen Vergleich bereits hohen Tierschutzstandards in deutschen Ställen weiter zu verbessern.
Ist es aus Sicht der Grünen, die richtige Antwort, den Graben auf ihrer Seite tiefer auszuheben, wenn ihnen die Bauern auf der anderen entgegen kommen? Und wovor soll dieser Graben überhaupt schützen? Hat man Angst, dass die eigenen Felle davon schwimmen?
Grüne im Umfragetief
Erfreulich aus Sicht der Landwirte ist jedenfalls eins: So aggressiv der Wahlkampf der Grünen inzwischen daherkommt – verfangen möchten die Pläne um Steuererhöhungen und Abschaffung der „Massentierhaltung“ scheinbar nicht: Meinungsforscher sehen die Partei seit Wochen im Sinkflug. Sie landet in aktuellen Umfragen bei 10 % der Wählerstimmen – fast die Hälfte des Wertes nach der Fukushima-Katastrophe vor zwei Jahren.
Die Fehlersuche dafür hat intern bereits begonnen. Die gemäßigteren Parteivertreter mögen sich zurzeit noch öffentlich bedeckt halten. Viele von ihnen warten aber nur darauf, die alten Hardliner im Falle einer Wahlniederlage endlich abzusägen.