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„Auch Tönnies erfindet das Rad nicht neu!“

Lesezeit: 6 Minuten

Mit „Tönnies Livestock“ nimmt Deutschlands größter Schlachter die Erfassung nun selbst in die Hand. Das kommt nicht bei allen gut an. top agrar hat den Inhaber des größten privaten Viehhändlers, Albert Venneker, gefragt, was er davon hält.


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Spüren Sie, dass Tönnies in den Viehhandel eingestiegen ist?


Venneker: Ja. Die gesamte Branche ist verunsichert. Viele meiner Berufskollegen fragen sich, welche Daseins­berechtigung sie auf Dauer noch haben. Jeder rätselt, was die Zukunft bringt. Aber auch viele Landwirte fragen mich, warum Tönnies nun eine eigene Erfassung aufbaut.


Was sind denn aus Ihrer Sicht die Ziele, die Tönnies Livestock verfolgt?


Venneker: Ich glaube, es sind zwei: Zum einen will Tönnies den direkten Zugriff auf die Betriebe. Der Lebensmitteleinzelhandel fordert das nicht zuletzt, weil Unternehmen wie Westfleisch ihren direkten Bezug in Handelsgesprächen immer wieder hervorheben. Der zweite und noch wichtigere Grund ist in meinen Augen aber die Rohstoffsicherung.


Tönnies war bisher ein Verfechter des freien Viehhandels. Was hat sich geändert?


Venneker: Das stimmt, wir sind ja auch bisher seine Hauptlieferanten. Das Problem ist, dass die Strukturen im Viehhandel in den kommenden Jahren wegbrechen. Kleinere und mittelgroße Händler tun sich am Markt zunehmend schwer. Viele Inhaber sind zwischen 50 und 60 Jahre alt und wollen sich den Stress nicht mehr antun oder haben keine Nachfolge. Ich denke, dass viele von ihnen in den nächsten Jahren ausscheiden.


Funktioniert das alte Modell der Arbeitsteilung zwischen Viehhandel und Schlachtung nicht mehr?


Venneker: Ich sehe das so. Erzeuger­gemeinschaften, Viehverwertungs-­Genossenschaften oder auch die Westfleisch sind in den letzten zehn Jahren stärker geworden. Sie haben uns privaten Händlern Marktanteile weggenommen – vor allem im Schweinebereich. Ich habe Clemens Tönnies vor zwei Jahren sogar selbst geraten, eine eigene Erfassung aufzubauen.


Gilt das auch für das Großvieh?


Venneker: Im Großviehbereich ist das anders. Da sind private Händler weiterhin sehr stark.


Wer muss sich vor Tönnies Livestock überhaupt fürchten?


Venneker: Ich denke, vor allem die Westfleisch. Die Ex-Westfleisch-Mit­arbeiter, die nun für Tönnies arbeiten, kennen die ganze Kundenstruktur. Ein neuer Mitarbeiter bringt im Normalfall wenigstens 50 % seiner alten Kunden mit – die guten sogar 70 %. Auch Händler, die nicht mit Tönnies zu­sammenarbeiten, bekommen sicherlich starke Konkurrenz. Ich denke, dass sich der Strukturwandel dadurch deutlich beschleunigt.


Ihnen macht der Viehhandel aus Rheda-Wiedenbrück keine Konkurrenz?


Venneker: Warum sollte er? Tönnies hat den Viehhandel gegründet, um zusätzliche Schlachttiere zu erfassen. Ich glaube nicht, dass er seinen Lieferanten Stückzahlen wegnehmen will.


Gibt es denn eine Zusammenarbeit?


Venneker: Wir haben ein paar Transporte im Auftrag von Livestock übernommen, als es dort Engpässe gab. Das ist unter Berufskollegen aber üblich.


Ist Tönnies Livestock für Sie ein Viehhändler wie jeder andere auch?


Venneker: Natürlich nicht! Er hat ein größeres Netzwerk als normale Viehhändler, die eher regional arbeiten. Aber er kann das Rad auch nicht neu erfinden.


Wie will Tönnies denn so auf die angepeilten 2 Mio. Ferkel pro Jahr kommen?


Venneker: Ich glaube, er schafft es nicht – zumindest nicht so schnell. Mit seinem eingespielten Team von Westfleisch bekommt er wahrscheinlich zügig auf 15 000 Ferkel pro Woche. Aber alles, was er zusätzlich abwerben will, wird schwer. Ferkelerzeuger, die mit einem Abnehmer zufrieden sind, wechseln nicht sofort. Das ist anders als beim Schlachtvieh. Mehr Geld allein reicht nicht.


Worauf kommt es denn sonst an?


Venneker: Es geht auch um pünkt­liche Abnahme und guten Service. Wir verzichten beim Ferkeltransport deshalb auf Spediteure und fahren grundsätzlich selbst. Man braucht für Einstalltiere top Lkw, die 100 %ig sauber sind. Außerdem sind unsere Fahrer speziell geschult, weil man bei Ferkeln beispielsweise durch falsche Belüftung oder verkehrte Ladedichte schon viel kaputt machen kann. Das Gleiche gilt übrigens auch für Kälber und Fresser.


Lassen sich Sauenhalter nicht durch mehr Geld für die Ferkel locken?


Venneker: Einige vielleicht schon. Aber woher soll das Geld dafür kommen?


Vielleicht aus der Schlachtung und Zerlegung?


Venneker: Das wird Clemens Tönnies nicht zulassen. Ich kenne ihn. Er ist ein Kaufmann und wird seinen Viehhandel nicht subventionieren. Seine neuen Mitarbeiter werden sich schon dem Wettbewerb stellen müssen.


Wie sieht das denn nun in der Praxis aus?


Venneker: Ganz einfach! Tönnies Livestock versucht, wie andere Händler auch, Landwirte an sich zu binden. Sobald Transporte anstehen, werden entweder Speditionen oder kleinere Viehhändler damit beauftragt, die Tiere von A nach B zu fahren.


Das sind doch reine Spedi­tionsgeschäfte. Lassen sich unabhängige Händler darauf ein?


Venneker: Das Geschäft ist in den letzten Jahren so hart geworden, dass viele doch keine andere Wahl haben. Ich weiß, dass viele Händler deshalb mit Rheda stärker zusammenarbeiten wollen. Ein Beispiel: Früher konnten wir 200 Schweine pro Zug laden. Heute sind es nur noch 170 – teilweise sogar nur 160 Tiere. Höhere Vorkosten konnten wir aber kaum durchsetzen. Und nun sollen auch noch die Bestände zurückgehen. Bei diesem Verdrängungswettbewerb wollen viele meiner Berufskollegen nicht mitmachen.


Werden andere Schlachter dem Vorbild folgen und ebenfalls Lebendvieh handeln?


Venneker: Westfleisch und Vion ­machen es ja schon. Und bei Danish Crown soll es ähnliche Pläne geben. Die Danish Crown-Tochter SPF wollte sogar schon einen Mitarbeiter von uns abwerben. Ich vermute, dass sie einen direkten Zugriff auf die dänischen ­Ferkel haben wollen, die in ­Deutschland gemästet werden.


Kommt die vertikale Integration? Wenn ja, welche Rolle spielt dann noch der private Viehhandel?


Venneker: Ich habe keine Angst vor der vertikalen Integration. Erstens glaube ich nicht, dass sie so schnell kommt. Die meisten unserer Bauern wollen eigenständig bleiben. Zweitens sind die Grenzen zwischen Integration und freiem Handel ohnehin fließend. Letztlich machen wir mit unseren Landwirten auch Verträge – allerdings mündlich. So haben wir z. B. mit großen Mästern Pakete über ein Jahr ausgehandelt. Sie beinhalten die Ferkellieferung, die Mastschweinevermarktung und sogar die Gülleentsorgung.


Ob das dem Lebensmittel-einzelhandel auf Dauer reicht?


Venneker: Warum nicht? Wir haben schon heute eine gläserne Produktion. Die Schweine sind über die VVVO-Nummern eindeutig gezeichnet, sodass bei Rückfragen vom Veterinär oder dem LEH die Zuordnung kein Problem ist. Das funktioniert im offenen ­System genauso gut.


Wird Tönnies Livestock die Preisfindung verändern?


Venneker: Nein. Die geplanten ­Mengen stehen doch in keinem ­Verhältnis zu den Stückzahlen, die Tönnies jedes Jahr schlachtet.


Was halten Sie von der derzeitigen Preisfindung?


Venneker: Wir haben zu große Preissprünge am Markt. Etwas mehr Ruhe wäre für alle Seiten besser.


Höhere Preise bringt das allein aber nicht. Wie geht es denn mit dem Schweinepreis weiter?


Venneker: Ich rechne mit maximal 1,50 €/kg SG in nächster Zeit. Es gibt derzeit kaum gute Nachrichten.

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