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Start der Ernte 2024 Agrarpaket der Bundesregierung Pauschalierung

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Das darf nicht noch einmal passieren!

Lesezeit: 6 Minuten

Im Dioxin-Skandal ist endlich Ruhe eingekehrt. Der „14-Punkte-Plan“ von Bund und Ländern soll eine Wiederholung verhindern. Viele Fragen sind aber noch offen.


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Auf den ersten Blick hat sich der Skandal um dioxinbelastetes Futter erledigt: Die meisten gesperrten Betriebe sind wieder freigegeben. Die Notierungen für Schweine, Ferkel und Eier haben sich vom Schock schnell wieder erholt. Die Politik hat erste Maßnahmen ergriffen, um einen neuerlichen Skan­dal zu verhindern, weitere sind angekündigt.


Die gute Nachricht für Verbraucher: Offenbar war alles halb so schlimm wie befürchtet! Das Bundesamt für Risikobewertung teilte Ende Januar mit, die in Fleisch und Eiern gefundenen Dioxinmengen seien unbedenklich gewesen. Selbst wenn man ein Jahr täglich zwei belastete Eier gegessen hätte, sei kein Schaden zu befürchten.


Landwirte tragenweiter die Hauptlast


Dennoch: Dioxin hat nichts in Futtermitteln verloren! Deshalb dürfen die Beteiligten jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Unterm Strich sind die Landwirte die Hauptleidtragenden des Skandals: Anfang Februar waren in Nieder-sachsen immer noch über 200 Betriebe – meist Schweinehalter – gesperrt. Diese Betriebe waren mit Futter der Genossenschaft in Damme beliefert worden, die erst sehr spät und unvollständig Lieferlisten an die Behörden weitergab. Das Fatale: Mit diesem Verhalten lös­te der Futterhersteller nicht nur ein politisches Erdbeben zwischen Niedersachsen und Berlin aus, sondern erwies auch seinen Kunden einen echten Bärendienst. Die betroffenen und unter Verdacht stehenden Betriebe mussten einzeln „freigeprüft“ werden, was teils mit Probeschlachtungen einzelner Schweine verbunden war. Entsprechend lange waren die Betriebe gesperrt und entsprechend hoch die entstandenen Schäden.


Auch Betriebe, die nicht direkt betroffen waren, haben gewaltige Einbußen erlitten: Mehr als die Hälfte des entstandenen Schadens basiert auf dem Notierungseinbruch (siehe Übers. 1). Diesen müssen auch nicht gesperrte Betriebe verkraften. Anspruch auf Enschädigung haben sie nicht. Ob und wie die direkt betroffenen Betriebe entlastet werden, ist noch völlig offen – zumal die Schäden oft aus vielen Einzelposten bestehen.


Betroffenen Betrieben dürfte insgesamt ein Sachschaden von mindestens 100 Mio. € entstanden sein. Wer diesen ersetzt, war bis zuletzt immer noch nicht geklärt (vgl. top agrar 2/2011, S. 119). Da-rüber hinaus ist der Imageschaden für Schweine- und Geflügelhalter enorm. Einige Politiker und Medien zögerten nicht und forderten als Konsequenz sogar eine Agrarwende.


„Wasserdichte“ Kontrollen


Realistisch betrachtet ist das Wichtigste allerdings jetzt, die Überwachung der Futtermittelbranche „wasserdicht“ zu machen. Ziel muss sein, einen erneuten Dioxin-Skandal künftig zu verhindern.


Das größte Problem bei der Futtermittelüberwachung dürfte die Finanzierung sein. Eine grundsätzliche Kontrolle aller Futterchargen auf Dioxin – und andere Schadstoffe – würde nicht nur mangels Laborkapazitäten scheitern. Bei Analysekosten von jeweils mehreren hundert Eu­ro wäre das Futter schlichtweg zu teuer. Allerdings reichen die bisherigen 2 000 bis 3 000 amtlichen Analysen von Futtermitteln auf Dioxin offenbar nicht aus, um das System der Eigenkontrollen hinreichend zu überwachen und zu ergänzen. Nach Aus­sage von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ist die risikoorientierte Verschärfung der Überwachung der entscheidende Punkt für mehr Sicherheit in der Lebensmittelkette.


„14-Punkte-Plan“ zügig umsetzen


Mitte Januar stellten die zuständigen Bundes- und Länderminister daher einen 14-Punkte-Plan als Konsequenz aus dem Dioxin-Skandal vor (siehe Übersicht 2). Entscheidend ist aber nicht der Plan, sondern seine Umsetzung. Bis Redaktionsschluss (14.2.2011) hatte die Bundesregierung erst zwei Punkte auf den Weg gebracht:


? Mit der Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sollen auch private Labore verpflichtet werden, bedenkliche Messergebnisse künftig immer den zuständigen Behörden zu melden (siehe Übers. 2, Maßnahme 6).


? Futtermittel- und Lebenmittelhersteller sollen sämtliche Untersuchungsergebnisse von Dioxinen und anderen Problemstoffen in einer Datenbank zusammenführen (s. Übers. 2, Maßnahme 10).


Außerdem ist eine verpflichtende Positivliste für Futtermittelzutaten geplant. Bislang ist deren Einhaltung eine freiwillige Branchenvereinbarung. Das Problem: Wenn überhaupt, wird es diese Verschärfung vermutlich nur in Deutschland geben. Denn auf EU-Ebene holte sich Aigner in Brüssel schon eine klare Abfuhr ab. Überhaupt: Vor allem die Umsetzung der Punkte, für die die einzelnen Bundesländer zuständig sind, dürfte sich vermutlich länger hinziehen.


Auf Bundesebene will Ministerin Aigner derweil mit einer härteren Bestrafung von Futterpanschern punkten. Das geltende Strafrecht reicht ihr nicht aus. Feder­führend in dieser Sache ist allerdings das Bundesjustizministerium. Die Beratungen zu dieser Idee sollen bald beginnen.


In die Kritik geraten war auch die QS GmbH, weil die Rückverfolgung trotz QS-Siegel zumindest beim Dammer Betrieb nicht hinreichend geklappt hat. Daher sollen QS-zertifizierte Futtermischer ab Mitte des Jahres nur noch Fettsäuren und Öl verarbeiten dürfen, wenn unbedenkliche Untersuchungsergebnisse vorliegen. Zudem soll schon ab März 2011 ein schärferer Kontrollplan für Futterfette gelten. Die Verwendung von Altfetten wird in QS-Betrieben verboten. Darüber hinaus sollen ab März 2011 Futtermittel und „futtermittelfremdes Material“ strikt voneinander getrennt verarbeitet werden.


Weitere Maßnahmenmüssen folgen!


Einige Vorschläge zur besseren Futtermittelüberwachung sind also schon auf den Weg gebracht worden – vieles steckt aber noch in der Planung bzw. existiert nur als Idee. Kein Wunder, dass der Bauernverband mehr Tempo fordert. Folgende Punkte müssen schnell kommen:


Risikoorientierte Zulassung aller Futter-Hersteller und -tranporteure.


Verbesserung der Zusammenarbeit der Behörden von Bund und Ländern.


Versicherungspflicht für Hersteller.


Eine weitreichendere Versicherung der Futtermischer wird allerdings von der Branche und auch von Versicherern abgelehnt. Begründung: Zu teuer. Offenbar würden die Prämien für eine Absicherung von Folgeschäden, wie sie jetzt aufgetreten sind, ins Unermessliche steigen.


Wir halten fest


Einen weiteren Dioxin-Skandal darf es nicht geben! Acht Fälle in acht Jahren sind mehr als genug. Denn auch dieses Mal sind Landwirte unschuldig die Leidtragenden krimineller Machenschaften eines Futtermittelherstellers. Zum Vertrauensverlust vieler Verbraucher bei Fleisch und Eiern kommt der riesige Imageschaden für die Veredlungsbranche, der in den Forderungen nach einer Agrarwende gipfelte.


Die geplanten Maßnahmen wie z. B. die Meldepflicht und die zentrale Datenbank dürften bald für mehr Transparenz sorgen. Verschärfte Kontrollen sowie härtere Strafen müssen künftig Futterpanscher abschrecken. Wichtig ist aber auch, dass die Beschlüsse des „14-Punkte-Plans“ konkret umgesetzt werden. Regelungen dürfen nicht an Landes- oder Staatsgrenzen aufhören. Eine verbindliche Positivliste nur für Deutschland macht im europäischen Futtermittelgeschäft kaum Sinn.


Nicht zuletzt müssen betroffene Landwirte endlich Klarheit bekommen, wer die entstandenen Schäden wie ersetzt. Das dürfte aber leider der zäheste und schwierigste Verhandlungspunkt werden.Christian Brüggemann

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