Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Start der Ernte 2024 Agrarpaket der Bundesregierung Pauschalierung

Aus dem Heft

Die Preise künftig von der Terminbörse ableiten!

Lesezeit: 7 Minuten

Braugerste


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Braugerstenpreise steigen, aber kaum einer profitiert. Ursache sind Vorverträge mit fixen Preisen. Jetzt gibt es eine Alternative: Börsengestützte Vorkontrakte. Wie sie funktionieren, zeigt Dr. Uwe Steffin, Berlin.


Nach Jahren mit Niedrigpreisen hat der Wind am Braugerstenmarkt gedreht. Ende September wurden fast überall im Bundesgebiet mehr als 175 €/t für vertragsfreie Sommer-Braugerste bezahlt. Ob dieser Preisaufschwung 2011 zu einer Renaissance der Braugerste auf deutschen Äckern führen wird, darf aber zu Recht bezweifelt werden. Zu tief sitzt der Ärger bei Landwirten, die im Frühjahr für Vertragsware weniger als 130 €/t festgemacht haben und den anschließenden Preisanstieg deshalb verpasst haben.


Auf vielen Betrieben hat die Braugerste den „Kampf“ gegen Biogas-Mais bereits verloren. Um den Negativtrend bei den Anbauflächen aufzuhalten, wären jetzt positive Preissignale von der Malzindustrie notwendig. Vorvertragspreise zwischen 150 €/t und 170 €/t für braufähige 2011er Ware dürften aber nur wenige Spezialisten zum riskanten Braugerstenanbau animieren.


Ein weiteres Wegbrechen der Braugerstenfläche in Deutschland ist über-dies nur mit neuen Vertragsmodellen aufzuhalten, bei denen der einzelne Er-zeuger flexibel auf Marktentwicklungen reagieren kann.


Anbauer mit besseren Verträgen ködern


In der Brau- und Malzindustrie denkt man deshalb über neue Einkaufskonzepte auf Grundlage von Termingeschäften nach. Die Rede ist von börsengestützten Vorkontrakten, auch Basis- oder Prämienkontrakte genannt.


Solche Verkaufsvereinberungen machen fortwährende Preisgespräche zwischen den Anbauern und ihren Abnehmern, also Händlern oder Mälzereien, quasi überflüssig, da der Erzeugerpreis von der europäischen Leitbörse Matif abgeleitet wird. Bei Weizen sind diese Kontrakte in vielen Regionen Deutschlands schon gang und gäbe, und das könnte bald auch bei Braugerste so sein. Im Mai 2010 startete die Matif den Terminhandel mit Braugersten-Futures.


Abnehmer und Erzeuger legen in den Verträgen mit „börsengestützter Preisfindung“ Liefermenge- und -zeitpunkt, Zuschläge für besondere Qualitäten und gegebenenfalls Sorten fest. Aber der Preis bleibt zunächst offen. Stattdessen wird ein Zu- oder Abschlag (Börsianer sprechen von der Basis, vgl. Kasten) auf die Matif-Notierung fixiert, der Verhandlungssache ist. Nach Vertragsabschluss hat der Landwirt ein Zeitfenster von normalerweise mehreren Monaten, um den Ausgangspreis zu bestimmen – er muss die Börse beobachten und festlegen, welcher Tageskurs zugrunde gelegt wird.


Vermarktung in Teilmengen


Letztlich ist ein Basiskontrakt also ein Vertragsanbau mit flexiblem Preis. Was die eigene Braugerste gerade wert ist, kann der Landwirt mit einem Blick auf den Kurszettel der Matif sehen. Denn der Erzeugerpreis ergibt sich ganz einfach aus dem Matif-Preis plus/minus der vertraglich festgelegten Basis.


Wie solche Kontrakte in der Praxis funktionieren, zeigt eine Modellrechnung für 2010: Landwirt Huber vereinbart mit seiner Mälzerei vor Ort Anfang Januar einen Basiskontrakt über die Lieferung von 200 t braufähiger Sommergerste. Als Preisabstand zur Matif wird ein Abschlag von 10 €/t ausgehandelt.


Für 2010er Braugerste konnten an der Matif Anfang Juli 170 €/t erlöst werden. Abzüglich der Basis ergibt sich daraus ein Erzeugerpreis von 160 €/t netto. Da auf diesem Preisniveau die Produktionskosten gedeckt sind, fixiert Huber den Preis für die ersten 100 t. Als Braugerste in Paris vier Wochen später sogar 200 €/t bringt, verkauft der Landwirt die restlichen 100 t, korrigiert um die Basis sind das 190 €/t.


Nach dem Drusch liefert der Ackerbauer die Gerste – wie im Vertrag fest-gelegt – an die Mälzerei. Unter dem Strich erzielt Huber einen „Mischpreis“ von 175 €/t, womit er gut leben kann.


Ein solcher Basiskontrakt hat für Huber gleich mehrere Vorteile:


Er kann mit Teilverkäufen flexibel auf Preisveränderungen reagieren.


Im Vertrag können Zuschläge für besondere Qualitäten vereinbart werden.


Zudem braucht Huber kein eigenes Börsenkonto, da die börsenmäßige Abwicklung zentral für alle Lieferanten über die Mälzerei erfolgt.


Einziger Nachteil gegenüber Vorkon­trakten mit vor der Aussaat festgelegten Preisen: Huber steht so lange im Risiko, bis er für seine Braugerste tatsächlich einen Preis festgemacht hat – wenn die Preise stetig nachgeben würden, hätte er das Nachsehen.


Kein Patentrezept gegen Niedrigpreise


Basiskontrakte sind nämlich kein Patentrezept gegen Niedrigpreise. Zur Ernte 2009 hätten auch über die Matif keine Kosten deckenden Braugerstenpreise erzielt werden können.


Eine Alternative für risikoscheuere Landwirte sind deshalb Mehrjahreskon­trakte mit Preiskorridor, wie sie von der Branche ebenfalls diskutiert werden. Der Clou dabei: Extreme Preisentwicklungen werden vertraglich abgeschnitten, und zwar nach oben und unten. Dadurch entsteht ein Korridor – z. B. zwischen 150 €/t und 200 €/t – in dem die Preise je nach Marktentwicklung frei schwanken können (vgl. Übersicht auf der nächsten Seite). Preisreferenz ist auch bei diesem Vertragsmodell die Matif, wiederum mit einzelbetrieblichen Zu- und Abschlägen. Der Preiskorridor schützt die Erzeugerseite vor ruinösen Niedrigpreisen, während die Mälzerei den Brauereien auch in Hochpreisphasen wettbewerbsfähige Angebote machen kann.


Achtung: Mehr als die Hälfte der geplanten Braugerstenproduktion soll-ten Landwirte auf keinen Fall über börsenbasierte Vorkontrakte absichern. Denn die vertraglich fixierten Mengen und Qualitäten müssen nach der Ernte tatsächlich an die Mälzerei geliefert werden.


Und wenn man keine Vorverträge mit seinem Abnehmer abschließen will? Auch für vertragsfreie Braugerste ergeben sich durch den Matif-Kontrakt neue Möglichkeiten zur Preisabsicherung.


Landwirte können dazu selbst Terminkontrakte an der Matif verkaufen und sich damit gute Preise sichern. Dieses so genannte Hedging ist quasi ein Null-summenspiel, wenn man die anfallenden Börsenkosten mal außer Acht lässt. Denn Gewinne an der Börse gleichen Verluste am normalen Kassamarkt aus und umgekehrt – vorausgesetzt die Börse ist liquide und der Börsenkurs entwickelt sich parallel zum Kassapreis. Für 2011er Braugerste standen an der Matif Mitte September knapp über 226 €/t auf dem Kurszettel.


Versicherung gegen fallende Preise


An der Matif werden außerdem so genannte Verkaufs-Optionen auf Braugerste gehandelt. Mit solchen „Puts“ können sich Landwirte Mindestpreise für ihre Braugerste absichern, z. B. auf Höhe der voraussichtlichen Produktionskosten. Mitte September konnte ein Preis von 230 €/t gegen Zahlung einer Prämie von ca. 21 €/t festgemacht werden.


Größter Vorteil dieser Put-Optionen: Steigt der Braugerstenpreis nach dem Optionskauf, hat der Landwirt keine Andienungspflicht. Die Optionsprämie verfällt dann einfach wertlos.


Zudem ist der finanzielle Einsatz auf die Zahlung der Optionsprämie begrenzt. Leider sind interessante Optionen auf Braugerste - anders als bei Weizen und Raps – noch Zukunftsmusik, denn Umsätze muss man hier bisher mit der Lupe suchen.


Wir halten fest


Der Braugersten-Kontrakt der Matif bietet Landwirten nicht nur die Möglichkeit, sich das ganze Jahr über zuverlässig über den Braugerstenpreis zu informieren. Gleichzeitig ist der Terminhandel Voraussetzung für börsengestützte Vermarktungsmodelle, mit denen Diskussionen und Streit über den „richtigen und vor allem fairen Preis“ der Vergangenheit angehören sollten. Nicht nur die Erzeugerseite, sondern auch die Malzindustrie sollte ein Interesse daran haben, dass der neue Kontrakt in Paris ein Erfolg wird. Denn eine Fehlspekulation kann bei volatilen Preisen auch für einen Mälzer schnell existenzbedrohend werden.


Der Terminkontrakt wird sich als Preisreferenz aber nur dann durchsetzen, wenn hohe Umsätze dahinter stehen. Deshalb sind auch die hiesigen Brauer und Mälzer gefordert, ihre bisher abwartende Haltung aufzugeben. Durch die hohen Preise ist Bewegung in den Braugerstenmarkt gekommen. Selten waren die Voraussetzungen günstiger, neue Vertragsformen zu etablieren. Sprechen sie Ihre Abnehmer auf börsenbasierte Vorkontrakte an!

Die Redaktion empfiehlt

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.