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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Die Solidarität der Kollegen gibt neuen Mut!

Lesezeit: 4 Minuten

A ls Friedrich Lodemann (37) aus Klein-Hehlen bei Celle am 5. Januar 2001 abends vom Melken nach Hause kam, wartete Kreistierarzt Dr. Eckart Peters mit einer schlechten Nachricht auf ihn. Eine geschlachtete Kuh aus sei-nem Bestand war per Schnelltest positiv auf BSE getestet worden. Sie war weni-ge Tage zuvor wegen Fruchtbarkeits-problemen ausselektiert und mit drei weiteren Tieren geschlachtet worden. Doch damit nicht genug: Nur kurz nachdem der Amtstierarzt die Ver-dachtsmeldung vom Ministerium aus Hannover erfahren hatte, kam sie auch im Radio. Und bald danach meldete sich die erste Tageszeitung per Telefon. Ob-wohl noch kein amtliches Ergebnis vor-lag, wurden wir sofort von der Presse be-lagert, erinnert sich Lodemann. Bis kurz nach 18 Uhr hatten schon et-liche Tageszeitungen sowie einige Fern-sehsender bei der örtlichen Polizei um In-formationen gebeten. Aus der Erfahrung anderer Regionen mit BSE-Fällen riet ihm der Landrat daraufhin, sofort den Be-trieb durch die Polizei abschirmen zu las-sen. Um die Familie gegenüber den Pres-seanfragen zu entlasten, wurde auch das Landvolk aktiv. Es hat sich als sehr nütz-lich erwiesen, alle Anfragen von Funk, Fernsehen und Presse über den Kreisland-wirt zu steuern, erläutert Hans-Wilhelm Schütze, Geschäftsführer des Landvolk-kreisverbandes Celle. Offensiv auf die Medien zugegangen Lodemanns entschieden, sich in einer Pressekonferenz offensiv den Fragen der Journalisten zu stellen. Daran beteiligt wa-ren neben dem Landrat auch Kreisveteri-när Peters und der Kreislandwirt Georg Rahlfs. Wir waren uns keiner Schuld be-wusst. Außerdem wollten wir ganz sachlich darüber informieren, dass es sich bei BSE nicht um eine Seuche, sondern nur um Krankheit einzelner älterer Rinder han-delt, erläutert der Milchviehhalter. Die Aktion war erfolgreich: Nach der Konferenz ließ das Medieninteresse spür-bar nach. Aber nur für zwei Tage denn dann kam die Bestätigung für das Vorlie-gen von BSE aus dem nationalen Refe-renzlabor in Tübingen. Und wieder waren die Medien vor dem Landwirt informiert. Wir hoffen, dass die undichte Stelle im Ministerium bald entdeckt wird. Die Her-ausgabe von Name und Anschrift an die Presse vor der Benachrichtigung des Be-triebsleiters ist unzumutbar!, kritisiert Landvolkgeschäftsführer Schütze. Große Unterstützung erhielten die Lo-demanns in der Zeit von Freunden, Be-kannten und Berufskollegen. Es war wie ein familiärer Trauerfall. Neben Blumen und Karten haben wir auch Geldspenden erhalten, erinnert sich der Landwirt. Wei-teren Auftrieb gab eine vom Landvolkver-band organisierte Demonstration auf dem Betrieb gegen die Tötung des gesamten Bestandes, an der über 1 300 Protestieren-de teilnahmen. Die Solidarität der Be-rufskollegen, die Transparente und die perfekte Organisation an diesem Tag ha-ben uns wieder neuen Mut gegeben, er-läutert Lodemann, auch wenn die Protest-aktion eher symbolisch war. Denn die Tie-re wurden trotzdem am nächsten Tag ab-transportiert: Insgesamt 104 Rinder, davon 56 Kühe. Die Tötung und Entsorgung er-folgte in einer Tierkörperbeseitigungsan-stalt im Landkreis Rotenburg/Wümme. Nur ein Kalb wurde zu Forschungszwe-cken an die Uni Göttingen überführt. Wir haben keine Alter-native zur Milchproduktion Erst nach ein paar Tagen und mit etwas Abstand konnten Lodemanns wieder an die Zukunft denken. Zunächst wurde der Stall nach Weisungen des Amtsveterinärs gründlich gereinigt. Für uns stand fest, dass wir weiter Milch produzieren werden. Denn für unseren Betrieb gibt es keine Al-ternative, macht der Betriebsleiter deut-lich. Lodemann bewirtschaftet 113 ha, da-von 30 ha Grünland. Die Herdenleistung lag bei über 8 000 kg. Da ein Teil der Quo-te von 500 000 kg noch nicht erfüllt wurde, hofft Lodemann jetzt auf die Härtefallre-gelung, die ein Verleasen der Quote in der-artigen Fällen ermöglicht. Entschädigungen hat er nur von der Tierseuchenkasse erhalten, eine Ertrags-schadenversicherung war nicht abgeschlos-sen worden. Zurzeit bestehen zwar noch keine Liquiditätsengpässe. Wir hatten in letzter Zeit wenig investiert und daher kaum Verbindlichkeiten, erläutert Lode-mann seine aktuelle Situation. Daher rech-net er auch nicht mit öffentlichen Geldern vom Land Niedersachsen, die nur stark existenzbedrohten Betrieben zur Verfü-gung stehen. Doch die Wiederaufnahme der Milchproduktion könnte sehr zu Las-ten der Liquidität gehen. Lodemann rechnet damit, die ursprüng-liche Milchleistung erst in drei Jahren wie-der zu erreichen. Außerdem zeigt ihm die Erfahrung anderer Betriebsleiter, dass an-fangs etwa jede dritte Kuh wieder ausse-lektiert werden muss. Dementsprechend will er mehr Tiere aufstallen. Dazu wäre dann aber eine Auslagerung der Jungvieh-aufzucht nötig, überlegt er. Das Geld von der Tierseuchenkasse will Lodemann aus-schließlich in den neuen Tierbestand in-vestieren. Für den Bestandsaufbau plant er, abgekalbte Tiere auf Auktionen zu kau-fen. Denn er hält es für unmöglich, viele Tiere aus einem Bestand zu erhalten. Neben dem möglichen Krankheitsdruck durch die Vielzahl der Herkünfte hat Lo-demann am meisten vor einem neuen BSE-Fall Angst. Daher hat er jetzt eine Er-tragsschadenversicherung abgeschlossen. Der Landwirt hofft außerdem, dass sich die Diskussion über BSE versachlicht und nicht mehr der ganze Bestand gekeult wer-den muss. H. Neuman

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