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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

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Erster Fakten-Check zur Nachhaltigkeit

Lesezeit: 8 Minuten

Wie lässt sich Nachhaltigkeit in der Milchproduktion erfassen und belegen? Eine Umfrage des Thünen-Instituts in 750 Betrieben aus Niedersachsen gibt erste Antworten.


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Nachhaltigkeit ist in der Milchwirtschaft in aller Munde. Während in der Anfangsphase vor allem der Ressourcen-Verbrauch der Molkereien im Mittelpunkt stand, sind es jetzt die Milchviehbetriebe.


Doch was bedeutet „nachhaltig“ auf Betriebsebene? Welche Aspekte müssen berücksichtigt werden? Diese Fragen standen am Anfang des Projekts „Nachhaltige Milcherzeugung in Niedersachsen“, das die Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen (LVN) initiiert hat. Das Ergebnis in Kürze: Nachhaltigkeit hat viele Facetten.


Noch in Kinderschuhen:

Dass Nachhaltigkeit auf Erzeugerebene relativ schwierig in den Griff zu bekommen ist, zeigen die bereits bestehenden Aktivitäten. Internationale Molkereien wie FrieslandCampina, Arla, Irish Dairy Board oder die Beemster-Cono Kaasmakers gehen beim Nachhaltigkeitsthema voran. Sie haben auch für Milcherzeuger Nachhaltigkeitsziele formuliert.


Die Systeme zur Erfassung und Steuerung von Nachhaltigkeit befinden sich bei allen Akteuren noch in der Entwicklung bzw. werden fortlaufend weiterentwickelt. Die nachhaltige Entwicklung der Wertschöpfungskette Milch ist ein stetiger Lernprozess, der ein hohes Maß an Offenheit, Dialogbereitschaft und Vertrauen von allen Beteiligten fordert.


Zusammen mit dem Arbeitskreis „Nachhaltige Milcherzeugung“ der LVN wurde ein sogenanntes Basistool für die schriftliche Befragung von Milcherzeugern erarbeitet. Die Ergebnisse basieren auf den Daten von 750 Milcherzeugern, die die Gesamtheit der niedersächsischen Milchviehbetriebe in Bezug auf regionale Verteilung und Größe der Herden sehr gut abbilden. Deutlich wird, dass es „den“ niedersächsischen Milchviehbetrieb nicht gibt. Die Ergebnisse variieren zwischen den Betrieben teilweise erheblich und zeigen sowohl die Leistungen der Betriebe als auch Verbesserungspotenziale auf.


Grünland und Energie:

Ökologische Leistungen zeigen sich unter anderem bei der Bewirtschaftung des Dauergrünlands und beim Thema „Grüne Energie“.


Extensiv bewirtschaftetes Dauergrünland spielt eine bedeutende Rolle beim Erhalt der biologischen Vielfalt. Es bietet zahlreichen Pflanzen- und Tierarten einen wertvollen Lebensraum. 36 % der befragten Milcherzeuger bewirtschaften zumindest einen Teil ihres Dauergrünlands extensiv. Bezogen auf die gesamte Dauergrünlandfläche der Betriebe ergibt sich ein Anteil von 10 %. Damit ist die extensive Nutzung von Dauergrünland unter den befragten niedersächsischen Milcherzeugern stärker verbreitet als erwartet. Beachtenswert ist zudem, dass 66 % des Grünlands gar nicht oder nicht ganzflächig mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.


Eine starke Verbreitung haben energiesparende Techniken bei der Milchgewinnung: 88 % der Betriebe nutzen die Abwärme aus der Milchkühlung durch Wärmerückgewinnungsanlagen, 34 % setzen einen Vorkühler zum Herunterkühlen der Milch ein. Eine spezielle Energieberatung zur Identifizierung von (weiteren) Einsparpotenzialen haben allerdings erst 17 % der Betriebe in Anspruch genommen. Eigene Anlagen zur Erzeugung von regenerativer Energie betreiben sage und schreibe 46 % der befragten Milcherzeuger!


Beim Nährstoffmanagement gibt es Licht und Schatten: So ist es inzwischen Standard, die Flächen regelmäßig auf den Phosphorgehalt zu beproben. 59 % der Betriebsleiter beproben ihr Ackerland alle drei bis vier und 35 % alle fünf bis sechs Jahre. Der Anteil der Betriebe, die den Phosphorgehalt ihrer Ackerflächen gar nicht untersuchen, ist sehr gering und liegt bei lediglich 1,3 %.


Gülle effizienter nutzen:

Handlungsbedarf wird allerdings beim Gülle-Management der Betriebe deutlich. So wenden die befragten Betriebe überwiegend bodenferne Verfahren für die Ausbringung der Gülle an (86 % der Betriebe), die zu den höchsten Ammoniakverlusten führen. Bodennahe Verfahren (Schleppschlauch, Schleppschuh) sind hingegen deutlich weniger verbreitet (39 %). Die geringste Verbreitung (9 %)haben bisher Ausbringungstechniken mit den höchsten Ammoniak-Vermeidungspotenzialen, bei denen die Gülle direkt in den Boden eingebracht wird. Eine Zukunftsaufgabe ist hier, zu einer noch stärkeren Verbreitung moderner Ausbringungstechniken zu gelangen.


Auch bei der Güllelagerkapazität gibt es noch „Luft nach oben“: Grundsätzlich gilt, dass Gülle nur dann ausgebracht werden sollte, wenn Pflanzen die ausgebrachten Nährstoffe auch aufnehmen können und die Fläche befahrbar ist. Da die Gülle aber kontinuierlich über das Jahr anfällt, muss genügend Lagerkapazität veranschlagt werden. Die meisten Betriebe verfügen über entsprechende Kapazitäten. Auf mögliche Probleme stoßen 22 % der befragten Betriebe, die ihre Gülle weniger als sechs Monate lagern können.


Haltung und Management:

In der Tier-haltung punktet Niedersachsen mit einer starken Verbreitung des Boxenlaufstalls: 91 % der Kühe stehen bereits in Laufställen, die meist mit Einrichtungen zur Erhöhung des Kuhkomforts wie Kuhbürsten ausgestattet sind. Gerade Laien lässt sich mit der Installation von Kuhbürsten eindrucksvoll zeigen, wie sich das Wohlbefinden der Kühe steigern lässt. Und für Kühe, die eine besondere Aufmerksamkeit erfordern („special needs“), gibt es in 94 % der Betriebe einen gesonderten Bereich (Abkalbebereiche und/oder Krankenställe). Nur noch 6 % der Milchkühe stehen in einem Anbindestall, vor allem in kleineren Betrieben.


Die Weidehaltung entwickelt sich in Deutschland eher rückläufig. Erwartungsgemäß lassen die befragten Betriebe ihr Jungvieh (76 % der Betriebe) bzw. die trockenstehenden Kühe (78 %) etwas häufiger auf die Weide als laktierende Milchkühe (71 %). Insgesamt haben 60 % der laktierenden Milchkühe Weidegang. Deutlich wird, dass die Weidehaltung mit steigender Herdengröße ab- und die reine Stallhaltung zunimmt (Übersicht 1).


Von großer Bedeutung für die Tiergerechtheit ist das Herdenmanagement. Etliche Betriebsleiter holen sich Unterstützung: So nutzen 43 % der Betriebsleiter ein EDV-Herdenmanagementsystem, 63 % der Betriebe eine tierärztliche Bestandsbetreuung.


Wie zu erwarten, werden in allen befragten Betrieben Antibiotika zur Behandlung von akuten Krankheiten eingesetzt, z. B. bei Euter- oder Gebärmutterentzündungen. Der Anteil der behandelten Kühe unterscheidet sich zwischen den Betrieben jedoch sehr stark (Durchschnitt 30 % der Kühe) und zeigt damit einen möglichen Verbesserungsbedarf bei einigen Betrieben auf.


Um die Klauen gesund zu erhalten und ggf. Klauenerkrankungen frühzeitig zu erkennen, ist eine fachgerechte und regelmäßige Klauenpflege wichtig. Das haben die meisten Betriebsleiter inzwischen erkannt: 77 % der Kühe werden regelmäßig die Klauen geschnitten, im Durchschnitt zwei Mal pro Jahr.


Zu den verbesserungswürdigen Aspekten gehört die derzeitige Praxis der Kälberenthornung (Übersicht 2): Die Mehrheit der befragten Betriebe sediert zwar alle Kälber vor der Enthornung (64 %). Schmerzmittel werden jedoch nur in 34 % der Betriebe regelmäßig verabreicht. Eine stärkere Verbreitung von Sedierung und Schmerzmittelgabe sollte aus Sicht des Tierschutzes, aber auch wegen der öffentlichen Diskussion zum Tierwohl, angestrebt werden.


Neben der durchschnittlichen Milchleistung je Kuh steht zunehmend die Lebenstagsleistung im Mittelpunkt. Diese berücksichtigt neben der Milchleistung auch die Lebensdauer der Milchkuh und setzt beide Daten zueinander ins Verhältnis. Die Lebenstagsleistung schwankt in den befragten Betrieben erheblich. Nur in etwa einem Viertel der Betriebe haben die gemerzten Tiere mehr als die angestrebten 15 kg Milch je Lebenstag produziert.


Soziale Aspekte:

Ein hohes ehrenamtliches Engagement der Landwirtsfamilien und eine überdurchschnittlich hohe Ausbildungsquote gehören zu den sozialen Leistungen der Betriebe. 69 % der Betriebe sind berufsbezogen ehrenamtlich und/oder außerhalb der Landwirtschaft ehrenamtlich tätig. Knapp neun Stunden bringen die Familien dafür im Durchschnitt monatlich auf.


Die folgenden Zahlen verdeutlichen aber auch die sehr hohe Einbindung der Familienmitglieder in den Betrieb: In nur 37 % der Milchviehbetriebe haben Familienarbeitskräfte mindestens einen freien Tag in der Woche. In 60 % der Betriebe machen Familienarbeitskräfte Urlaub. Die Anzahl der Urlaubstage der Familienarbeitskräfte beträgt im Schnitt elf Tage. In etwas mehr als einem Drittel der Betriebe arbeiten die Familienarbeitskräfte ohne Urlaub und freie Tage das Jahr über durch.


Die Daten zeigen auch: Je größer die Herde, umso größer ist die Flexibilität der Betriebsleiterfamilien für Urlaub und freie Tage (Übersicht 3). Möglich macht das häufig die Beschäftigung familienfremder Mitarbeiter.


Bei der Entlohnung ihrer Mitarbeiter orientiert sich der weit überwiegende Teil der Betriebe an den Tarifverträgen. So bezahlen eigenen Angaben zufolge 82 % der erhobenen Betriebe mit familienfremden Arbeitskräften ihren Voll- und Teilzeitkräften einen Lohn, der mindestens dem Lohnniveau der Tarifverträge entspricht. In etwas mehr als der Hälfte der befragten Betriebe (58 %) steht den familienfremden Mitarbeitern ein angemessen eingerichteter Aufenthaltsraum zur Verfügung. Das ist beachtlich, weil nur sechs Betriebe zur Einrichtung von Pausenräumen verpflichtet wären, da sie mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen.


Zukunftsperspektiven:

Aus Sicht niedersächsischer Milcherzeuger sind die Aussichten für den Fortbestand ihrer Betriebe und der heimischen Milcherzeugung gut. Unter ihnen dominiert Zufriedenheit mit der eigenen wirtschaftlichen Situation (75 %). Nur ein Viertel der Befragten ist weniger (22 %) oder gar nicht (3 %) zufrieden.


Die vorherrschende Zukunftsorientierung drückt sich auch im Investitionsverhalten der Milcherzeuger aus: Mehr als drei Viertel von ihnen haben in den letzten fünf Jahren betriebliche Investitionen getätigt. Deutlich wird hier eine Abhängigkeit von der Herdengröße: Von den Betrieben mit weniger als 37 Kühen investierten 47 %, bei Milcherzeugern mit mehr als 81 Kühen waren es über 90 %.


Für die Stabilität und Liquiditätssicherung des Betriebes ist ein gutes Risikomanagement wichtig. Hier gibt es Verbesserungsbedarf: Nur 67 % der Betriebe führen Liquiditätsplanungen durch. Und lediglich etwas mehr als ein Viertel der Betriebe gaben an, Familie und Betrieb bei längerer Krankheit, Berufsunfähigkeit oder im Todesfall vollständig abgesichert zu haben.


Die hohe Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation spiegelt sich in den Zukunftseinschätzungen der Betriebsleiter wider. Die Hälfte der Milch-erzeuger geht davon aus, auf jeden Fall in zehn Jahren noch Milch zu erzeugen, weitere 28 % sehen zumindest eine Möglichkeit dazu (Übersicht 4).


Wie zu erwarten, sind Betriebe, die wirtschaftlich eher weniger zufrieden sind, auch weniger zuversichtlich, dass in ihren Betrieben in zehn Jahren noch Milch produziert wird. Von den wirtschaftlich eher unzufriedenen Betriebsleitern gehen lediglich 57 % davon aus, auch in zehn Jahren noch zu melken. Bei den Betriebsleitern, die mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden oder sehr zufrieden sind, sind es 85 %.


Impulse für die Branche:

Das niedersächsische Projekt setzt bundesweit Impulse für die Diskussion zur Nachhaltigkeit in der Milchwirtschaft. Der weiterentwickelte Fragebogen ist derzeit in Schleswig-Holstein im Einsatz. Die Ergebnisse werden das Bild zum Status quo ausgewählter Nachhaltigkeitsaspekte in der Milchproduktion verfeinern.

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