Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

Aus dem Heft

Ferkelerzeuger: „Die Luft wird knapp“

Lesezeit: 5 Minuten

Die letzte Ferkelpreis-Misere ist kein Jahr her, da schreiben Sauenhalter schon wieder tiefrote Zahlen. Es bleibt kaum Zeit zum Luft holen. top agrar hat Vera Westphal von der LEL* in Baden-Württemberg nach der Lage in einem Ferkelüberschussgebiet gefragt.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Wie geht es süddeutschen Schweinehaltern aktuell?


Westphal: Die Lage ist äußerst angespannt. Alle warten auf steigende Schweinepreise und müssen gleichzeitig mit ansehen, wie Mischfutter immer teurer wird. Eine Vollkostendeckung ist derzeit nicht möglich und der Druck, der auf (süddeutschen) Schweinehaltern lastet, wächst. Die Entspannungsphase zu Jahresbeginn mit zeitweise sehr guten Ferkelerlösen war einfach zu kurz.


Wie viel verliert der Sauenhalter aktuell pro Ferkel?


Westphal: Ein baden-württembergischer Ferkelerzeuger braucht zur Vollkostendeckung derzeit eine Notierung von 59 € pro 25-kg-Ferkel. Aktuell fehlen ihm also über 17 € pro Tier. Selbst im abgeschriebenen und abbezahlten Stall muss er noch drei bis vier Euro pro Tier drauflegen.


Was sind die Gründe für die aktuelle Misere?


Westphal: Das größte Problem sind die hohen Futterkosten. Sie belasten alle Schweinehalter. Da auch bei den Mästern die Rechnung nicht aufgeht, stallen sie nur zögerlich wieder auf und setzen die Ferkelpreise so zusätzlich unter Druck. Am schlimmsten ist, dass beim Futter keine Entspannung in Sicht ist. Die US-Ernteprognosen für Soja und Mais werden wegen der anhaltenden Dürre fast täglich nach unten korrigiert. Soja ist heute 80 % teurer als vor einem Jahr. Für Gerste und Weizen legen Erzeuger 15 bis 25 % mehr an.


Was tun die Betriebe gegen die steigenden Futterkosten?


Westphal: Statt weiterhin teures Soja für den Einsatz in Futterrationen zuzukaufen, werden inzwischen immer mehr Aminosäuremischungen auf dem Markt angeboten und als kostengünstigere Alternative zur Bedarfsdeckung empfohlen. Auch der Anbau von Eiweißpflanzen wie Ackerbohnen oder Erbsen wird wieder stärker diskutiert. Bei der Flächenknappheit der meisten Veredlungsbetriebe ist dies jedoch nur für wenige eine wirkliche Alternative.


Der Schweinepreis ist zuletzt kräftig gestiegen. Bringt das Entlastung?


Westphal: Die Preiserhöhung Ende Juli war überfällig. Die 1,70 €/kg SG reichen für Mäster im abgeschriebenen Stall zwar gerade aus. Im Neubau sind beim aktuell niedrigen Ferkelpreis 1,79 €/kg SG notwendig. Setzt man eine kostendeckende Ferkelnotierung von 59 €/Ferkel voraus, bräuchte der Mäster sogar fast 2 €/kg SG. Ein weiterer Anstieg ist daher dringend nötig. Außerdem reicht es nicht, für ein paar Wochen einen hohen Preis zu erzielen. Für eine nachhaltige Produktion muss die Notierung auch langfristig auf ein höheres Niveau.


Wie reagieren die Betriebe auf die Misere?


Westphal: Einige Mäster stallen weniger Ferkel ein. Wir wissen von einzelnen Betrieben, die den Stall sogar leer stehen lassen und stattdessen ihr Getreide verkaufen. Für Futterweizen und -gerste bekommen sie derzeit Top-Preise. Die Ferkelerzeuger schauen mal wieder in die Röhre, denn für sie gibt es kaum eine Alternative. Betriebe, die bis 2013 nicht mehr auf Gruppenhaltung umstellen und die Produktion auslaufen lassen wollen, werden die Ferkelerzeugung nun womöglich noch früher einstellen.


Wenn die Schweinehaltung nicht lohnt, müsste der Markt doch reagieren?


Westphal: Der Markt reagiert. Aber bislang werden die bundesweiten Bestandsabstockungen bei den Zuchtsauen größtenteils durch die steigenden Reproduktionsleistungen kompensiert. Hinzu kommt, dass Dänen und Niederländer immer mehr Ferkel nach Deutschland liefern. Im Vergleich zum Vorjahr legten die Zufuhren aus Dänemark um über 15 % zu. Auch die Lieferungen aus den Niederlanden stiegen und zwar um knapp 6 %. Trotz weniger deutscher Ferkel steigen die Preise deshalb nicht an.


Mit welcher Entwicklung rechnen Sie in den nächsten Jahren?


Westphal: Im süddeutschen Raum werden etliche Betriebe durch die verschärften Haltungsbedingungen bis zum Jahresende aussteigen. Durch Neubauten oder Betriebsvergrößerungen sowie die verbesserten Leistungen kann das nur zum Teil aufgefangen werden. Geht das so weiter, dürfte sich Baden-Württemberg innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre zum Ferkelzuschussgebiet entwickeln. Bisher führen wir noch immer mehr als 700 000 Ferkel pro Jahr aus.


Was raten Sie den Betrieben in der aktuellen Lage?


Westphal: Die Möglichkeiten sind begrenzt. Für Betriebe, die die Aufgabe der Schweinehaltung ohnehin in den nächsten ein bis zwei Jahren geplant haben, gilt: Sie sollten kalkulieren, welche Lösung sich für ihren Betrieb empfiehlt, um ggf. Vermögensverluste zu vermeiden. Dabei darf es keine Tabus geben. Ein frühzeitiger Ausstieg aus dem Produktionszweig kann manchmal sogar die beste Lösung sein. Für viele Betriebe heißt es durchhalten. Denn ein gut aufgestellter Betrieb wird auch künftig Gewinne erzielen. Aber auch diese Betriebe dürfen in ihren Anstrengungen bei der Suche nach Potenzialen, die genutzt werden können, sei es beim Leistungsniveau, den Vermarktungsmöglichkeiten oder anderen Faktoren, nicht nachlassen.


Welche Lehren sollten Betriebe ziehen?


Westphal: Zukunftsorientierte Betriebe müssen mit steigenden Risiken umgehen können – ob sie wollen oder nicht. Die Preisabsicherung, sowohl im Verkauf als auch bei der Beschaffung von Betriebsmitteln, insbesondere Futter, ist heute aus einem erfolgreichen Risikomanagement nicht mehr wegzudenken. Ob dies über langfristige physische Kontrakte oder an der Warenterminbörse geschieht, muss jeder selbst entscheiden. Die Alternative ist, dass man in schlechten Zeiten auf Liquiditätsreserven zurückgreift. Doch wer hat diese? Gerade Ferkelerzeuger hatten in den letzten Jahren kaum Erholungsphasen. Außerdem sind in wachsenden Betrieben Reserven schnell aufgebraucht.


Wann wird sich die Situation für die Betriebe verbessern?


Westphal: Schon jetzt gehen die Schlachtzahlen bundesweit merklich zurück. Sollte das Ferkel- und damit auch das Schlachtschweineangebot weiter zurückgehen, dürfte die Nachfrage das Angebot schon bald deutlich übersteigen. Dann können die steigenden Kosten in der Schweineproduktion auch an den Verbraucher weitergegeben werden. Dass höhere Preise möglicherweise auf Kosten des Exports gehen, muss in Kauf genommen werden. Allen Marktteilnehmern muss klar sein, dass mit den aktuellen Preisen weltweit nicht auf Dauer Schweinefleisch produziert werden kann. Gerade deutsche Verbraucher erwarten Fleisch aus heimischer Produktion mit hohen Qualitätsstandards. Das hat seinen Preis!

Die Redaktion empfiehlt

top + In wenigen Minuten wissen, was wirklich zählt

Zugang zu allen digitalen Inhalten, aktuelle Nachrichten, Preis- und Marktdaten - auch direkt per Mail

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.