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Gänseblümchen in Reinkultur

Lesezeit: 6 Minuten

Zwei Landwirte aus Hohenlohe setzen erfolgreich auf die Erzeugung und Vermarktung von regionalem Wildpflanzen-Saatgut. Der Anbau bietet für 40 weitere Landwirte ein interessantes Nebeneinkommen.


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Ist noch Bellis perennis da?“. Ernst Rieger (50) könnte seine Mitarbeiterin auch nach „Gänseblümchen“ fragen. Doch im internationalen Saatgutgeschäft werden Samen lateinisch angesprochen. Und in diesem mischt der Landwirt aus dem Hohenloher Land bei Blaufelden kräftig mit.


Schon vor rund 25 Jahren hat Rieger auf rund 1 ha mit der Vermehrung von Wildpflanzen angefangen. Inzwischen baut er auf 30 ha Wildblumen und -gräser an. In Spitzenzeiten arbeiten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb 12 Personen. Eine ebenso rasante Entwicklung hat der Betrieb von Rainer Hofmann (49) hinter sich. Der Milchviehhalter vermehrt Wildgräser auf 25 ha und beschäftigt drei Saisonarbeitskräfte. Um ihr Saatgut selbst vermarkten zu können, gründeten beide Landwirte 1994 die Rieger-Hofmann GmbH. Kurz danach übernahmen sie auch für andere Landwirte die Aufbereitung und Vermarktung. Mittlerweile sind bundesweit 40 landwirtschaftliche Partnerbetriebe mit durchschnittlich 2 ha Anbaufläche angeschlossen.


500 Blumen- und Grasarten sorgen für viel Handarbeit


Insgesamt hat die Rieger-Hofmann GmbH 500 verschiedene Arten Wildblumen und -gräser im Programm. Doch nicht jedes Jahr müssen alle Kulturen angebaut werden. „Wir können einen Teil der Samen im Kühlhaus bis zu 5 Jahre lagern“, erklärt Ernst Rieger. Ihren Vertragspartnern geben Ernst Rieger und Rainer Hofmann daher jedes Jahr neu vor, welche Kulturen sie anbauen müssen.


Dabei sind die Anforderungen und Anbauverfahren je nach Kultur äußerst unterschiedlich. Am aufwändigsten ist der Start der Vermehrung einer neuen Kultur. Denn dazu müssen zunächst die Samen in der freien Natur gesammelt und anschließend vermehrt werden. Dafür werden die Pflanzen meist einzeln angesät und aufgezogen. Erst wenn genügend Stamm-Saatgut zusammengekommen ist, können die Landwirte die Wildpflanzen im größeren Stil vermehren.


Dabei ist der Anbau von Wildgräsern weniger aufwändig als die Wildblumenvermehrung. Die Gräser können großflächig wie eine Getreidekultur angebaut werden. Meist wird das Muttersaatgut mit einer herkömmlichen Sämaschine als Untersaat z. B. in Sommergerste eingesät. In den beiden Folgejahren werden die Samen der Wildgräser dann geerntet.


Zur Unkrautbekämpfung ist ein ein- bis zweimaliger Herbizideinsatz üblich. Außerdem bringen die Anbauer jährlich 60 kg Stickstoff in Form von Gülle oder Mineraldünger aus. Und auch die Ernte vieler Gräser erfolgt mit einem herkömmlichen Mähdrescher, bei dem allerdings der Wind besonders stark reduziert sein muss. Einige Wildgräserarten müssen vor dem Drusch zunächst geschnitten und getrocknet werden. Letzteres erfolgt in speziellen Trockenkisten oder in umgebauten Anhängern, in die durch einen Siebboden Luft eingeblasen wird.


Deutlich aufwändiger ist die Vermehrung von Wildblumen. Die Mutterpflanzen werden drei- oder fünfreihig gesät bzw. als Setzling gepflanzt. Viel Arbeitszeit verschlingt die Unkrautbekämpfung. Obwohl auch bei Wildblumen Herbizide und die mechanische Hacke eingesetzt werden können, kommt teils mehrfach die Handhacke zum Einsatz. Der Düngebedarf ist sehr unterschiedlich und liegt je nach Kultur bei 0 bis 150 kg Stickstoff je Hektar.


Zur Ernte werden die Wildblumen zunächst gemäht und anschließend auf Folien zum Trocknen ausgelegt. Die Samen anderer Wildblumen können nur durch Abschneiden der Samenstände oder durch Absaugen der Samen gewonnen werden.


Das Erntegut schicken die Vertragslandwirte an die GmbH, die zentral die Aufbereitung und Vermarktung übernimmt. Dazu haben Rieger und Hofmann rund 200 000 € in die Reinigungstechnik investiert. Hierzu gehören Siebmaschinen, Tisch- und Bandausleser, Steigsichter, Trieure sowie jede Menge Handsiebe. Ernst Rieger ist dabei auf die Aufbereitung von Wildblumen spezialisiert. Hofmann übernimmt die Wildgräser.


Professionelle Aufbereitung und Vermarktung


Für die Vermarktung der Wildsamen arbeiten bei der Rieger-Hofmann GmbH mittlerweile 12 Personen in Voll- oder Teilzeit. Mit insgesamt 47 Standardmischungen reicht der Einsatzbereich von der Ufermischung bis zur Dachbegrünung. Für besondere Anforderungen werden außerdem Sondermischungen erstellt. Und auch an prominenter Stelle grünen mitt-lerweile Wildpflanzen der GmbH. So wächst das Saatgut auf dem Parkdeck der Münchner Allianz Arena und auf dem Platz der Republik in Berlin.


Zuletzt steigerten Rieger und Hofmann den Wildsaatgut-Absatz jährlich um bis zu 20%. Denn was die Landwirte anbieten, ist deutschlandweit eine Rarität: „Unser Wildsaatgut stammt von Pflanzen, die genau in der Region gewachsen sind, in der die Saatmischungen später auch zum Einsatz kommen. Mit unserer Zertifizierung können wir das zweifelsfrei nachweisen“, erklärt Ernst Rieger. Deutschlandweit unterscheide man zwischen acht verschiedenen Anbauregionen. So können heimische Arten in der Region verbreitet werden. Diese sind besser an den Standort, das Klima und den Boden angepasst, als Pflanzen aus anderen Regionen.


Deckungsbeitrag bis8 000 €??/ha


Lohnt sich der Aufwand auch für die Landwirte und Partnerbetriebe? Angesichts teils hoher Kilopreise für das verkaufsfertige Saatgut könnte mancher Landwirt an den schnellen Euro glauben. Doch dem widerspricht Ernst Rieger: „Der Ertrag der Kulturen schwankt um bis zu eintausend Prozent. Und bei etwa 20 % der Kulturen ernten wir regelmäßig nichts.“ Daher säen die Anbauer daher meist mehrere Kulturen parallel aus.


Der Erlös je kg Saatgut orientiert sich an der Höhe des Ertrages und daran, wie aufwändig der Anbau ist. Ein Beispiel: Während 100 m2 Gänseblümchen 0,5 kg Saatgut ergeben, sind es bei dem Wildgras Rotschwingel 5,5 kg. Entsprechend unterscheiden sich die Preise: Das Kilo Gänseblümchen erlöst 500 €, ein Kilogramm Rotschwingel dagegen nur 3,60 € (netto).


Unter dem Strich lohnt sich der Anbau. Der Deckungsbeitrag je Hektar liegt bei Wildgräsern zwischen 1 500 und 3 000 € und bei Wildblumen zwischen 2 000 und 8 000 €. Was viele Anbauer häufig jedoch unterschätzen, ist der Zeitbedarf. Ernst Rieger: „Man muss den Blumen guten Morgen und guten Abend sagen.“ Denn je nach Kultur müssen Anbauer in der Saison von April bis Oktober mit einem durchschnittlichen Zeitbedarf je Hektar von 500 Stunden bei Wildblumen und 50 Stunden bei Gräsern rechnen.


Der Erlös der Vertrags-Anbauer richtet sich nach dem Preis, der im Produkt-katalog ausgewiesen ist. Von diesem erhalten die Anbauer 40 %. Allerdings kann die Rieger-Hofmann GmbH den Katalogpreis derzeit nicht immer erzielen, da Großkunden Rabatte von bis zu 35 % eingeräumt werden. Aus der verbleibenden Spanne müssen aber die Leistungen der GmbH entlohnt werden. Das sind u. a. Beratung, Transport, Reinigung, Aufbereitung und Vertrieb des Saatguts sowie die Bereitstellung des Muttersaatguts.


Wir halten fest


Mit der Vermehrung von regionalen Wildgräsern und Wildblumen haben 40 Landwirte eine interessante und lukrative Nische besetzt. Für den Anbau spricht der geringe Kapitalbedarf und das dadurch geringe Risiko. Doch der Anbau fordert den Erzeugern einiges ab. Nötig sind neben einem Händchen für die Pflanzen vor allem genügend Arbeitskapazitäten, da vor allem die rechtzeitige Ernte der Wildpflanzen keinen Aufschub zulässt. Die Vermehrung von Wildgräsern und -blumen dürfte daher nur für einige wenige Spezialisten interessant sein.


Matthias Häfner

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