Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

Aus dem Heft

Goldene Zeiten für Schweinehalter?

Lesezeit: 7 Minuten

Am Schweinemarkt herrscht Aufbruchstimmung. Hohe Ferkel- und Schweinepreise versprechen 2012 endlich wieder Gewinne. „Vorsicht“, sagt ISN-Marktexperte Matthias Quaing und tritt auf die Euphorie-Bremse.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Es ist kein halbes Jahr her, da lag der Ferkelmarkt am Boden. Im Oktober markierten die Notierungen mit 35 € pro Ferkel den Tiefststand. Seitdem marschieren die Preise aufwärts und kratzen heute an der 60 €-Marke. Ein Niveau, das wir zuletzt vor 10 Jahren hatten. Auch Schlachterlöse von 1,60 € je kg SG Anfang März gab es lange nicht, und sie sollen weiter steigen. Entsprechend zuversichtlich schauen Schweinehalter auf das laufende Jahr. Ist dieser Optimismus gerechtfertigt?


Jedes 10. Schwein fehlt.

Der Trend der stetig zunehmenden Schlachtzahlen in Deutschland ist gebrochen. Seit dem Herbst 2011 stagnieren die angelieferten Stückzahlen. Derzeit hinken die Wochenschlachtungen sogar rund 10 % hinter den Vorjahreswerten hinterher. Sollte dieser Trend anhalten, werden die hiesigen Unternehmen 2012 erstmals seit 2000 weniger Schweine schlachten als im Jahr zuvor (s. Übers. 1). Auch deshalb stiegen die Schweinepreise bereits im Januar auf 1,60 € pro kg SG. Ein Ni-veau, das zu dieser Jahreszeit zuletzt vor 11 Jahren im Zuge der BSE-Krise erreicht wurde. Die entscheidende Ursache für das rückläufige Angebot an Schlachtschweinen sind die desaströsen Ferkelpreise der vergangenen beiden Jahre. Die Notierung (Nordwest) lag 2010 und 2011 im Schnitt bei gerade einmal 40 € je 25-kg-Ferkel. Damit kamen nur die wenigsten Ferkelerzeuger klar.


Neben der unzureichenden Wirtschaftlichkeit war es die Aussicht auf immer höhere Anforderungen an die Haltung der Tiere, die auch europaweit zahlreiche Ferkelerzeuger aus der Produktion gedrängt hat. Vor allem in den osteuropäischen Ländern brechen die Sauenbestände regelrecht weg. In Polen wurden beispielsweise binnen eines Jahres über 15 % weniger Zuchtsauen gezählt. In Tschechien war es sogar fast jede fünfte Sau, die verschwand. EU-weit sieht es zwar nicht ganz so dramatisch aus, doch in 13 EU-Staaten, die mehr als 80 % der EU-Schweine halten, ging die Zahl der Zuchtsauen um 3,3 % zurück. Durch steigende Produktivität lässt sich das nicht mehr auffangen, so dass mit sinkenden Ferkelzahlen zu rechnen ist. In der Folge wird auch das Schlachtaufkommen spürbar zurückgehen. Die EU-Kommission erwartet im Vergleich zum Vorjahr rund 1 Prozent weniger Schlachtungen für 2012.


Zugpferd Drittlandexport:

Während das Angebot stagniert, werden die Absatzmöglichkeiten immer besser. Zwar schwächelt die Nachfrage der deutschen Verbraucher nach Schweinefleisch seit einigen Jahren. Doch darauf haben die Unternehmen längst reagiert und ihre Exportanteile zum Teil auf über 50 % hochgeschraubt. Allerdings lassen sich die Ausfuhren in andere EU-Länder seit einigen Jahren kaum noch steigern. Das neue Zugpferd sind deshalb die Drittlandsmärkte (s. Übers. 2). Für deutsche Unternehmen haben Russland sowie die asiatischen Märkte Hongkong, China und Südkorea die größte Bedeutung. Insbesondere in Asien kann aufgrund von Tierkrankheiten, z.B. MKS in Südkorea und der schlechten Wirtschaftlichkeit in den verbreitet kleinbäuerlichen Strukturen die steigende Nachfrage aus heimischer Produktion immer weniger bedient werden.


Bleibt EU ein Global Player?

Für EU-Exporteure war das 2011 Dank des schwachen Euros ein lukratives Geschäft. Sie verkauften erstmals mehr als 3 Mio. t Schweinefleisch auf dem Weltmarkt. Das ist ein neuer Rekord und liegt rund 20 % über dem Vorjahr.


Die Kombination aus rückläufigem Angebot und boomenden Ausfuhren auf Drittlandsmärkte treibt die Preise auch jetzt noch an. Ähnlich wie bei uns bewegen sich die Preise dort aktuell auf Rekordniveau. Fast alle Vertreter der Schlachtunternehmen setzen deshalb auch für 2012 ihre Hoffnungen auf den Drittlandexport. Allerdings rechnen sie nicht mehr mit so hohen Wachstumsraten wie 2011.


Ob sich die hohen Preise für Ferkel und Mastschweine auch langfristig halten werden, entscheiden deshalb zum großen Teil die weiteren Entwicklungen am Weltmarkt.


Sollte die globale Erzeugung wegen der gestiegenen Preise deutlich ausgeweitet werden oder der Euro wieder stärker werden, so dürften es europäische Exporteure auf dem Weltmarkt wieder schwerer haben. Zumal andere Länder wie z.B. Brasilien oder die USA eindeutige Kostenvorteile haben. Hier sind sich die Experten allerdings nicht einig:


Albert Vernooij, der für die niederländische Rabobank den Schweinemarkt weltweit analysiert, ist zum Beispiel skeptisch. Ende Februar prognostizierte er einen Rückgang des Selbstversorgungsgrades in Europa von derzeit knapp 110 % auf 103 % bis zum Jahr 2020.


Damit steht er nicht allein. Denn auch in Übersee wird langfristig mit einer deutlich rückläufigen Schweineproduktion in Europa aufgrund der steigenden Auflagen, z.B. zur Gruppenhaltung von Sauen, gerechnet. So geht die U.S. Meat Export Federation (USMEF) in ihrer Studie fest davon aus, dass die Bestände in Europa abgebaut werden und sich dadurch große Exportpotenziale für nordamerikanisches Schweinefleisch in der „alten Welt“ ergeben. Einige amerikanische Unternehmen sollen sogar schon an einer Zulassung für den EU-Markt arbeiten.


Deutlich optimistischer wird die Entwicklung hingegen im Hause Tönnies ­gesehen. Geschäftsführer Josef Tillmann zeigte sich Ende Februar überzeugt, dass auch künftig ein Wachstum in der Schweineproduktion in Europa möglich ist. Dieses Wachstum werde aber eher in den Flächenländern, wie z.B. in Ostdeutschland aber auch in Polen oder Ungarn stattfinden.


Dieser Meinung sind offenbar viele Schlachter. Einer Umfrage der Landwirtschaftskammer Niedersachsen zufolge wollen die befragten Unternehmen mittelfristig ihre Schlachtkapazitäten um durchschnittlich gut 20 % ausweiten.


Verkäufermarkt in Deutschland:

Ob der „Rohstoff“ für diese ehrgeizigen Pläne in absehbarer Zeit wirklich verfügbar ist, ist allerdings fraglich. Auf Wachstum stehen die Vorzeichen bei den Erzeugern jedenfalls nicht:


  • Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Schweinehaltung ein Geschäft mit engen Margen ist und wohl auch bleibt. Die gestiegenen Ferkelpreise bei gleichzeitig hohen Futterkosten lassen in der Mast derzeit nur noch durchschnittliche Gewinne erwarten.
  • Den Ferkelerzeugern ermöglichen die aktuellen Preise zwar endlich, die Löcher der vergangenen Jahre etwas zu stopfen. Für neue Investitionen ist auf vielen Betrieben bisher jedoch kein Spielraum vorhanden. Ohnehin müssen viele von ­ihnen zunächst die Bestimmungen zur Gruppenhaltung tragender Sauen ab 2013 umsetzen. An eine Aufstockung denken deshalb die Wenigsten. Im Jahresverlauf ist deshalb damit zu rechnen, dass der Sauenbestand in Deutschland und ganz Europa weiter zurückgeht.


Selbst wenn das Schlachtschweineangebot auf dem derzeitigen Niveau verbleibt bzw. nur leicht zurückgeht, klafft zwischen den Schlachtkapazitäten auf der einen und dem verfügbaren Angebot an Schweinen auf der anderen Sei-te eine wachsende Lücke (s. Übers. 1, Seite 183). Es ist unwahrscheinlich, dass zusätzliche Lebendimporte diese Lücke schließen können. Zumal dänische und holländische Schlachter ihr Preisniveau mittlerweile dem deutschen angeglichen haben und der Lebendexport längst nicht mehr so interessant ist.


Es spricht somit einiges dafür, dass sich der Kampf um deutsche Schlachtschweine in nächster Zeit noch verschärft. Das ist gut für die Erzeuger, die wohl endlich wieder etwas mehr Oberwasser in den Preisverhandlungen bekommen. Einen leichten Vorgeschmack darauf bekamen die Schlachter in den vergangenen Wochen, in denen sie ihre Hauspreise nicht wirklich durchsetzen konnten.


Trotzdem wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Schweinehaltern stehen mittelfristig neue Probleme ins Haus. So befürchten Ferkelerzeuger und Mäster weiter steigende Auflagen bzw. zusätzliche Kosten. Die Diskussionen rund um das Tierwohl, z.B. hinsichtlich Platzvorgaben oder das Verbot des Kastrierens und Schwänzekupierens, könnten die Anforderungen an die Haltung verschärfen. In den Veredelungsregionen werden wohl auch die Kosten für die Nährstoffverwertung oder die Abluftreinigung weiter zunehmen.


Das schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der EU-Schweineproduzenten. Der mit Abstand wichtigste Markt wird deshalb auch zu-künftig der europäische Binnenmarkt bleiben. Auf diese Bedürfnisse muss die heimische Schweineproduktion ausgerichtet sein.

Die Redaktion empfiehlt

top + In wenigen Minuten wissen, was wirklich zählt

Zugang zu allen digitalen Inhalten, aktuellen Nachrichten, Preis- und Marktdaten | 1 Jahr für 1̶2̶9̶,̶6̶0̶ ̶€̶ 99 €

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.