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Käse- und Schinkenschummel schadet auch den Bauern!

Lesezeit: 6 Minuten

Mit künstlichem Käse und Schummel-Schinken täuschen Hersteller und Gastronomie nicht nur die Verbraucher. Auch Milcherzeugern und Schweine­haltern erweisen sie damit einen Bärendienst.


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Wir geben uns trotz mieser Erzeugerpreise die größte Mühe, einwandfreie Lebensmittel zu produzieren – und dann das“, ärgert sich ein Milcherzeuger aus dem Münsterland: Nicht nur Verbraucher haben angesichts des Skandals um nicht gekennzeichneten „Analog-Käse“ und „Schummel-Schinken“ Wut im Bauch.


Auch viele Milcherzeuger und Schwei­ne­halter ärgern sich derzeit über Lebens­mittelhersteller und Gastronomen: Obwohl z. B. Milch im Einkauf so billig ist wie selten, scheinen viele Hersteller, Pizza- und Brötchenbäcker immer noch mehr sparen zu wollen und setzen künstlich hergestellten „Käse“ und „Schinken“ ein. An weiteren „nachgebauten“ Lebensmitteln ohne ursprüngliche Roh­stoffe wird gearbeitet. Die berechtigte Kritik von Kunden und Verbraucherschützern fällt dabei, wie so oft, bis auf die Landwirte zurück.


Erlaubte Imitate


Entsprechend laut sind die Forderungen von Agrar-Verbänden, dem Treiben schnell ein Ende zu setzen und nur noch „echte“ Lebensmittel einzusetzen. Doch löst ein Verbot die Probleme? Oder bieten die neuartigen Lebensmittel auch Chancen? Und was regt die Verbraucher eigentlich genau auf?


Denn nüchtern betrachtet ist der Ärger um den Analog-Käse und den Schummel-Schinken überhaupt nicht mit früheren Aufregern zu vergleichen: Die Lebensmittel sind erlaubt und nicht durch gefährliche Zutaten verunreinigt. Der Verzehr von künstlich hergestelltem Käse oder Schinken ist nicht gesundheitsschädlich. Das wird deutlich, wenn man sich die Zutaten für die Imitate genauer ansieht:


„Analog-Käse“ besteht größtenteils aus Pflanzenfetten, Verdickungsmitteln und Aromen – und zu einem geringen Teil aus Milcheiweiß.


„Mogelschinken“ hat meist nur 40 bis 60 % Fleischanteil. Der Rest sind Wasser und Gelatine, die dafür sorgen, dass die Mischung schnittfest wird.


Einige Befürworter werben sogar schon mit dem Schlagwort „Gesundheit“. Der künstliche Käse werde mit „gesünderem“ Pflanzenfett hergestellt, zudem brenne das Imitat nicht so leicht an wie echter Käse. Der gestreckte Schinken verringere zudem den Fleischverzehr, so ein weiteres zynisches Argument. Künstlich hergestellte Aromen und der massive Verstoß gegen Verbraucherschutzgesetze werden von dieser Seite dagegen meist verschwiegen.


Verbraucher getäuscht


Der eigentliche „Skandal“ ist denn auch nicht der Imitatkäse oder -schinken selbst, sondern die Art und Weise, wie Industrie und Gastronomie diese Produkte den Verbrauchern unterjubeln wollen:


Zumindest für die Angaben auf den Packungen bieten die Gesetze offenbar immer noch so viele Lücken, dass die Verbrauchertäuschung recht einfach ist. Die Hersteller verwirren die Kunden mit langen Zutatenlisten, die kaum ein Kunde komplett lesen will. Zumal kaum ein Verbraucher weiß, was wirklich in echten Käse oder Schinken darf und was eventuell auf das Kunstprodukt hinweist.


Auf die Angabe von Prozentanteilen verzichten die Hersteller meist sogar ganz, so dass beim Schinken nicht klar wird, ob er größtenteils aus Fleisch oder aus Wasser und Gelatine besteht. Selbst wenn alle Zutaten einzeln in der Liste stehen, sagen „Schweinefleisch, Wasser und Gelatine“ nichts über den tatsächlichen Fleischanteil in dem Schinken aus.


Nicht zuletzt sollen Produktnamen wie „Pizzakäse-Mix“ und Fotos von echtem Käse oder Schinken auf der Packung über den Schummel hinwegtäuschen – ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht!


Bei Kontrollen in hessischen Gastronomiebetrieben wurden in über der Hälfte der Fälle Kunstprodukte gefunden. Zwar ist die Verwendung z. B. für Pizzabelag und für überbackene Käsebrötchen nicht verboten. Aber ihr Einsatz muss den Kunden mitgeteilt werden. Einen solchen Hinweis fanden die Tester in über der Hälfte der betroffenen Betriebe nicht – im Gegenteil: Meist wurden auch hier „Käse“ und „Schinken“ als angebliche Zutaten ausgewiesen, was die Verwendung des Originals vorgaukelt.


Der Hauptgrund für diese Tricks sind die Kosten: Die Verwender sparen offenbar bis zu 40 % bei den Kosten ein. Dabei sind die Imitate optisch kaum von echtem Käse und Schinken zu unterscheiden. Entsprechend deutlich fällt die For­derung von Bundesverbraucherschutz­ministerin Ilse Aigner (CSU) aus: „Wo Schinken oder Käse draufsteht, muss auch Schinken oder Käse drin sein!“


Imitate drücken auf Image und Erzeugerpreise


Nicht nur Verbraucherschützer reagieren sauer auf die Ergebnisse der genannten Untersuchung. Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) fordert ein Ende der Verbraucher-Täuschung. Denn allein der geschätzte Einsatz von rund 100 000 t Käse-Imitaten jährlich ersetzt rund 1 Mio. t Milch, was knapp 4 % der deutschen Jahreserzeugung wären – Tendenz weiter steigend. Denn Kostendruck und technischer Fortschritt veranlassen die Lebensmittelindustrie zu immer neuen „Kreationen“ in ihren Labors. So gibt es nach den Rekorderzeugerpreisen für Milch in 2008 inzwischen Speiseeis ohne Milch. Weitere Erfindungen scheinen nur eine Frage der Zeit zu sein.


„Angesichts der katastrophalen Milch-Erzeugerpreise können wir nicht länger hinnehmen, dass die Lebensmittelindustrie immer neue Wege sucht, hochwertige Original-Lebensmittel durch Imitate zu ersetzen und das auf den Packungen noch nicht einmal deutlich kenntlich macht“, so Dr. Michael Lohse vom DBV.


Auch viele Schweinehalter können nicht nachvollziehen, warum der Fleisch-anteil im Kochschinken immer weiter sinken muss: „Die Mäster geben sich täglich größte Mühe, hochwertiges Fleisch nach den Wünschen der Verbraucher zu erzeugen: Zart, schmackhaft und dabei nicht zu fett und dann auch noch günstig“, argumentiert Katja Ahnfeldt von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V. (ISN). Wer den Einsatz von Schummelschinken nicht eindeutig auf der Packung ausweise, ruiniere zudem das Image von Fleisch und verunsichere die Verbraucher. „Das zerstört Vertrauen auf allen Seiten“, so Ahnfeldt.


Damit drücken die Käse- und Schinkenimitate nicht nur auf die Erzeugerpreise für die Originale. Letztlich kratzen die künstlichen Produkte auch am Image der Landwirtschaft, die genauso zur Lebensmittelkette gehört wie die Verarbeiter, Gastronomen und Verbraucher.


Wir halten fest


Milcherzeuger und Schweinehalter sind zurecht sauer: Sie erzeugen Original-Lebensmittel nach strengen Qualitätskriterien. Der Lebensmittelindustrie fällt aber nichts anderes ein, als die Ur-Produkte Käse und Schinken mittels billiger Pflanzenfette, Gelatine und Aromen zu kopieren. Pizza- und Brötchenbäcker freuen sich über die Kostensenkung, und das Ganze ist auch noch legal!


Das größte Ärgernis am Analog-Käse und Schummel-Schinken ist die oft bewusst fehlende oder gar falsche Kennzeichnung der Produkte durch die Hersteller bzw. Verwender. Bestraft oder veröffentlicht werden die Täter bislang meist nicht. Für Landwirte kaum nachvollziehbar, zumal diese selbst schon bei kleinen Verstößen z. B. um große Teile ihrer Prämien bangen müssen.


Immerhin: Nach der anhaltenden Kritik scheinen sich vor allem viele Gastronomiebetriebe gebessert zu haben. Sie verzichten entweder auf die Kunstprodukte oder weisen korrekt darauf hin. Die Kennzeichnungsregeln für die Hersteller müssen allerdings jetzt dringend so ausgelegt werden, dass eindeutig und einfach erkennbar wird, was tatsächlich in der Packung ist.


Christian Brüggemann

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