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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Nulltoleranz: Alles nur Panikmache?

Lesezeit: 5 Minuten

Wenn Brüssel an der GVO-Nulltoleranz festhält, wird das Soja in der EU knapp. Das behaupten die Marktexperten seit Jahren. Alles nur Panikmache? „Nein“, sagt Bernhard Krüsken, DVT-Geschäftführer: „Die Zusatzkosten belasten schon heute die Tierhalter erheblich.“


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top agrar: Der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) hat immer wieder vor Versorgungsengpässen beim Soja gewarnt, zuletzt vor einem Jahr. Haben sich die Befürchtungen bestätigt?


Bernhard Krüsken: Glücklicherweise nicht! Buchstäblich in letzter Minute haben die entscheidenden GV-Sorten Ende 2009 die EU-Zulassung erhalten. So gab es zumindest keine Versorgungslücke. Doch wirklich Entwarnung können wir nicht geben. Denn vor allem in Amerika gehen ständig neue Sorten in den Anbau. Wir haben eine „Hase und Igel“-Situation, in der wir ständig der Realität hinterherlaufen.


top agrar: Im Moment hat der deutsche Tierhalter also keine Nachteile?


Bernhard Krüsken: Das Problem ist die Unsicherheit und die Anfälligkeit der Märkte für Verknappungen. Die Märkte reagieren auf solche Situationen sofort mit Risikoprämien. Diese werden natürlich auf die Futterkosten umgelegt.


Schauen Sie sich doch einfach den Verlauf der Sojaschrot-Notierungen in der EU im Vergleich zum US-Markt an (siehe Übersicht). Ab Mitte 2009 haben wir uns immer weiter von den Weltmarktpreisen entfernt. Erst durch die Zulassung der GV-Sorten zum Jahresende hat sich die Lage mit etwas Verzögerung wieder entspannt. Diese Situationen kommen immer wieder. Ich denke, im Schnitt der zurückliegenden Jahre war Soja bei uns etwa 20 € pro t teurer als nötig!


top agrar: Gibt es bei anderen Futtermitteln auch Probleme?


Bernhard Krüsken: Ja. Auch Futtergetreide ist betroffen. Die aktuell gestiegenen Futtermittelpreise erinnern uns stark an das Jahr 2007/2008. Damals konnten wir mit preisgünstigen Drittlands-importen von Mais und Sorghum etwas gegensteuern. Das ist heute kaum noch möglich, weil sowohl in Brasilien als auch in den USA der GV-Anbau mit neuen Sorten weiter ausgeweitet wurde. Die Gefahr von Spurenvermischungen mit nicht EU-zugelassenen GV-Sorten ist einfach zu groß.


Ein weiteres Beispiel sind die Nebenprodukte aus der Maisverarbeitung. In den USA werden jährlich 120 Mio. t Mais zu Ethanol verarbeitet. Die dabei anfallende Trockenschlempe ist ein preisgünstiges Importfuttermittel. Wir können es aber wegen der Nulltoleranz in der EU nicht nutzen. Gleiches gilt für Maiskleber aus der Stärkeproduktion.


Kurzum, uns sind Alternativen versperrt, mit denen wir den Futterkostenanstieg abfangen könnten.


top agrar: Wie ist der aktuelle Diskussionsstand?


Bernhard Krüsken: Schon seit Ende 2008 stellt uns die EU-Kommission eine „technische Lösung“ in Aussicht. Im Detail sollen dann mengenmäßig nicht mehr messbare Spuren einer GV-Sorte toleriert werden. In der Praxis läge dieser Schwellenwert dann vo-raussichtlich ungefähr bei 0,1 %. Doch die Entscheidungen hierzu werden ständig vertagt und hinausgezögert.


Mittlerweile liegt endlich ein konkreter Entwurf für eine Regelung vor, der allerdings von den Mitgliedsstaaten akzeptiert werden muss. Es kann also noch etwas dauern, bis alle Brüsseler Hürden genommen sind.


Doch wirklich glücklich sind wir auch mit diesem Ansatz nicht. Denn er soll nur für Futtermittel gelten. Viele Rohstoffe werden aber parallel als Lebens- oder Futtermittel eingesetzt.


top agrar: Auf der Agrarministerkonferenz Anfang Oktober in Lübeck haben alle Länder bis auf NRW das BMELV gebeten, eine nationale Regelung zu finden. Was halten Sie davon?


Bernhard Krüsken: Unsere Branche bewegt sich in einem europäischen Markt. Nationale Lö-sungen sind daher immer zweite Wahl. Wir brauchen eine praktikable Lösung auf EU-Ebene. Die hätte gute Chancen, wenn sie von der Bundesregierung unterstützt werden würde.


top agrar: Was fordern Sie denn genau?


Bernhard Krüsken: Unsere Forderung ist unverändert: Wir brauchen einen Schwellenwert, der eindeutig sagt, wie viel Spurenvermischung erlaubt ist. Schauen Sie in die Schweiz. Die Bevölkerung dort steht der Gentechnik mindestens so kritisch gegenüber wie wir Deutschen. Trotzdem haben sie mit einem Schwellenwert von 0,5 % eine pragmatische Lösung gefunden.


Was uns zudem ärgert ist, dass einige so tun, als ginge sie das Thema gar nicht an. Das Nulltoleranz-Problem betrifft alle Bereiche, die auf Drittlandsimporte angewiesen sind. Dazu zählen auch die „ohne-Gentechnik-Branche“ und der Bio-Bereich. Wir in der Futtermittelbranche müssen die Koexistenz organisieren. Das geht in der Massengut-Logistik nur mit praktikablen Schwellenwerten. Die erwähnte „technische Lösung“ kann deshalb nur eine Übergangslösung sein.


top agrar: Was passiert, wenn sich EU-Kommission und Mitgliedsstaaten nicht einigen?


Bernhard Krüsken: Kurzfristig würde sich vermutlich wenig ändern. Die Rechtsunsicherheit bliebe genauso wie der Kostennachteil für die Tierhalter. Im Moment gibt es beim Soja zwar keine bedeutenden GV-Sorten, die in der EU nicht zugelassen sind. Doch im nächsten Jahr werden in den USA wohl nicht EU-zugelassene Sojabohnen geerntet. Wenn dann wie geplant Brasilien in 2 bis 3 Jahren eigene Sorten zum Anbau bringt, bekommt die Veredlung echte Probleme. Wir vergessen immer wieder, dass die Erzeugerländer nicht auf den europäischen Markt angewiesen sind. Allein China importiert derzeit mehr als 1 Mio. t Soja pro Woche.


Mittelfristig werden sich die Wettbewerbsverzerrungen verstärken. Wir werden uns nach und nach vom Weltmarkt für hochverdedelte Agrarprodukte verabschieden, da unser Kostennachteil zu groß wird. Aber auch auf unserem europäischen Markt wird die Nicht-EU-Konkurrenz Oberwasser bekommen.


top agrar: Müssen wir unabhängiger werden von Eiweißimporten?


Bernhard Krüsken: Das ist wünschenswert, aber wenig realistisch. Alternative Eiweißquellen, die diese Größenordnung abdecken können, sind nicht in Sicht. Im Gegenteil, wir haben in Europa und speziell in Deutschland doch aufgrund unserer Energiepolitik eine massive Flächenkonkurrenz zwischen Teller und Tank. Daher sehen wir auch für einen wirtschaftlich interessanten europäischen Eiweißpflanzenanbau wenig Perspektive. Wir bleiben weiterhin auf den Rohstoff Soja angewiesen.


Das Interview führte top agrar-Redakteur Andreas Beckhove.

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