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Putin schlägt zurück

Lesezeit: 7 Minuten

Wegen des Ukraine-Konflikts hat Russland den Import von EU-Agrarprodukten für ein Jahr gestoppt. Die Sanktionen werden auf die Erzeugerpreise durchschlagen – aber unterschiedlich stark, glaubt Heribert Breker von der Landwirtschaftskammer NRW.


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Damit hat kaum jemand gerechnet. Innerhalb weniger Monate eskaliert der Ukraine-Konflikt und entwickelt sich zu einer Krise mit weltweiten Auswirkungen. Es ist ein Rückfall in längst vergessen geglaubte Zeiten. Bisher wird der Streit „nur“ auf wirtschaftlicher Ebene ausgetragen: Russland reagierte auf die Sanktionen des Westens mit Gegensanktionen und stoppte Anfang August den Import von Fleisch, Fisch, Milchprodukten, Obst und Gemüse aus allen EU-Staaten, den USA sowie den Ländern Kanada, Australien und Norwegen – und dass gleich für ein ganzes Jahr.


Es steht viel auf dem Spiel: 2013 importierte Russland EU-Agrarprodukte im Wert von 11,7 Mrd. € und war somit unser zweitwichtigster Drittlandsmarkt.


Milchmarkt belastet:

Das plötzliche Embargo trifft den Milchmarkt in einer ungünstigen Phase. Zum einen bröckeln die Preise ohnehin schon. Und zum anderen steigt die Milchmenge in der EU derzeit, sodass die Molkereien eigentlich mehr exportieren müssten.


Russland gehört neben China und Japan zu den größten Importeuren von Milchprodukten. Die EU hatte sich mit rund 29 % bei Butter und 33 % bei Käse bisher ein relativ großes Stück von diesem Kuchen gesichert. Nun müssen europäische Exporteure etwa 255 000 t Käse und 30 000 t Butter sowie 20 000 t Magermilchpulver anderweitig unterbringen (siehe Übersicht 1). Das hat Folgen: Die Terminkurse für Butter und Milchpulver an der Frankfurter Börse fielen prompt. Und wie will Russland die Importausfälle ausgleichen? Mit den USA und Australien ­haben die Russen nämlich zwei weitere große, potenzielle Lieferländer auf die Verbotslis­te gesetzt. Und Südamerika dürfte den Milchdurst in Russland kaum lindern können:


  • Argentinien exportiert hauptsächlich Vollmilchpulver, das in Russland kaum gefragt ist. Außerdem haben die Gauchos wegen der eigenen Finanz- und Wirtschaftskrise schon Mühe, die Milch­erzeugung stabil zu halten.
  • Brasiliens Milchwirtschaft ist mit der Inlandsversorgung ebenfalls weitgehend ausgelastet. Der Export von Milch­produkten spielt hier kaum eine Rolle.


Als Ersatzlieferant bleibt eigentlich nur Neuseeland. Das kleine Land erzeugt zwar nur 5 % der Weltmilch­menge, ist aber trotzdem weltgrößter Exporteur von Milchprodukten. Neuseeland kann aber wohl nur in geringem Umfang und schon gar nicht kurzfristig mehr Milch erzeugen. Russland müsste sich am Weltmarkt insbesondere gegen China als Nachfrager durchsetzen, wenn es mehr neuseeländische Ware haben will. Die Chinesen würden ihrerseits stärker in der EU und den USA einkaufen, was den Preisdruck bei uns abschwächen wür­de. Zieht Putin das Embargo durch, werden sich die Warenströme am Weltmarkt also wohl verschieben.


Schweinemarkt seit Februar zu:

Für den EU-Schweinemarkt ist die russische Importsperre eigentlich nicht neu. Schon Anfang Februar haben die Russen die Grenze geschlossen, weil die afrikanische Schweinepest bei einigen Wildschweinen in Litauen und Polen festgestellt wurde. Für den Export hatte das dramatische Folgen: Russland war im letzten Jahr noch der wichtigste EU-Kunde. Rund 750 000 t Schweinefleisch wurden dort abgesetzt. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres ist der Schweinefleischexport nach Russland um über 80 % auf 52 200 t eingebrochen (s. Übersicht 2).


Das schlug auch auf die Erzeugerpreise durch. Nach einem ersten Schock haben sich diese aber wieder erholt. Abnehmende EU-Schlachtzahlen und Erfolge in anderen Drittländern stützen die Preise. So haben EU-Exporteure z. B. die Ausfuhren nach Japan im Vergleich zum Vorjahr um 43 % oder nach Südkorea um fast 90 % ausgeweitet.


Trotzdem lastet der Importstopp auf dem Markt und hat in der EU eine Preiseinbuße zwischen 10 und 15 ct/kg bewirkt. Der Preisdruck könnte sogar noch etwas zunehmen, weil das ebenfalls gesperrte Rind- und Geflügelfleisch die Konkurrenz auf dem EU-Markt ­erhöht. Schweinepreise oberhalb von 1,75 €/kg SG sind unter diesen Voraussetzungen vorerst kaum zu erwarten.


Rind und Geflügel glimpflich:

Bei Geflügel und Rind sind hingegen nur geringe Folgen zu erwarten. Russland importiert zwar jährlich über 1 Mio. t Rindfleisch. Die größten Mengen liefern aber ohnehin schon die Südamerikaner. Die EU-Rindfleischexporte nach Russland lagen 2013 gerade mal bei knapp 75 000 t SG. Die Erzeugerpreise für Schlachtrinder dürfte das in Deutschland bzw. der EU nicht allzu stark beeinträchtigen. Interessant ist aber, dass von Januar bis Mai 2014 die Russen 64 % mehr EU-Rindfleisch eingeführt haben als im Vorjahreszeitraum. Es war wohl ein Teilausgleich für fehlende Schweinefleischmengen.


Der Absatz von EU-Geflügel ist mit 95 000 t auch überschaubar. Die Lieferungen sind in den letzten Jahren schon stark zurückgegangen, weil Moskau in die eigene Erzeugung investiert hat. Auch hier dürfte die Preiswirkung durch die Sperre deshalb begrenzt sein.


Wie bei der Milch haben die Russen nur wenige Alternativen, weil die USA, Kanada und Australien ebenfalls gesperrt sind. Die Russen setzen nun vor allem auf Brasilien. Bereits einen Tag nach Bekanntgabe der Importsperre hat Moskau 87 brasilianische Fleischverarbeitungsbetriebe für den Import zugelassen.


Putin will Produktion ausbauen!

Für den Rind- und Geflügelfleischsektor könnte der Plan aufgehen, denn Brasilien gehört zu den größten Exporteuren für Rind und Geflügel. Ob es ­allerdings gelingt, die Lücke an Schweinefleisch in Russland zu schließen, ist fraglich. Bei Schwein stagniert der brasilianische Export nämlich schon seit vielen Jahren bei lediglich 650 000 t pro Jahr. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres konnten die Brasilianer etwa 15 000 t Schweinefleisch zusätzlich nach Russland liefern. Um die EU vollständig zu ersetzen, wären aber 60 000 t pro Monat nötig.


Putin hofft außerdem, dass im Windschatten der Importsperre die eige-ne Erzeugung steigt. Die Bedingungen für russische Betriebe sind eigentlich gut: Die Erzeugerpreise für Schlachtschweine sind z. B. seit Februar explodiert und gleichzeitig fallen die Futterkosten.


Doch Skepsis ist angebracht. Moskau hat schon öfter angekündigt, sich selbst zu versorgen – mit mäßigem Erfolg:


  • Beim Schweinefleisch steigt die Eigen­erzeugung zwar – allerdings nur langsam. 30 % der Waren müssen immer noch importiert werden. Außerdem bekommen die Russen die afrikanische Schweinepest nicht in den Griff.
  • Beim Rindfleisch ist der Selbstversorgungsgrad mittlerweile auf 42 % gesunken. Eine Trendwende ist nicht in Sicht, weil es nur wenige Fleischrinderherden gibt und die meist kleinen Milchviehbetriebe die Schlachttiere überwiegend selbst verwerten.
  • Bei Butter und Käse ist die Situation kaum besser. Jeweils über 40 % des Bedarfs werden eingeführt. Auch die Milch produzieren die meisten Halter für sich selbst. Es fehlen weitgehend die Verarbeitungsstrukturen.
  • Mehr oder weniger nach Plan läuft es eigentlich nur beim Geflügel. Seit der Jahrtausendwende hat sich der Importbedarf halbiert. Gut 15 % des Verbrauchs werden noch importiert.


Verbraucherpreise steigen:

Auch mittelfristig können sich die Russen deshalb wohl nicht selbst versorgen. Dass Putin überhaupt seine Muskeln spielen lässt, hat wohl auch damit zu tun, dass die russische Bevölkerung laut Umfragen bisher mehrheitlich hinter ihm steht.


Doch der Rückhalt könnte schnell schwinden, wenn die russischen Verbraucher in den kommenden Monaten häufiger vor leeren Regalen stehen oder wegen hoher Preise auf Milchprodukte und Fleisch verzichten müssen. Der Effekt verstärkt sich noch, weil der Rubel bereits kräftig an Wert verloren hat.


Fraglich ist allerdings auch, wie wasserdicht die Importsperre ist. Der Kreml teilte nun mit, man wolle die Zusammenarbeit in der Zollunion mit Kasachstan und Weißrussland ausbauen. Weil diese beiden Länder nur wenig veredelte Produkte liefern können, vermuten amerikanische Experten eine Art Hintertür, um illegal westliche Ware ins Land zu holen. Eine Strategie, die Russland auch bei früheren Konflikten schon genutzt hat. Bisher war allerdings die Ukraine oft die Hintertür.

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