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Saatgut – ist der Abwärtstrend gebrochen?

Lesezeit: 6 Minuten

Stagnierende Aufschläge und immer strengere Auflagen machen die Vermehrung zu einem schwierigen Geschäft. Profitieren nur noch die „Großen“?


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In nur acht Jahren ist ein Viertel der Getreide-Vermehrungsfläche weggebrochen. In 2010, am Tiefpunkt, wurden nur noch knapp 117 000 ha angemeldet, doch seitdem steigen die Flächen wieder. In diesem Jahr um 4 % auf rund 128 000 ha. Jahrelang war der einheimische Saatgutmarkt überversorgt. Inzwischen scheinen sich Angebot und Nachfrage allmählich anzugleichen. Den Strukturwandel hält das jedoch nicht auf, denn die Zahl der Vermehrer sinkt weiter und zwar deutlich. Ist Saatgutvermehrung nur noch ein Geschäft für die Großen, fragen sich viele?


Vermehrer in der Klemme!

Die Spannen bei der Vermehrung sind seit Jah-ren eng (s. top agrar 7/2010). Die Mehrkosten für Saatgut, Pflanzenschutz und Arbeit werden häufig nicht gedeckt. Die Vermehrer-Aufschläge für Rohware, die die Vermehrungsorganisationsfirmen (VO-Firmen) bieten, stagnieren konstant bei 2 € bis 2,50 €/dt. „Das reicht in vielen Fällen nicht aus, die zusätzlichen Kosten zu decken“, meint auch Holger Dietzsch von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Die meisten Betriebe bräuchten Aufschläge von bis zu 3 €/dt.


Neben zu geringen Aufschlägen drücken auch immer strengere Restriktio-nen bei Vermehrung und Aufbereitung. Allen voran das Qualitätssicherungssystem QSS, das der Gemeinschaftsfond Saatgetreide (GFS) eingeführt hat. Damit will der Verband aus Züchtern, Saatgut-erzeugern, VO-Firmen und Raiffeisenverbänden die Saatgutqualität verbessern. Wer das Audit nicht besteht, muss nachrüsten oder fliegt raus. Von den ca. 800 Aufbereitern in Deutschland sind auf diese Weise knapp 200 durch das Raster gefallen. Für viele war eine Neuinvesti-tion einfach nicht rentabel genug.


Zusätzlich ziehen die Züchter die Daumenschrauben an. So führte z. B. die KWS mit der Herbstaussaat 2011 ihre sog. Quality Plus-Norm ein, bei der die Anforderungen für Keimfähigkeit, technische Reinheit und Fremdbesatz deutlich erhöht wurden. Für Landwirte und Vermehrer bedeutet das vor allem eins: Deutlich höhere Kosten. Im Gegenzug bekommen sie aber nicht automatisch mehr Geld für ihr Saatgetreide. Heute dürfen gerade mal 80 Betriebe überhaupt noch KWS-Sorten vermehren.


Ob die Vermehrer mitziehen und die Landwirte am Ende die höheren Saatgutpreise in Kauf nehmen, ist längst noch nicht ausgemacht. Die Branche wird wohl unter Druck bleiben. Der Saatgutwechsel liegt mittlerweile nur noch bei unter 50 % und auch die zunehmende Konkurrenz anderer Kulturarten wie Mais und Raps verringert die Nachfrage nach Saatgetreide. Die Züchter und VO-Firmen versuchen, über steigende Qualitätsstandards den Abwärtstrend aufzuhalten. Die Kosten dafür wälzen sie weitgehend auf die Landwirte ab.


Und sie vermehren doch!

Deshalb ist es erstaunlich, dass nicht noch mehr Betriebe ausgestiegen sind. Viele sind offensichtlich passionierte Vermehrer mit Leib und Seele und es reizt sie der enge Kontakt zu Züchtern und Händlern. Bei den reinen Rohwarenvermehrern ist die Fluktuation deutlich höher. Sie steigen viel schneller ein oder aus, da für sie praktisch keine Neuinvestitionen anfallen. Aufbereitungsbetriebe, die viel Geld in eine hochwertige Technik investiert haben, sind dagegen auf Jahre festgelegt. Viele hören erst auf, wenn der Generationswechsel oder technische Nachrüstungen anstehen.


Dass der Trend immer deutlicher zur Rohwarenvermehrung geht, hat aber noch einen weiteren Grund. Rohwarenvermehrer haben in der Regel feste Verträge mit den VO-Firmen, die die Abnahme von aufbereitungsfähiger Ware gewährleisten. Diese Sicherheit haben die Aufbereiter nicht. Sie müssen mit ungleich höheren Risiken rechnen. Dafür haben sie im Gegenzug die Chance auf eine höhere Wertschöpfung.


Das gilt jedoch nur, wenn sie auch nachgefragte Sorten im Angebot haben. Leider werden die Aufbereiter von den VO-Firmen nicht selten mit unbekannten Sorten abgespeist, denn die ertragsstärksten Sorten bereiten die VO-Firmen lieber selbst auf. So können sie die lukrativen Gewinnspannen dem eigenen Konto gutschreiben.


Neue Preismodelle:

Offensichtlich bleiben trotzdem genügend Betriebe bei der Stange. Die Unzufriedenheit der Vermehrer ist nach Ansicht des Geschäftsführers des Bundesverbandes Deutscher Saatguterzeuger (BDS), Dr. Christian Schröder, heute sogar geringer, als noch vor einigen Jahren. Die VO-Firmen hätten sich zwar nicht beim Vermehrer-Aufschlag bewegt, aber immerhin beim Grundpreis.


Früher wurde der Grundpreis, auf den der Vermehrer-Aufschlag aufsetzt, meist Ende Juli durch die VO-Firma festgelegt, eine Marktphase, in der die Preise eher niedrig sind. Der BDS fordert deshalb eine Anpassung der Grundpreise an den Matif-Kurs der dritten und vierten Augustwoche, der sich in den letzten Jahren immer mehr als gefestigter Nacherntepreis herausgestellt hat und oft deutlich höher liegt.


Etliche Landwirte haben diese Berechnungsgrundlage inzwischen auch bei den VO-Firmen durchgesetzt. Aber längst nicht alle! Oft sind es nur die größeren Betriebe, die profitieren. Bei den kleineren sind die VO-Firmen dagegen weitaus weniger kompromissbereit.


Kein Wunder also, dass die Vermehrungsbetriebe immer größer werden. 2009 lag die durchschnittliche Vermehrungsfläche noch bei 36 ha. In diesem Jahr waren es schon 43 ha. Tendenz weiter steigend. Die VO-Firmen scheint die zunehmende Konzentration nicht großartig zu stören, weil sie dann mit den größeren Vermehrern umso leichter individuelle Preismodelle entwickeln können.


Einer von ihnen ist Peter-Eric Froböse, der in der Nähe von Bielefeld auf ca. 120 ha Rohwaren-Vermehrung von Wintergetreide betreibt. Weil die Konkurrenz kleiner geworden ist, hat sich seine Verhandlungsposition gegenüber den VO-Firmen verbessert „Die Preisverhandlungen sind inzwischen echte Verhandlungen!“, freut er sich. Er will mit Züchter und VO-Firma auf Augenhöhe und fair zusammenarbeiten. „Dafür müssen alle Seiten kompromissbereit sein.“


Steigen die Aufschläge?

Ob durch die Konzentration der Branche die Vermehreraufschläge steigen, ist allerdings fraglich. „Die Knappheit reicht noch nicht!“, betont Schröder. Solange am Markt genügend Saatgut vorhanden ist, wird keine VO-Firma auch nur einen Cent mehr zahlen als unbedingt nötig, um ausreichend Vermehrer bei Laune zu halten. Klar ist aber auch, wenn die VO-Firmen die Zügel zu stark anziehen, werden die Betriebe aus der Vermehrung aussteigen. Da immer mehr auf Rohware setzen, ist das ohne größere betriebliche Anpassungen möglich.


Und dann? Was passiert, wenn das Saatgut knapp wird? Deutschland wäre nach Aussagen von Corinna Wurmstein vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) abhängig von Importen. Hohe Frachtkosten würden das Saatgut verteuern und man müsste mit minderwertigerer Qualität rechnen.


Unterm Strich würde der Nachbau für Ackerbauern noch interessanter. Daran können auch Züchter und VO-Firmen nicht wirklich ein Interesse haben.


Teresa Vollmer

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