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Westfleisch schluckt Gausepohl

Lesezeit: 6 Minuten

Den Poker um Gausepohls insolvente Rindfleischsparte hat die Westfleisch für sich entschieden. Dr. Helfried Giesen, Sprecher des Vorstands, erklärt im Interview, was die Genossen mit den beiden Schlachthöfen in Dissen und Bakum vorhaben.


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Warum passt Gausepohls Rindfleischsparte gut zur Westfleisch eG?


Giesen: Westfleisch hat bei Rindfleisch in den letzten Jahren eine sehr gute Entwicklung gehabt. Wir haben das Volumen gesteigert und die Ertragsfähigkeit verbessert. Um neue Absatzwege zu erschließen und auszubauen, waren wir schon länger auf der Suche nach anderen Standorten. Interessant wurde Gausepohl für uns aber erst, als vor etwa zwei Jahren im Rahmen des Generationswechsel die Arbeitsbereiche Schwein, Rind und Wurstwaren aufgeteilt wurden. Vorher war uns die Unternehmensstruktur zu unübersichtlich. Jetzt ist die Rindfleischsparte eigenständig und konzentriert sich auf die Standorte Bakum und Dissen. Als sich dann die wirtschaftliche Situation dort zuspitzte, haben wir unsere Chance gesehen.


Dissen liegt nur rund 50 km von Ihrem Rinderschlachthof Lübbecke entfernt. Wildern Sie bei der Rindererfassung künftig im eigenen Revier?


Giesen: Das wäre ja mehr als dumm! Sicherlich haben wir auch bisher im Oldenburger Münsterland akquiriert. Doch Lübbecke orientierte sich bei der Erfassung bisher stark Richtung Osten. Mit den Standorten Dissen und Bakum rücken wir nun Richtung Norden vor.


Welche Regionen stehen dabei im Fokus?


Giesen: Wir werden unsere Erfassung vor allem auf das Emsland und Ostfriesland ausweiten und im Oldenburger Münsterland verbreitern. Künftig reicht unser Einzugsgebiet von der norddeutschen Tiefebene bis runter nach Hessen und Thüringen. Und im Osten schauen wir natürlich auch nach Sachsen-Anhalt rüber.


Wie viele Rinder können Sie in Dissen und Bakum schlachten?


Giesen: Beide Betriebe haben eine Genehmigung für 1 500 Stück Großvieh pro Woche. In den letzten drei Monaten haben wir bereits im Lohn schlachten lassen. In Bakum kamen wir auf 1 000 bis 1 500 Tiere und in Dissen immerhin auch auf 300 bis 800 Rinder in der Woche. Wie sich die Schlachtungen im Gleichgewicht mit den drei Bestandsbetrieben entwickeln, wird man sehen.


Werden Sie Schlachtungen auf einzelne Standorte konzentrieren?


Giesen: Wir erwerben keinen Standort, um ihn anschließend plattzumachen. Alle Betriebe werden weitergeführt. Offen ist allerdings, was wir auf Dauer mit Dissen machen. Zu dem großflächigen Standort gehört auch ein Kühlhaus mit 5 000 t Kapazität. Wie wir das Gelände optimal nutzen, ist noch nicht entschieden.


Wie sehen die Schlachtpläne für die gesamte Gruppe aus?


Giesen: Westfleisch hat im vergangenen Jahr knapp 400 000 Kopf Großvieh geschlachtet – inklusive 64 000 Kälber. Unser Ziel für 2015 sind 500 000 Rinder unter Einbeziehung von Bakum und Dissen.


Welche langfristigen Veränderungen ergeben sich durch die Übernahme für den Gesamtkonzern?


Giesen: Mit der Übernahme werden wir die Arbeitsteilung in der Rindfleischsparte auf den Prüfstand stellen. Derzeit schlachten wir in Hamm gute Bullen, mit denen wir den deutschen Lebensmittelhandel beliefern. In Paderborn werden traditionell eher Altkühe geschlachtet, die wir im Export oder bei der Verarbeitungsindustrie absetzen. Und Lübbecke liefert z. B. den Rohstoff für unsere Fleischwarenproduktion in Münster, Westfalenland. Die Produktion von SB-Frischfleisch und TK-Burgern ist stark gewachsen. Wenn Westfalenland wächst, muss Lübbecke mitwachsen. Wir werden deshalb im laufenden Jahr die Rinderzerlegung dort weiter ausbauen. Hier lassen sich Bakum und Dissen gut einbinden.


Lassen sich die zusätzlichen Mengen auch vermarkten?


Die zusätzlichen Stückzahlen, die wir seit November in Bakum und Dissen haben schlachten lassen, konnten wir problemlos verkaufen. Das ist für uns der Beweis, dass bei unseren Kunden noch Absatzpotenziale schlummern.


Mit dem Bakumer Standort verlassen Sie erstmals Westfalen. Ist das eine Kampfansage an die Konkurrenz?


Giesen: Wir hatten schon vorher die nordwestdeutsche Tiefebene im Blick. Der Zugriff wird nun besser. Es bleibt aber dabei, dass wir in eineinhalb Stunden von der Zentrale in Münster jeden unserer Betriebe erreichen. Diese Front­entfernung trauen wir uns zu.


Bakum soll eine Schlachtgenehmigung für Sauen haben. Wollen Sie anstatt bei Tummel demnächst in Bakum Sauen schlachten?


Giesen: Denkbar ist viel. Wir haben tatsächlich Probeschlachtungen am Sauenband in Bakum gemacht. Eine Parallelschlachtung von Sauen und Rindern macht für uns aber derzeit keinen Sinn. Wir müssten erst mehr Schlachtsauen erfassen, damit wir auf diesem Markt eine größere Rolle spielen können.


Tönnies war Gausepohl offenbar zu teuer. Was haben Sie bezahlt?


Giesen: Kein Kommentar. Es gab ein faires Bieterverfahren mit handfesten Wettbewerbergeboten. Und wir haben den Zuschlag bekommen.


Offenbar konnte Westfleisch aber mehr bieten als...


Giesen: Tönnies war bis zuletzt im Bieterwettbewerb dabei. Wir glauben, dass wir am Ende sowohl betriebswirtschaftlich als auch strategisch die besten Perspektiven aufzeigen konnten. Es ist übrigens ein starkes Signal, dass wir uns als genossenschaftlich geführtes Unternehmen in einem Bieterprozess gegen inhabergeführte Unternehmen durchsetzen konnten. Unsere Gremien haben das auch so gesehen und die Entscheidung mitgetragen. Das ist ein Indiz für die Beweglichkeit des Unternehmensverbundes Westfleisch.


Es soll für Gausepohl-Standorte Vorkaufsrechte der Firma Vion gegeben haben. Zahlen Sie Ablöse an Vion?


Giesen: Das gilt nicht für insolvente Unternehmen. Rechtlich gibt es in diesem Fall keinen Durchgriff des Vorkaufsrechts.


Es fließt kein Geld an Vion?


Giesen: Nicht durch Westfleisch!


In den Gausepohl-Betrieben soll es erheblichen Investitionsbedarf geben. Wie viel Geld müssen Sie in die Hand nehmen?


Giesen: Der Betrieb in Bakum stellt seine Funktionsfähigkeit tagtäglich unter Beweis. Hier rechnen wir nicht mit außergewöhnlichen Investitionen. In Dissen sieht das etwas anders aus. Wir prüfen derzeit den Investitionsbedarf in dem Tiefkühlhaus und schauen uns auch die Schlachtlinien genauer an. Dort steht aber auch eine relativ neue Rinderzerlegung, die erst vor wenigen Monaten installiert wurde.


Gausepohl hatte zuletzt Verbindlichkeiten von 20 Mio. €. Einige Millionen müssen Sie sicherlich investieren. Rechnet sich die Übernahme als solche oder ist das eher eine strategische Unternehmensentscheidung?


Giesen: Wir haben die Standorte fair bewertet und unterstellen für die Planung die gleiche betriebswirtschaftliche Leistung wie für unser Fleischcenter in Paderborn, das in seiner Funktion ähnlich einzuschätzen ist. Alles was wir nun investieren, ist zu 100 % betriebswirtschaftlich vernünftig. Deshalb werden die beiden neuen Standorte auch gleichwertige Fleischcenter der Westfleisch eG.


Müssen Ihre Mitglieder in den kommenden Jahren mit geringeren Bonuszahlungen rechnen?


Giesen: Sie unterstellen uns, dass unsere Pläne nicht aufgehen. Davon gehen wir nicht aus. Die Rindfleisch-sparte der Westfleisch ist eine Erfolgsgeschichte, die wir fortsetzen wollen.


Die Prüfung des Kartellamtes verlief zügig. Hatten die Wettbewerbshüter keinerlei Bedenken?


Giesen: Wir haben mit Vorlage unseres Antrags den normalen Ablauf erlebt. In einer Frist von 4 Wochen muss das Amt im normalen Verfahren entscheiden. Das ist in diesem Fall geschehen. Wir hatten das auch so erwartet, weil wir unsere künftige Marktbedeutung sauber dokumentieren konnten.


Gibt es also keine Auflagen?


Giesen: Nein. Das Interview führte Andreas Beckhove.

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