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Agrarpolitik bei der Landtagswahl Maisernte Baywa in Insolvenzgefahr

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Wie China den Welthandel bestimmt

Lesezeit: 7 Minuten

Chinas Nimbus als Selbstversorger bekommt Risse. Die Volksrepublik muss immer mehr Agrarrohstoffe importieren. Heribert Breker von der Landwirtschafts-kammer NRW zeigt, wie stark das Reich der Mitte schon jetzt Handel und Preise am Weltmarkt bestimmt.


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Noch vor zehn Jahren konnte sich China praktisch selbst versorgen. Eine steigende Eigenerzeugung traditioneller Grundnahrungsmittel, die staatlich gestützt wurde, sicherte die Unabhängigkeit. Auch heute ist die nationale Nahrungsmittelsicherheit ein wichtiges Staatsziel. Doch das angestrebte Ziel, bei der Nahrungsmittelversorgung zu mindestens 95 % autark zu sein, ist kaum noch zu halten. Die Gesellschaft ändert sich rapide:


Das chinesische Durchschnittseinkommen wächst jährlich zwischen 6 bis 10 %. Die Urbanisierung schreitet voran und bringt eine wachsende westlich orientierte Mittel- und Oberschicht hervor, die zunehmend auch Fleisch und Milchprodukte nachfragt.


Dadurch wächst der Bedarf an Agrarrohstoffen rapide. Die chinesische Land­wirtschaft steht vor unlösbaren Aufgaben. Obwohl die Produktivität in China jedes Jahr steigt, reicht sie nicht aus, denn die Ressourcen bleiben begrenzt. Jedem Chinesen stehen heute noch etwa 800 m2 an landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Verfügung. Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund 2 300 m2 pro Bundesbürger. Außerdem wird in China das Wasser knapp. Das sieht auch die chinesische Regierung ein und setzt stärker auf den Import von Nahrungsmitteln.


Durchmarsch bei Soja:

Zunächst wurden die Import-Schleusen für Sojabohnen geöffnet. So blieb zumindest die Verarbeitung im Inland. Das gewonnene Öl dient vorrangig der menschlichen Ernährung, während das Schrot in die expandierende Tierhaltung geht. Weil auch die Getreideversorgung immer enger wurde, hat man den eigenen Sojaanbau zugunsten der Maiserzeugung zurückfallen lassen. Dafür haben Chinas Lenker gezielt mit eigenen Handelsschiffen und Verarbeitungsstandorten an den chinesischen Pazifikhäfen den Import vorangetrieben.


Die Veränderungen waren gewaltig. 2003 führte China nur knapp 16 Mio. t Sojabohnen ein. Zehn Jahre später sind es schon rund 70 Mio. t (siehe Übersicht). Damit steht China für rund zwei Drittel des Welthandels mit Sojabohnen. Jedes Jahr steigt die Einfuhrmenge um 3 bis 5 Mio. t im Schnitt. Prognosen für das Jahr 2020 sehen ein Importvolumen von knapp 100 Mio. t Sojabohnen.


Schon jetzt bestimmt das Importverhalten Chinas die Sojakurse am Weltmarkt und damit auch bei uns. Aktuell hält China die Sojapreise durch die hohen Importe auf Rekordniveau und das schon seit Monaten. Da spielt es fast keine Rolle, wenn in Südamerika eine Rekordernte eingefahren wird.


Gigant bei Milchpulver.

Was aus Sicht deutscher Bauern beim Soja ein Nachteil ist, bringt uns bei der Milch Vorteile. China fragt seit einigen Jahren immer mehr Milchprodukte nach. Vor allem Pulver steht hoch im Kurs.


Noch vor zehn Jahren versuchte China den Importbedarf zu begrenzen und hat die eigene Milcherzeugung in knapp drei Jahren verdreifacht. Doch dann kam der Melamin-Skandal 2008, der das Vertrauen in die eigene Milchverarbeitung zerstörte. Die Chinesen verlangten nach ausländischer Ware und mieden einheimische Produkte.


Die Folge: Chinas Importe an Voll- und Magermilchpulver haben sich in den letzten 5 Jahren verdreifacht bzw. vervierfacht (siehe Übersicht). Auch 2014 sollen die Einfuhren weiter steigen. Marktexperten rechnen mit einem Plus von 22 % beim Vollmilch- bzw. 16 % beim Magermilchpulver. Allein das wären zusätzlich 150 000 t bzw. rund 90 % der 2014 zusätzlich am Weltmarkt gehandelten Mengen.


Wie beim Soja bestimmt China auch bei der Milch mittlerweile das Handelsgeschehen. Auf Weltebene gehen heute etwa 55 % der gesamten Vollmilchpulverimporte nach China. Beim Magermilchpulver sind es „nur“ 25 %.


Die Bemühungen um einen Wiederaufbau der eigenen Milchproduktion wirken fast hilflos. Die jährliche Steigerung der Milcherzeugung in China selbst beträgt zwar immerhin 6 %. Die Mehrmengen kommen aber oft erst gar nicht in den Ballungszentren an, sondern werden zu erheblichen Teilen auf dem Lande konsumiert. Es reicht vorne und hinten nicht. Beim Vollmilchpulver liegt der Selbstversorgungsgrad noch bei 70 %, bei Magermilchpulver sind es allerdings nur 20 %.


Vor allem die großen Ballungszentren an den Flüssen und an der Küste lassen sich ohnehin auf dem Schiffsweg häufig günstiger und zuverlässiger versorgen als aus dem chinesischen Hinterland. Eine durchgängige Kühlkette bis zum Verbraucher ist in der chinesischen Ernährungswirtschaft noch nicht selbstverständlich.


Wenn der Wohlstand weiter wächst, wird auch der Bedarf an veredelten Produkten steigen. Das Verbrauchsniveau ist mit 42 kg Milchäquivalent je Kopf immer noch recht niedrig. Zum Vergleich: Der Weltdurchschnitt wird aktuell auf 120 kg/Kopf beziffert. Es zeichnen sich bereits neue Verbrauchs-trends ab:


  • Wohlhabende Chinesen haben neuerdings die fettreduzierte H-Milch für sich entdeckt. Für 2014 schätzt das USDA die Einfuhrmenge bereits auf rund 300 000 t – das wäre ein Anstieg um 67 % im Jahresvergleich.
  • Beim Käse ist das „Import-Pflänzchen“ noch recht zart. Die Einfuhr von 45 000 t ist global gesehen nicht viel. Bei jährlichen Steigerungsraten von knapp 20 % dürfte China auch hier in wenigen Jahren vorne mitspielen.


Es ist die schiere Größe der Bevöl­kerung, die China zum Giganten werden lässt. Kleinere Veränderungen beim Pro-­Kopf-Verbrauch können den Weltmarkt in Wallung bringen. Angenommen jeder Chinese verbraucht 1 kg mehr Käse im Jahr, dann wären 1,4 Mio. t ­zusätzlich erforderlich. Australien und Neuseeland produzieren zusammen nicht einmal die Hälfte dieser Menge.


Chinas Nachfrage befeuert die Milch­preise weltweit und davon profitieren auch deutsche Betriebe.


Schweinefleisch-Einfuhren.

Auf dem Schweinemarkt ist das Bild ähnlich. China hält zwar weltweit jedes zweite Schwein, und die Produktion wächst jährlich 1,5 bis 2 % im Schnitt. Dennoch reicht die Mehrerzeugung nicht aus, den wachsenden Verzehr zu decken. Die Schweinefleisch-Einfuhren Chinas und Hongkongs zusammen lagen noch vor zehn Jahren unter 500 000 t je Jahr (siehe Übersicht). Seit 2011 liegen die Importe konstant über 1 Mio. t. Und im laufenden Jahr schätzen Experten den Einfuhrbedarf auf rund 1,2 Mio. t. Damit bekommt Japan, seit Jahrzehnten größter Schweinefleischimporteur, zunehmend Konkurrenz.


Völlig zügellose Importe sind der ­chinesischen Regierung allerdings auch nicht geheuer. Erstes Ziel bleibt deshalb immer noch der Ausbau der eigenen Erzeugung. Die Viehhaltung in China hat sich in den letzten Jahren stark ver­ändert. Die Hinterhofhaltungen von Schweinen und Geflügel ist in wenigen Jahren auf unter 30 % Anteil gefallen. Die Tierhaltung industrialisiert sich zunehmend und so macht auch die Übernahme des weltgrößten Sauenhalters Smithfield in den USA durch die Chinesen Sinn. Dadurch erwerben die Asiaten Techniken und Know-how für die großindustrielle Schweinefleischerzeugung. Es sollen bereits 15 bis 16 Großanlagen in China nach Smithfield-Vorbild in Planung sein.


Auch Getreideimporte steigen.

Seit einigen Jahren mischen die Chinesen nun auch den globalen Getreidemarkt auf. Noch vor 5 Jahren beliefen sich die Getreideeinfuhren auf rund 2 Mio. t. Geringe Mengen Mais wurden sogar noch exportiert. Für 2013/14 werden nun knapp 19 Mio. t Getreideimporte veranschlagt (siehe Übersicht).


China achtet stets darauf, dass die eigenen Getreidevorräte mindestens 35 % des jährlichen Verbrauchs abdecken, um möglichen Missernten ausreichend begegnen zu können.


Schätzungen gehen davon aus, dass China im Jahre 2020 rund 25 bis 30 Mio. t Getreide importieren dürfte. Das entspricht etwa 10 % des derzeitigen Welthandelsvolumens. Kein anderes Land der Welt konzentriert so große Getreideeinfuhren auf sich. Auch hier wird die bisherige Politikregel, mindestens 95 % des Bedarfs selbst zu erzeugen, immer weiter aufgeweicht.


Überraschung bei Rindfleisch:

Chi­nas Oberschicht leistet sich neben Schweine- und Geflügelfleisch auch immer häufiger „teures“ Rindfleisch, das traditionell in China bisher nur in kleinem Umfang überwiegend als Nebenprodukt der Milchwirtschaft anfällt.


Das hat Folgen: Der Rindfleischmarkt wurde von der chinesischen Nachfrage völlig überrascht (siehe Übersicht). Noch vor 3 Jahren führte China gera­-de mal 30 000 t Rindfleisch ein. Im abgelaufenen Jahr waren es allerdings schon rund 400 000 t und für 2014 rechnen Marktexperten bereits mit knapp 500 000 t. Damit bekommt Russland – mit etwa 1 Mio. t Rindfleischimport ­bisher größter Abnehmer am Weltmarkt – einen starken Wettbewerber. Zusammen mit Hongkong dürfte China be­reits 2014 die Nummer 1 sein.


Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt in China erst bei 4,2 kg Rindfleisch im Vergleich zu knapp 40 kg Schweine und ca. 10 kg Geflügelfleisch. Selbst kleinere Verbrauchssteigerungen können auch diesen Markt beflügeln. Teures EU-Fleisch dürfte es in China aber weiterhin schwer haben. Wenn importiert wird, dann eher günstig aus Aus­tralien und Indien. Trotzdem entlastet es den Weltmarkt und stützt die Preise – auch bei uns.

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