Die Dachorganisation der französischen Genossenschaften, Coop de France, geht davon aus, dass trotz einer in diesem Jahr voraussichtlich weltweit steigenden Weizenernte die Getreidepreise infolge der niedrigen Lagerbestände im Wirtschaftsjahr 2011/12 weiterhin eine hohe Volatilität aufweisen werden.
In Frankreich habe dank der Regenfälle Anfang Juni und des damit verbundenen Temperatursturzes zwar nicht die gesamte Getreideernte gerettet werden können, doch hielten sich die Ausfälle in Grenzen, erläuterte der für Getreide zuständige Leiter von Coop de France, Vincent Magdelaine, in Paris. Er rechnet bei Weizen in Frankreich mit einem Minus von 10 % bis 15 % im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings gebe es noch erhebliche Unsicherheit in einigen Anbaugebieten; das gilt nach seinen Worten unter anderem für die Regionen in Zentral- und Westfrankreich, wo es wenig geregnet habe und der Boden nicht tief sei. Generell könne davon ausgegangen werden, dass der diesjährige Erntebeginn je nach Region zwischen zehn bis 15 Tage früher als in einem normalen Jahr einsetzen werde, prognostizierte Magdelaine.
Generell niedrige Bestände als Handicap
Nach Angaben von Magdalaine sind die weltweiten Produktionsaussichten in diesem Jahr insgesamt günstiger als in Frankreich. Demnach dürfte sich das internationale Weizenangebot - einschließlich der Vorräte - auf einem ähnlichen Niveau wie 2010 bewegen. Nehme man sämtliche Getreidearten zusammen, sei nach Schätzungen von Coop de France weltweit ein vergleichbares Ergebnis wie im Rekordjahr 2008 nicht auszuschließen.
Insbesondere Russland, das im vergangenen Jahr Einbußen bei Getreide um bis zu 33 % verbucht habe, dürfte 2011 wieder ein normales Aufkommen erreichen. Darauf deute auch die Tatsache hin, dass Russland sein Exportembargo zum 1. Juli aufheben wolle. Sorgen bereiten Coop de France allerdings die extrem niedrigen Getreidevorräte, und zwar nicht nur Frankreichs, sondern auch anderer Produzenten. Dem Dachverband zufolge dürften die französischen Überhangbestände an Weizen, Mais und Gerste zum Ende des auslaufenden Wirtschaftsjahres mit jeweils nur etwa 2 Mio t ihr niedrigstes Niveau seit 1995 erreichen.
Abbau der EU-Marktmechanismen schlägt zu Buche
Weltweit sei die Situation ebenfalls angespannt, beklagte Magdelaine. Seit etwa zehn Jahren verschlechtere sich die Relation zwischen den Getreidevorräten und der jährlichen Verwendung. Während die Quote, bezogen auf alle Getreidearten, bis Anfang des letzten Jahrzehnts zwischen 25 % und 30 % geschwankt habe, liege der Anteil heute unter 20 %. Der Franzose macht dafür neben dem Abbau der Mechanismen zur Marktverwaltung in der Europäischen Union die Erosion der Getreidevorräte sowie die seit einigen Jahren zu beobachtende extreme Instabilität der Notierungen verantwortlich. Deshalb sei es dringend notwendig, mehr zu produzieren, um Regulierungsvorräte für die Märkte anzulegen, stellte Magdelaine klar. Nur dann werde es möglich sein, künftig die Weltbevölkerung zu ernähren, die bis 2050 um 50 % auf 9 Milliarden Menschen anwachsen werde. (AgE)