Gedanken zur Zukunft des Vieh- und Fleischhandels von Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Fortsetzung von "Wie vermarkten wir nach dem Jahr 2030?"
Fleischproduzenten sollten sich auf schwierige Marktverhältnisse einstellen. Der seit den 1960er-Jahren rasant gestiegene Konsum stagniert in Europa und ist in der Bundesrepublik Deutschland seit zehn Jahren sogar rückläufig. Ein Ende des Trends ist noch nicht abzusehen.
Zudem ändert sich die Einstellung der Gesellschaft zur Nutztierhaltung. Vor allem die junge Generation wird in Ernährungsfragen kritischer. Große Bevölkerungsgruppen werden weniger Fleisch essen, aber höhere Ansprüche an die Prozessqualität, Tier- und Umweltschutz stellen. Der Anteil der Flexitarier, die nur noch wenig Fleisch essen, nimmt spürbar zu. Das Thema „Klimarelevanz der Fleischproduktion“ wird stärker beachtet.
EU-Mäster unter Druck
Heimische Schweine-, Rinder- und Geflügelmäster geraten in puncto Konkurrenzfähigkeit voraussichtlich ins Hintertreffen. Die EU wird voranpreschen und verschärfte Vorgaben beschließen und den Erzeugern möglicherweise noch mehr kostenträchtigere Beschränkungen auferlegen als schon jetzt. Entwicklungs- und Schwellenländer werden an dieser Stelle deutlich weniger ambitioniert vorgehen. Die Folge: Bei der Erzeugung von Fleisch drohen erhebliche Wettbewerbsunterschiede.
Das gilt auch für die Fleischarten untereinander: Schweine- und vor allem die Geflügelfleischprodukte weisen gegenüber Rind und auch gegenüber extensiv produzierten Ökofleischerzeugnissen eine günstigere CO2-Bilanz auf.
Der Anteil veganer bzw. vegetarischer Produkte am Fleischmarkt wächst stark an, wird aber auch in zehn Jahren noch vergleichsweise klein sein. Und in-vitro-Fleisch hat nicht zuletzt aus Kostengründen vermutlich auch künftig nur einen Nischencharakter.
Mehr vertragliche Bindungen
Es wird weiterhin klassisches Fleisch nachgefragt. Um am Markt zu bestehen, müssen Mäster und Mästerinnen jedoch klar definierte, kostenträchtige Vorgaben erfüllen. Diese müssen auch honoriert werden. Infolgedessen wird die Bindung zwischen der Land- und der Ernährungswirtschaft zunehmen. Dabei werden auch direkte Verträge zwischen den Viehhaltern und dem LEH weiter an Bedeutung gewinnen.
Blockchain-Technologie, bei der die Daten verschiedener Produktionsstufen zusammengefasst werden, kann eine digitale Wertschöpfungskette „Fleisch“ ermöglichen. Schlachthöfe könnten dabei zu Dienstleistern werden, die im Lohn schlachten. Regionale Vermarktungskonzepte sowie Markenfleischprogramme werden wieder mehr Bedeutung erhalten. Die Rückverfolgbarkeit wird weiter perfektioniert. Durch den Aufbau von Blockchain-Fleischerzeugungsketten verhindert die Branche die Austauschbarkeit von Rohstoffen und Erzeugerbetrieben. Die Position unser heimischen Landwirtschaft könnte gestärkt werden, indem die hohen EU- bzw. nationalen Produktionsstandards besser gegen preisaggressive Importwaren abgesichert werden.
Veränderungen sind nötig
Daran gibts nichts zu deuteln: Aktuell steht die Veredelung u. a. aufgrund des hohen Ressourcenverbrauches in der Kritik. Der Transformationsdruck auf die Lebensmittelbranche wird deshalb in den nächsten Jahren enorm steigen.
Es gibt jedoch Wachstumschancen, auch bei traditionellen Fleischerzeugnissen. Bis zum Jahr 2050 wächst die weltweite Bevölkerung schließlich auf ca. 9,6 Mrd. Menschen, diese gilt es zu ernähren. Und: Eine leistungsfähige Landwirtschaft, die in Kreisläufen wirtschaftet, braucht auch die Tierhaltung.