Die Zuckernotierungen an den internationalen Terminbörsen steigen, während die Preise für Biosprit nicht aus dem Keller kommen. Deshalb setzt die Zuckerwirtschaft in Brasilien verstärkt auf ihr vor dem Ethanolboom praktiziertes Kerngeschäft, nämlich die Produktion von Rohrzucker. In der Anfang Mai gestarteten Kampagne 2009/10 sollen knapp 43 % der Rohrernte zu Zucker verarbeitet werden, nachdem der Zuckeranteil in den drei Jahren davor von 50 % auf 40 % gesunken war. Grund für die Trendwende: In vielen brasilianischen Zuckerfabriken kann der Ausstoß als Zucker oder Bioethanol flexibel an die jeweilige Marktlage angepasst werden - und die Zuckerpreise an den internationalen Terminbörsen befinden sich seit Monaten im Steigflug. Der in New York gehandelte Rohzuckerkontrakt "Nummer 11" hat sich seit Jahresbeginn um fast ein Viertel auf 15,72 Cent/lb (254,55 Euro/t) verteuert. Im gleichen Zeitraum hat sich eine Gallone Bioethanol an der Terminbörse von Chicago um 3,7 % auf 1,61 $ (0,45 Euro/l) verbilligt.
Hauptgrund für den rasanten Preisanstieg beim Zucker ist die Angebotslücke am Welt-Zuckermarkt, die die kleine Ernte in Indien gerissen hat. Die Internationale Zuckerorganisation (ISO) geht davon aus, dass in der bis Oktober laufenden Kampagne 2008/09 weltweit 161,5 Mio. t Rohzucker produziert werden. Dem soll ein globaler Zuckerbedarf von 165,8 Mio. t gegenüber stehen. Sollte es so kommen, würden die Bestände im Saisonverlauf von 70,5 Mio. t auf 66,3 Mio. t schrumpfen. Damit liegt die unter Analysten stark beachtete "Stocks-to-Use"-Ratio - also das Verhältnis zwischen Beständen und Verbrauch - bei äußerst komfortablen 40 %.
Flex-Fuel-Motoren auf dem Vormarsch
Zusätzlichen Auftrieb erhält der Zuckerpreis durch die Nutzungskonkurrenz zwischen Nahrung und Energie, da Zuckerrohr äußerst kostengünstig versprittet werden kann. In Brasilien sind inzwischen fast alle neu zugelassenen Fahrzeuge mit einem Flex-Fuel-Motor ausgestattet, der wahlweise mit Benzin oder Ethanol betankt werden kann. Sobald sich die Weltwirtschaft von der schwersten Rezession seit Jahrzehnten erholt, dürften auch die Rohölpreise wieder anzie-hen. Schon jetzt hat sich ein Fass (159 l) der Nordseesorte Brent auf knapp 60 $ (44,07 Euro) hochgearbeitet, womit der Preis gegenüber dem Mitte Februar markierten Jahrestief um ein Drittel gestiegen ist. Es dürfte also nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch die Ethanolpreise wieder nach oben klettern, da der Biosprit ein direktes Substitut zu Benzin darstellt.