EU-Handelskommissar Phil Hogan hat zu Beginn der Woche seinen Verzicht auf eine Kandidatur für den Posten als WTO-Generaldirektor bei der in Genf ansässisgen Welthandelsorganisation (WTO) erklärt. Der irische Politiker war vom scheidenden irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar als Kandidat ins Gespräch gebracht worden.
Seit dem der amtierende WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo überraschend seinen Rücktritt erklärte, sieht sich die WTO nach der Blockadepolitik der USA in einer tiefgreifenden Krise.
Mit Phil Hogan war ein erfolgversprechender europäischer Kandidat im Rennen, der als vormaliger EU-Agrarkommissar von 2015-2019 mit WTO-Streitigkeiten und Handelsfragen über seine gesamte Amtszeit als Landwirtschaftskommissar konfrontiert war.
Hogan ist auf der internationalen Bühne als geschickter Verhandler anerkannt
Mit der Nomierung als EU-Handelskommissar durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erfüllte sich für den hochgewachsenen irischen Landwirtesohn aus Kilkenny ein Brüsseler Traumjob. Denn die Verhandlungen über Handels- oder Investitionsabkommen mit Japan, den USA, China, Mercosur, Kanada und Japan brachten den gewievten Taktiker und Verhandler bei der Verteidigung von EU-Agrardossiers immer wieder ins Spiel.
In Abstimmung mit Kommissionschefin Von der Leyen erklärte Hogan am Montag: "Die wichtige EU-Handelsagenda erfordert die vollständige und vorsichtige Einmischung der Europäischen Union und hier insbesondere des EU-Handelskommissar. Dem entsprechend habe ich beschlossen, meinen Namen für den Posten des Generaldirektors der Welthandelsorganisation nicht in den Ring zu werfen. In Beratung und Zustimmung von Präsidentin Von der Leyen werde ich mit sofortiger Wirkung zu meinen Aufgaben als Handelskommissar zurückkehren".
Zu den Prioritäten der EU in der globalen Handelspolitik listet Hogan in seiner persönlichen Erklärung fünf Punkte auf:
Die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie-Krise.
Ein Ende der Eskalation von Handelsrethorik mit dem Ziel unnötige Zolltarife für EU-Waren im Handel mit den USA zu erreichen.
Ein "level playing field" für die Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen der EU und China zu schaffen.
Die Brexit-Verhandlungen bis Oktober erfordern höchste Aufmerksamkeit der künftigen EU/UK-Handelsbeziehungen
Die Implementierung und Überarbeitung von 76 Handelsabkommen mit Drittstaaten außerhalb Europas stehen prioritär auf der Agenda der von der Leyen-Kommission.
Bisher haben Nigeria und Mexiko Kandidaten für den WTO-Posten offiziell erklärt
Die bisherigen offiziellen Kandidaten für den WTO-Generaldirektoren-Posten sind der ehemalige nigerianische Finanzminister und Nummer 2 der Weltbank Ngozi Okonjo-Iweala sowie der Mexikaner Jesús Seade, der derzeit als Staatssekretär seines Landes für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten zuständig ist.
Darüber hinaus hat in der letzten Woche der britische Labour-Politiker Peter Mandelson in der Presse angekündigt, auch für den WTO-Job kandidieren zu wollen. Mandelson war vom britischen Premierminister Tony Blair von 2004 bis 2008 nach Brüssel entsandt worden und in der ersten Barroso-Kommission als EU-Handeskommissar tätig.
Wollte Von der Leyen ihren Handelskommissar nicht aufgeben?
In Brüssel wird die Frage gestellt, warum der ambitionierte Ire letztlich doch seine angestrebte Kandidatur für den WTO-Top-Job aufgegeben hat. Wollte Kommissionschefin von der Leyen den versierten Verhandler auf internationaler Bühnen angesichts schwieriger Verhandlungen über Investitionsschutz- und Handelsabkommen mit China und den USA sowie den künftigen Beziehungen mit Großbritannien nicht verlieren? Oder wollten einflußreiche Handelsmächte ausgerechnet einen europäischen Kandidaten auf dem WTO-Sessel verhindern?