Dieser Kommentar von Patrick Liste ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".
Das freut Tierhalter und schockt Ackerbauern: In NRW bekommen Getreideanbauer für Futterweizen aktuell rund 15 €/dt. Brotweizen liegt mit 16 €/dt nur knapp darüber. Zur Einordnung: Die Preise haben sich innerhalb von zwei Jahren mehr als halbiert. Das überrascht selbst Analysten. Zwar gehören auch größere Schwankungen auf dem Getreidemarkt zum Geschäft – gerade nach dem vergangenen turbulenten Erntejahr. Doch diese Dimension hatte kaum jemand erwartet. Sie liegt vor allem am Kampf um die neue Weltordnung.
Getreideverkauf füllt Kriegskasse
Russland hat vor mehr als zwei Jahren die Ukraine überfallen. Der Krieg kostet Milliarden. Diese verdient Präsident Putin weiter mit Öl und Gas, wenn auch etwas schwieriger. Um die Kriegskasse zu füllen, setzt er verstärkt aber auch auf den Verkauf von Getreide. Und zwar nicht nur aus den Lagerbeständen der vergangenen Ernte, sondern auch aus der staatlichen Reserve – und das zu Dumpingpreisen, zu denen weltweit niemand Getreide produzieren kann. Das erläutert Marktexperte Jan Peters im Gespräch mit dem "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben" und sagt auch: Mit dieser Strategie drängen die Russen die EU sowie die USA zurück und bauen ihre Weltmarktanteile aus. Zur Vollständigkeit gehört: Auch die Ukraine exportierte zuletzt doppelt so viel Getreide wie erwartet. Der Weltmarkt ist somit aktuell gut versorgt.
Kriegstaktik „Hunger als Waffe“
Trotzdem wächst der Hunger auf der Welt. Neben dem Preis für Lebensmittel und den Folgen des Klimawandels liegt das an weiteren Konflikten. Zwei aktuelle Beispiele: Im Gaza-Streifen droht eine Hungersnot für Hunderttausende Menschen durch den Krieg zwischen Israel und der Hamas. Die Angriffe der islamistischen Huthi-Milizen auf Handelsschiffe durchschneiden die globale Logistik und verschärfen den Hunger beispielsweise am Horn von Afrika. Es wirkt, als würde die Kriegstaktik „Hunger als Waffe“ in den ohnehin fordernden Zeiten noch forciert.
China baut Weltmarktstellung aus
Das löst bereits etwas aus: China hat einen neuen Aktionsplan beschlossen, um die Getreideernte im eigenen Land zu stärken. Bis 2030 soll die Produktion um 50 Mio. t steigen. Das Ziel dürfte klar sein: mehr Selbstversorgung, weniger Abhängigkeit von Importen – und die Weltmarktstellung ausbauen.
Diese bitteren Realitäten des weltweiten Weizen-Wahnsinns scheinen allmählich auch in der europäischen sowie deutschen Agrarpolitik anzukommen. Zumindest gibt es Signale, dass die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln wieder stärker in den Fokus rückt. So hat Brüssel angekündigt, die Pflichtbrache bis 2027 auszusetzen und bei anderen umstrittenen Vorschriften wie dem Fruchtwechsel mehr Spielraum zu lassen. In Deutschland wollen Bund sowie Länder noch dieses Jahr Bürokratie für Landwirte abbauen und beispielsweise Agraranträge sowie Dokumentationen vereinfachen. Klare Ansage an die Politik: Jetzt zügig, konsequent und einheitlich umsetzen. Nur dann haben alle etwas davon – Tierhalter und Ackerbauern.
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