Seit 2005 wächst die Zahl der handwerklichen Molkereien und Käsereien laut dem Verband für handwerkliche Milchverarbeitung (VHM) kontinuierlich. Im Durchschnitt kamen 50 bis 60 weitere Betriebsstätten pro Jahr hinzu, meist Hofkäsereien, die überwiegend Hart- und Schnittkäse herstellen.
Fast drei Viertel der aktiven 900 Mitgliedsbetriebe wirtschaften ökologisch. Einen wesentlichen Grund für diese Entwicklung sieht der Geschäftsführer des Verbandes Marc Albrecht-Seidel in den Milchpreisen, die längst nicht die Produktionskosten decken.
Ein neuer Betriebszweig Käserei kann deshalb attraktiv sein. Auch bei neu gegründeten Schaf- und Ziegenbetrieben geht der Aufbau der Tierherde mit einer Milchverarbeitung und damit einer relativ zuverlässigen Wertschöpfung einher. Als dritten Grund für den Zulauf auch von Fachpersonal nennt Albrecht-Seidel den Spaß an der Milchverarbeitung.
Fachagrarwirt Schwerpunkt handwerkliche Milchverarbeitung Der VHM bietet eine Ausbildung zum Fachagrarwirt mit Schwerpunkt handwerkliche Milchverarbeitung an. Die Weiterbildung, deren Abschluss zwischen einem Gesellen und einem Meister rangiert, ist seit 2016 staatlich anerkannt.
„In den vergangenen vier, fünf Jahren sind immer ungefähr 70 Anmeldungen auf 18 Plätze eingegangen, das ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Nachfrage viel größer ist als das Ange bot“, berichtet Albrecht-Seidel. Einerseits sei er froh darüber, dass das Handwerk viel Zulauf hat, andererseits hadert er mit der geringen Anzahl von Ausbildungsplätzen. „Wir sind aber mit dem VHM Österreich dran, die Kapazitäten zu erweitern.“ Dieses Jahr haben aber viele Betriebe ihre Pläne für das Projekt Käserei über den Haufen werfen müssen, weil die Kosten explodiert sind.
Losgelöst von Innungen und Kammern
Wenn man den Vergleich zum Bäcker- und Metzgerhandwerk zieht, gibt es einen entscheidenden Unterschied, den Marc Albrecht-Seidel erklärt: „Wir sind komplett losgelöst vom Handwerksverband, von Innungen, Kammern und den ganzen Regularien. Wenn wir uns nur an der milchwirtschaftlichen Ausbildung zum Milchtechnologen festhalten würden, sähe es mit dem Zulauf deutlich anders aus, weil die Betriebe dazu gar keine Anerkennung haben.“
Nur fünf bis zehn der 900 Mitgliedsbetriebe dürfen milchwirtschaftlich ausbilden. Das sei eine Unterentwicklung, man müsse sehen, wie auch die Hofkäsereien eine einfachere Zulassung für die Ausbildung bekommen.
Obwohl Ausbildungsplätze fehlen, ist eine Lockerung der Ausbildungszulassung von Hofkäsereien nicht in Sicht. Ein weiteres Plus für Käsereien ist aber, dass sie im Gegensatz zu Metzgereien oder Bäckereien ohne einen Meister betrieben werden dürfen. Zudem ist die Milchsachkundeverordnung 2018 abgeschafft worden. „Sachkunde ist natürlich notwendig, gar keine Frage“, betont Marc Albrecht Seidel, doch eine verpflichtende Sachkunde, die eine dreijährige Ausbildung voraussetzt, sei für viele eine Riesenhürde.
Verschiedene Wege zum Experten
Insgesamt könne der Sektor Milchverarbeitung mehr Fachkräfte gebrauchen, die Hofkäsereien hätten einen höheren Bedarf, als der VHM derzeit ausbilden kann. Überlegungen, mehr Interessierte zu einem qualifizierten Abschluss zu bringen, reichen von der Ausbildung zum Facharbeiter für Molkerei und Käserei über den VHM Österreich bis dahin, Plätze für den Fachagrarwirt in Deutschland „irgendwie zu verdoppeln“.
Das Angebot von Grund- und Spezialkursen ist ein dritter, bereits bestehender Bildungsweg. Für die Weiterbildung in der industriellen Milchverarbeitung hat der ZDM 2017 die Deutsche Molkerei Akademie eingerichtet. Das Statistische Bundesamt zählt seit dem Jahr 2010 kontinuierlich mehr Beschäftigte in der Milchverarbeitung, damals rund 31.500, voriges Jahr 42.200 Personen (ohne Speiseeis).