Frage: Unsere Gemarkungen sind flurbereinigt. Zwischen dem Wald und unseren Wiesen bzw. Äckern befindet sich immer ein Wirtschaftsweg, für den die Gemeinde zuständig ist. Der Wald gehört zum Großteil der Gemeinde, einige kleinere Parzellen, die meist am Waldrand liegen, sind im Privatbesitz. Unser Problem ist, dass die Bäume aus dem Wald zu nah an den Wirtschaftsweg wachsen. Die Gemeinde schneidet ihre Äste immer passend zurück, die Besitzer der kleinen Parzellen leider nicht. Die Gemeinde hat diese Waldbesitzer schon angeschrieben, leider ohne Erfolg. Der Bürgermeister will die Äste nicht beseitigen lassen, weil er fürchtet, dass die Besitzer Schadenersatz fordern. Wie können wir nun vorgehen, damit der Wirtschaftsweg auch in Zukunft noch befahrbar ist und nicht komplett zu wuchert? Unsere Gemeinde ist in Baden-Württemberg, so bin ich der Meinung, dass bei uns das Nachbarschaftsrecht von BW gilt.
Antwort: Grundsätzlich kann sich eine Gemeinde auf das baden-württembergische Nachbarrechtsgesetz bzw. auf die nachbarrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (z.B. § 910 BGB) stützen und dementsprechend handeln. Die Gemeinde muss den Eigentümer auffordern, den Missstand zu beseitigen. Falls nichts passiert, sollte die Gemeinde den Eigentümer auffordern, den Missstand zu beseitigen. Sie sollte eine Frist angeben sowie einem Kostensatz, welcher dem Eigentümer in Rechnung gestellt wird, falls er den Missstand nicht selbst beseitigt und die Gemeinde einen Externen mit der Arbeit beauftragen muss.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat beispielsweise am 26.11.2004 für den beeinträchtigten Nachbarn entschieden. Auf sein Grundstück ragten die Zweige des Nachbarbaumes. Der Eigentümer des Baumes musste sowohl die Beseitigung von Beeinträchtigungen durch die über die Grundstücksgrenze herüberragenden Zweige als auch das Abschneiden dieser Zweige hinnehmen (V ZR 83/04).
Das sogenannte Selbsthilferecht nach § 910 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt allerdings, dass der Eigentümer dem Besitzer des Nachbargrundstücks zuvor eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgt ist. Diese Vorgehensweise ist nach dem Sachverhalt dem Bürgermeister offensichtlich auch bekannt. Weshalb hier ein Ersatzanspruch des Baumeigentümers bestehen soll, erschließt sich insoweit nicht: Der Baumeigentümer ist „Störer", weil er seine Pflicht, Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks durch herüberragende Zweige zu verhindern, verletzt hat (vgl. BGH – V ZR 99/03).