Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts lag der Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft Erwerbstätigen bei 38 %. Mit zunehmender Industrialisierung und mit der Entwicklung des Dienstleistungssektors sank der landwirtschaftliche Erwerbstätigenanteil fast kontinuierlich. Dieser betrug Anfang der 50er Jahre 24 % und im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts etwa 2 %. 2020 lag der landwirtschaftliche Erwerbstätigenanteil nur noch bei 1,3 %. Das besagt der am Donnerstag vom Deutschen Bauernverband vorgestellte Situationsbericht 2021/22.
Immer mehr Menschen werden von einem Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ernährt. Der Hektarertrag für Weizen zum Beispiel lag vor 120 Jahren bei 18,5 dt. 2020 lag der Hektarertrag mit 78,2 dt mehr als viermal so hoch.
Ein Landwirt erzeugte 1900 Nahrungsmittel in einem Umfang, um etwa vier Personen ernähren zu können. 1950 ernährte ein Landwirt zehn und 2019 137 Personen (ohne Erzeugung aus Auslandsfuttermitteln). Trotz dieser starken Produktivitätssteigerung blieb Deutschland stets ein Nettoimportland an Agrar- und Ernährungsgütern.
1900 lag der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln bei 87 %. Am Anfang des 21. Jahrhunderts liegt der deutsche Selbstversorgungsgrad bei jährlichen Schwankungen weiter deutlich unter 100 %. Angesichts der Arbeitsteilung in einer globalisierten Wirtschaft und der vom Verbraucher gewünschten Vielfalt war der Selbstversorgungsgrad bis vor der Corona-Krise allerdings kaum noch von gesellschaftspolitischer Relevanz.
Fortschritt als Ursache für enorme Produktivitätssteigerung
Die enorme Erzeugungssteigerung hat ihre Ursache in der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Produktionsweisen. Moderne Maschinen und Ställe, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Mineraldüngern sowie Zuchtfortschritte bei Pflanzen und Tieren haben dazu geführt, dass die Landwirte heute wesentlich stabilere und höhere Erträge erzielen als früher, so der DBV weiter.
Immer weniger Landwirte erzeugen immer mehr
1900 gab es im damaligen Reichsgebiet noch über 5,6 Mio. Betriebe mit gut 26 Mio. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 20,7 Mio. Großvieheinheiten an Nutztieren. Das sind 0,79 Großvieheinheiten je Hektar.
In dem heutigen Deutschland sind es 262.800 Betriebe (2020), die rund 16,6 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche bearbeiten und pflegen und 12,0 Mio. Großvieheinheiten halten, was 0,72 Großvieheinheiten je Hektar entspricht. 1950 waren es in den Grenzen des heutigen Deutschlands entsprechend noch 15,2 Mio. Großvieheinheiten. Die aus den heute 12,0 Mio. Großvieheinheiten resultierende Gesamterzeugung liegt gegenüber dem weitaus flächengrößeren Deutschland in den Grenzen von 1900 um ein Vielfaches höher.
Nur noch jeder sechste Euro für Nahrungs- und Genussmittel
Im langfristigen Vergleich zeigt sich eine enorme Steigerung des Wohlstands der Verbraucher. Anfang des 20. Jahrhunderts betrug der Anteil der Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel am gesamten Konsum noch über 50 %; heute beträgt dieser Anteil nur 15,1 % (ohne Genussmittel 12,0 %). Qualität und Verarbeitung der Nahrungsmittel haben sich in dieser Zeit enorm verbessert.
Leistungen enorm gestiegen
Brot und Brötchen gehören zu den Grundnahrungsmitteln in Deutschland, etwa 80 kg Backwaren werden pro Kopf und Jahr verzehrt, schreibt der Bauernverband in seinem Bericht weiter. Damit ist Deutschland in der Europäischen Union Spitzenreiter.
Dank der erheblichen Ertragssteigerungen durch Züchtung und Anbautechnik „wachsen“ heute auf einem Hektar Weizen mit rund 80 dt Ertrag etwa 9.400 Weizenbrote à 1 kg. Das Mehl von 850 g Weizen reicht zum Backen von einem Kilogramm Brot. In einem solchen Brot ist das Mehl von 17.000 Körnern verarbeitet worden. 16.000 Körner wachsen je Quadratmeter. Zur Ernte dieser Körnermenge hat der Landwirt im Herbst knapp 400 Körner ausgesät. Mehr als das 40-fache kann er somit im Sommer nach genügend Regen und Sonne und ackerbaulicher Pflege ernten.