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Leserbrief

Kritik an Imkern: Experte hält Honigbienenverbotszonen für gerechtferigt

Umweltbehörden verweigern Imkern zunehmend die Erlaubnis, ihre Honigbienen in oder nahe bei Naturschutzgebieten aufzustellen. Sie befürchten, dass sie Wildbienen schaden können.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Leserbrief von Dr. Christian Schmid-Egger. Der Agraringenieur und Wildbienenexperte arbeitet als ökologischer Gutachter und berät seit mehr als 15 Jahren Kommunen, Umweltverbände aber auch Agrarbetriebe zu Fragen des praktischen Wildbienenschutzes. Hier sein Brief im Original-Wortlaut:

"Wenn Honigbienen aus Naturschutzgebieten ausgeschlossen sind, werden noch mehr Landwirte in existenzielle Nöte geraten. Deutliche Einkommensverluste und Höfeaufgaben sind unvermeidlich, behauptet August-Wilhelm Schinkel, Mitglied im Präsidium des Deutschen Imkerbund. Der Verbandsvertreter fährt hier ein wahrlich großes Geschütz auf, bei denen man sich nur noch verwundert die Augen reiben kann. Denn fachliche Gründe für eine solche Behauptung liefert er nicht, dieses Szenario entbehrt jeder Grundlage.

Um was geht es genau?

Umweltbehörden verweigern Imkern zunehmend die Erlaubnis, ihre Honigbienen in oder nahe bei Naturschutzgebieten aufzustellen. Sie befürchten, dass die Honigbienen dort den teilweise gefährdeten Wildbienen schaden können. Honigbienen sind Nahrungskonkurrenten der geschützten Wildbienen. Denn beide  – Wildbienen wie Honigbienen – sammeln auf den Blüten dieselbe Nahrung für ihre Larven, nämlich Pollen und Nektar.

Die Wirkung dieser Konkurrenz ist leicht zu verstehen. Ein gesundes Honigbienenvolk schickt im Sommer 20.000 oder mehr Arbeitsbienen ins Feld. Bei fünf Völkern in Reihe, meist stehen sogar noch mehr an einer Stelle, sind das um die 100.000 Bienen. Diese gut organisieren Scharen treffen auf 30 bis 50 Weibchen einer gefährdeten Wildbienenart, die einzeln lebt, körperlich meist schwächer ist und in diesem Naturschutzgebiet vielleicht eine der letzten Populationen im Umkreis besitzt.

Dieser ungleiche Kampf um den Pollen geht für die Wildbienen leider oft nicht gut aus. Sie haben rein zahlenmäßig kaum eine Chance gegen ihre auf Ertragsleistung und Effizienz gezüchteten Verwandten. Sie gehen an den Blüten leer aus, ihre Larven verhungern und die Population wird damit erlöschen. Bereits jetzt steht rund die Hälfte der 604 deutschen Wildbienenarten auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten, Tendenz zunehmend. Diese Arten dürfen nicht durch zusätzliche Faktoren wie Honigbienen weiter gefährdet werden. 

Aus diesem Grund erteilen Behörden vielfach keine Erlaubnis mehr, um Honigbienen in Naturschutzgebieten aufzustellen. Da Honigbienen weit fliegen können, ist auch eine Pufferzone notwendig. Zu Recht sagen die Behörden, dass Naturschutzgebiete vor allem dem Schutz wildlebender Arten dienen sollen und nicht für die Erwerbsinteressen der Imker zur Verfügung stehen können. Sie werden dabei von zahlreichen Naturschutzverbänden und Wissenschaftlern unterstützt.

Imker kontern mit falschen Argumenten

Gegen diese Praxis laufen die Imkerverbände seit einiger Zeit Sturm. Leider verwenden sie dabei vielfach Argumente, die fachlich einfach falsch sind. Vor allem behaupten sie, dass Honigbienen ein natürlicher und unverzichtbarer Bestandteil der heimischen Fauna sind, wir diese also auch in der Natur brauchen. Das stimmt so nicht.

  1. Bereits 2013 konnte eine großangelegte internationale Studie nachweisen, dass die Bestäuberleistung der Honigbienen stark überschätzt wird. Die Hauptbestäubung landwirtschaftlicher Kulturen (und hier natürlich nur der insektenbestäubenden Pflanzen) erfolgt über Wildbienen und viele andere wildlebende Insekten. Obstbauern reagieren ja bereits seit langem darauf und nutzen Wildbienen zur Bestäubung, hier Mauerbienen. Auch Hummeln, die ebenfalls zu den Wildbienen gehören, werden inzwischen in Sonderkulturen vielfach eingesetzt. 

  2. Es gibt sicher eine Bestäuberkrise, doch diese hat nur sehr wenig mit den Honigbienen zu tun. Viele Bestäuberinsekten sind im Rückgang begriffen, weil immer mehr natürliche Lebensräume verloren gehen. Von dort kamen und kommen viele Bestäuber für landwirtschaftliche Kulturpflanzen. Die Honigbiene hingegen ist nicht gefährdet und kann beliebig nachgezüchtet werden.

  3. Die Diskussion um die Bestäubung in der Landwirtschaft hat zudem nichts mit den Naturschutzgebieten zu tun. Es spricht ja nichts dagegen, Honigbienenvölker neben ein Rapsfeld zu stellen. Aber eben nicht neben oder in ein Naturschutzgebiet!

  4. Moderne Honigbienen sind kein Bestandteil der heimischen Fauna. Daher brauchen heimische Wildpflanzen für die Bestäubung auch keine Honigbienen (wie das immer wieder fälschlich behauptet wird). Die Wildform der Honigbiene ist in Mitteleuropa spätestens seit den 1970er Jahren ausgestorben. Sie lebte zudem vor allem in Wäldern. Inzwischen gibt es nur noch hochgezüchtete Nutzbienen, die mit der Wildform wenig gemeinsam haben.

Honigbiene ist wie Hochleistungsrind

Natürlich ist nachzuvollziehen, dass Imker auch im Sommer nach der Blüte wichtiger Feldfrüchte oder Obstkulturen Standplätze für ihre Honigbienen brauchen. Doch in dieser Debatte geht es August-Wilhelm Schinkel vor allem um die wirtschaftlichen Interessen der Imker. Daher sollte er besser Ross und Reiter ehrlich benennen.

Dem Nutztier Honigbiene jetzt eine wichtige Funktion im Naturhaushalt anzudichten, was durch kein einziges wissenschaftliches Argument gestützt wird, heißt eine Scheindebatte zu beginnen. Genauso absurd wäre es, wenn ein Landwirt seine Hochleistungsrinder in den Wald treiben würde mit dem Argument, er erhöhe dort die Biodiversität!

Die Suche der Imker nach Ersatznahrungsquellen für ihre Honigbienen darf nicht zu Lasten natürlicher Ökosysteme und vor allem der Wildbienen gehen. Diese sind hoch bedroht und auf ihre letzten Lebensräume angewiesen. Diese liegen vielfach in Naturschutzgebieten. Daher müssen Honigbienen unbedingt aus den Schutzgebieten herausgehalten werden. Unsere Landschaft leidet inzwischen unter einer extremen Blütenarmut. Diese ist sicher ein wesentlicher Grund für den überall beobachteten Rückgang an fliegenden Insekten.

Dafür gibt es viele Ursachen, wie die intensive Landnutzung, Überbauung und Versiegelung von Flächen, die falsche Pflege von Weg-und Straßenrändern, aber auch der Klimawandel. Warme Winter fördern das Wachstum der Gräser, diese drängen im Frühjahr die wichtigen Nahrungspflanzen für Bienen.

Hier gilt es gegenzusteuern und dabei kann auch jeder Landwirt selbst einiges tun. Die Vielfalt an Blüten kann gefördert werden durch Anlage von Blühflächen und Brachen, durch weniger Mähen von Feldrainen und viele andere Maßnahmen. Teilweise werden diese Maßnahmen sogar staatlich gefördert. Damit hilft man allen Bienen, auch den Honigbienen und entschärft die Konkurrenzsituation."

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