Sie kritisieren, dass Landwirte Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen am Tier immer häufiger selbst durchführen wollen und den Blick für ihre eigentlichen Aufgaben verlieren. Was genau meinen Sie damit?
Dr. von Ahn: Die Landwirte bewegen sich immer weiter in das Berufsfeld des Tierarztes hinein. Gleichzeitig geben sie die Kernbereiche ihres Berufes, nämlich die Haltung und Fütterung, an externe Berater ab.
Was hat zu dieser Entwicklung geführt?
Dr. von Ahn: Den Auszubildenden in der Landwirtschaft wird schon früh vermittelt, dass Tierarztbesuche, egal welcher Art, einen Kostenfaktor im Betrieb darstellen. Dass Tierarztbesuche jedoch genauso ein gewinnbringender Faktor durch die Verbesserung der Herdengesundheit sind, wird in der Betrachtung völlig außer Acht gelassen. Durch „Selbstmachen“ soll der Kostenfaktor verringert werden. Außerdem finden Landwirte, v. a. der größeren Betriebe, es für ihre Arbeitsabläufe praktikabler, z. B. die Frischlaktierenden nach dem Melken selbst „abzuarbeiten“. Dabei gehen die meisten nach einem standardisierten Behandlungsschema vor. Das kann und darf jedoch nicht die Differenzialdiagnose des Tierarztes ersetzen!
Wie begegnen Sie diesem Trend?
Dr. von Ahn: Wir schließen Dienstleistungsverträge mit den Landwirten ab. Das heißt, wir vereinbaren, dass ein Tierarzt an bestimmten Tagen zu einer bestimmten Uhrzeit auf den Betrieb fährt, um dort die frischmelkenden Kühe routinemäßig zu untersuchen und zu behandeln. Die freigewordene Zeit kann der Landwirt dann für andere Dinge nutzen. Denn durch sein enorm breites Aufgabenfeld ist er permanent ausgelastet: Er produziert Nahrungs- und Futtermittel, muss sich mit Preisentwicklungen auf Märkten aus-einandersetzen. Außerdem muss er eine Menge von Betriebswirtschaft, Technik, Umwelt und Agrarpolitik verstehen. Das Aufgabenfeld des Landwirtes ist wesentlich komplexer als das des Tierarztes und erfordert mehr Qualifikationen. Ich verstehe deshalb nicht, warum er dann noch Tierarzt „spielen“ möchte. Vielleicht gibt es ihm ein besseres Selbstwertgefühl.
Was erwarten Sie von den Landwirten?
Dr. von Ahn: Sie sollen sich auf die Haltung und Fütterung ihrer Tiere konzentrieren. Konkret heißt das: Futtergewinnung und Silagemanagement optimieren sowie Trockensubstanz, Futteraufnahme und andere Daten regelmäßig bestimmen. Am Ende müssen sie Konsequenzen daraus ableiten. Darin liegt noch ein enormes Potenzial der Betriebe!
Außerdem sollten sie dem Trockensteher-Management mehr Aufmerksamkeit schenken und beim Stallbau auf die neuesten Erkenntnisse achten. Bei all diesen Maßnahmen ist es wichtig, ihren Tierarzt konsequent einzubeziehen. Das gilt sowohl auf Ebene des Einzeltieres als auch für die ganze Herde.