Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Waldumbau Seelische Gesundheit Steuern in der Landwirtschaft

Aus dem Heft

„Die Arbeit muss ich allein schaffen“

Lesezeit: 8 Minuten

Der Niederländer Wim van Ittersum hat einen ungewöhnlichen Stall für 200 Kühe gebaut. Dabei setzte er viele eigene Ideen für effizientes Arbeiten um.


Das Wichtigste zu den Themen Rind + Milch mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Der neue Milchviehstall von Wim van Ittersum aus Mastenbroek bei Zwolle (Niederlande) hat eine untypische Form. Das graue Gebäude wirkt von außen eher wie eine Fabrikhalle, passt sich aber sehr gut der Umgebung an. Besonders markant ist das wellenförmige Dach, das mit fünf Rundbögen überspannt ist. „Das Dachmaterial besteht aus einem wasserfesten, aber lichtdurchlässigen Kunststoff, sodass der Stall von innen sehr hell ist“, begründet der Landwirt, warum er sich für diese Variante entschieden hat. Das Dach hat dem Stall auch den Markennamen eingebracht: Serrestall (Serre (franz.) bedeutet „Wintergarten“).


Neubau für 200 Kühe:

Der 49-Jährige hatte sich im Jahr 2012 für den Neubau entschieden, als sich abzeichnete, dass zwei seiner Söhne in den Betrieb einsteigen wollten. Im Betrieb gibt es zurzeit 125 Kühe. „Der alte Stall war mit 80 Boxen zu klein und war auch von der Arbeitswirtschaft nicht mehr auf dem neuesten Stand“, erklärt van Ittersum.


Nach fünfmonatiger Bauzeit ist er im Oktober 2013 in den neuen Stall gezogen. Bei dem Neubau hat der Landwirt gleich auf Zuwachs gesetzt: Melkstand und Liegeboxenanzahl sind auf 200 Kühe ausgelegt. Mit einer größeren Herde will sich der Betrieb nach und nach auf das Ende der Milchquotenregelung vorbereiten.


Der Stall besteht aus einer verzinkten Stahlkonstruktion mit den Außenmaßen 38 x 63 m (Übersicht Seite R 26). Doch nur die Halle sowie die Dachkonstruktion sind von der Stange. Beim Innenausbau hat die ganze Familie eigene Vorstellungen umgesetzt. Bis zu drei Personen sollen hier arbeiten, die Arbeit soll aber am Wochenende auch notfalls einer allein erledigen können.


Der Stall hat unten einen 1 m hohen Betonsockel. An den Schmalseiten ist er mit Stahltrapezblechen verkleidet. Die Längsseiten sind mit einem stabilen Kunststoffnetz bespannt, um Spatzen und andere Vögel auszusperren. Bei starkem Wind und Frost lassen sie sich zusätzlich mit Rollos verschließen.


Dach lässt Licht herein:

Ein typisches Merkmal ist die Helligkeit. Selbst bei geschlossenen Rollos kommt über das Foliendach sehr viel Licht in den Stall – bis zu 16 Stunden im Sommer verspricht der Hersteller. Ist es draußen dunkel, sorgen rund zehn LED-Strahler für Helligkeit.


Da sich unter dem Dach aber auch Wärme sammelt, ist an der Westseite unterhalb des Daches das Gewebe luftdurchlässig. Dadurch kann die warme Luft nach außen strömen.


Markant sind auch die 3,5 m breiten Laufgänge mit schmalen und nur 50 cm langen Schlitzen für die Gülle. „Wir haben bei dem Stall auf Nachhaltigkeit gesetzt“, erklärt van Ittersum. Wenn er bestimmte Auflagen erfüllt, kann er nach niederländischem Recht eine Investitionsförderung in Form von Steuererleichterungen erhalten. Zu diesen zählen nicht nur die breiten Laufgänge, sondern u.a. auch die emissionsarmen Teilspaltenböden mit Gummibelag. Sie sollen für weniger Ammoniak-Emissionen aus dem Güllekeller sorgen als herkömmliche Spalten.


Gereinigt werden die Laufgänge von einem Reinigungsroboter, der mehrmals am Tag durch die Gänge fährt.


Um sich die Arbeitszeit für die Fütterung zu erleichtern, hat van Ittersum keinen klassischen Futtertisch für die tägliche Futtervorlage erstellt, sondern zwei Kammern mit mobilen Fressgittern eingerichtet (Weelinksystem).


Jede Kammer hat eine Grundfläche von ca. 15 x 5 m. Mit zwei Toren kann der Landwirt die Kammer in Richtung Außenwand öffnen und gleichzeitig die Kühe absperren. Da sich auf Höhe der beiden Kammern zwei Außentore befinden, kann er mit dem Siloblockschneider von außen direkt in die beiden Kammern fahren.


Einmal pro Woche füllt er beide Futterkammern mit den 1,80 m hohen Siloblöcken voll. Die Kühe fressen durch die Fressgitter. Zweimal pro Tag fährt er die mobilen Fressgitter per Knopfdruck hydraulisch wenige Zentimeter zusammen, damit die Kühe wieder näher am Futter sind. „Wir haben in der Woche einen halben Tag mit dem Hereinfahren des Futters zu tun und brauchen am Tag nur wenige Sekunden für das Zusammenschieben der Gitter“, nennt er die Vorteile dieses Systems. Der Futterstock erwärmt sich in der Woche nicht, hat er festgestellt, da die Siloblöcke sehr stark verdichtet sind.


Futter wird umsiliert:

Das Futter selbst ist eine Mischung aus Grassilage vom ersten und zweiten Schnitt, Maissilage, Zitrusschnitzel, Eiweißprodukte, Maismehl und Kraftfutter. Die Mischung reicht für etwa 25 kg Milch aus.


Auch hierfür hat er für seinen Betrieb eine zeit– und kostensparende Lösung gefunden: Anstatt selbst in einen Futtermischwagen zu investieren, lässt er im Oktober einen Lohnunternehmer kommen. Dieser rückt mit einem Lkw mit Mischwagen an und mischt an einem Tag rund 1 100 t Gras- und Maissilage. Das ist ausreichend für ca. 200 Stalltage bei den 110 Milchkühen. Diese Mischung fährt der Lohnunternehmer anschließend wieder fest, van Ittersum deckt sie mit Folie ab. „Das sind mit Auf- und Abdecken rund drei Tage Arbeit, aber dann sind wir mit dem Mischen für den ganzen Winter fertig“, erklärt er.


Im Sommer sind die Kühe auf den rund 35 ha arrondierten Weiden rund um den Hof und kommen nur zum Melken in den Stall. Daher füttert er im Sommer in den Futterkammern nur Heu und Maissilage. Die Kühe erhalten zusätzlich im Melkstand zweimal am Tag je nach Leistung 80 g bis 4 kg ­Kraftfutter pro Tier. Daher hat er auf Kraftfutterstationen im Stall verzichtet und den Platz für mehr Liegeboxen genutzt.


Side-by-Side-Melkstand:

Auch die Melktechnik hat er so ausgelegt, dass es möglich ist, dass eine Arbeitskraft im Notfall 200 Kühe allein melken kann.


Daher hat er sich für einen Doppel-22er-Parallelmelkstand mit Swing Over-Technik entschieden. Während die ersten 22 Kühe auf der einen Seite gemolken werden, reinigt er bei den Kühen auf der an­deren Seite die Euter. „Statt zu dippen sprayen wir jetzt die Zitzen, weil es schneller geht und zudem günstiger ist“, führt er weiter aus. Die 110 Kühe zurzeit lassen sich in knapp einer Stunde melken. „Nach 50 Minuten haben wir den letzten Durchgang der Kühe angehängt und können auf der anderen Seite schon mit dem Waschen anfangen“, berichtet er aus der täglichen Praxis.


Ein Melkroboter ist für ihn aus zwei Gründen nicht infrage gekommen: Erstens schätzt er die festen Melkzeiten, auf die er sich besser einstellen kann. Und zweitens haben ihm Berufskollegen von hohen Strom- und anderen Betriebskosten berichtet, die der Roboter im Jahr verursacht.


Um weitere Kosten zu sparen, kühlt van Ittersum die Milch über einen Wärmetauscher mit Brunnenwasser vor, bevor sie in den Tank fließt. Das angewärmte Wasser verwendet er als Tränkewasser. Wasser sammelt er übrigens auch auf der Dachfläche des neuen Stalls. Das Regenwasser fließt über ein innen liegendes Rohrleitungssystem in ein unterirdisches Wasserbecken mit 200 m3 Fassungsvermögen und wird ebenfalls als Tränkewasser genutzt.


Einstreu nicht optimal:

Die Tiefstreu-Liegeboxen werden zurzeit noch mit einer Mischung aus Flachsschnitzeln und Pferdemist eingestreut, den van Ittersum von Betrieben aus der Umgebung bekommt. „Aber das ist noch nicht optimal, die Mischung machen wir mit dem Hoflader. Das kostet zu viel Zeit. Auch ist der Pferdemist bei der Anlieferung manchmal sehr nass“, bewertet er. Daher will er jetzt einen Separator für die Gülle nachrüsten und die Boxen künftig nach der Fest-Flüssig-Trennung mit der Festphase einstreuen.


Im Stall ist eine große Abkalbebox mit 8 x 12 m integriert, die sich mit zwei Toren in drei Boxen unterteilen lässt. Sie dient gleichzeitig auch als Krankenbox. Über einen Holzboden, der über der Abkalbebox liegt, lässt sie sich von oben mit Stroh einstreuen. Der Boden dient gleichzeitig als Lager für Stroh und andere Materialien. Auch hat man von hier aus einen sehr guten Überblick über den Stall und kann die Kühe kontrollieren.


Fazit nach einem Jahr:

Der Stall inklusive Melkstand, 2 m tiefem und 4 500 m3 großem Keller, neuem Stromanschluss, neuer Silageplatte und der Hofbefestigung hat 1,2 Mio. Euro gekostet, also 6 000 Euro pro Kuhplatz. „Die steuerlichen Vorteile haben wir da noch nicht reingerechnet, die auch bis zu 1 000 Euro pro Platz ausmachen können“, erläutert der Landwirt. Für ihn standen aber weniger die niedrigen Baukosten, sondern niedrige Arbeitserledigungskosten im Vordergrund. Van Ittersum: „Diesen Vorteil haben wir jeden Tag für circa 25 Jahre.“


Die Zellzahlen haben sich unter 150 000 eingependelt und liegen damit niedriger als im alten Stall. Die Milch­leistung ist bei rund 8 000 kg je Kuh und Jahr geblieben. „Es ist nicht schwer, die Leistung zu erhöhen. Die Frage ist nur, zu welchen Kosten“, erklärt van Ittersum sein Konzept. Daher sind ihm gesunde Kühe wichtiger als eine maximale Leistung. „Wir haben höchstens eine Mastitis pro Monat, der Tierarzt muss nur fünfmal im Jahr kommen“, schildert er. Nach Abschaffung der Milchquote wird es aus seiner Sicht allerdings ökonomischer, die Leistung der Kühe zu erhöhen.


Nach einem Jahr Erfahrung ist er mit dem Stall sehr zufrieden. Jetzt plant er, den alten Stall für Kälber, Rinder und trockenstehende Kühe umzubauen. Auch dort steht für ihn wieder die Arbeitseffizienz an erster Stelle.


Hinrich Neumann

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Bestens informiert zur EuroTier 2024

Über 60 % sparen + Gewinnchance auf einen VW Amarok sichern!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.