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Glatte Böden müssen brennen

Lesezeit: 7 Minuten

Neue Flammstrahl-Brenner aus Frankreich sollen glatten Laufflächen wieder neuen Griff geben. top agrar war beim ersten Einsatz in Deutschland dabei.


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Das Tor geht auf und die Kühe betreten den Laufgang. Zunächst laufen sie noch zaghaft, doch dann geht ihr Gang immer mehr in einen flotten Galopp über. Am Ende der Lauffläche kommen sie ohne Rutschen wieder zum Stehen.


Schon beginnt die erste brünstige Kuh, auf ihre Nachbarin aufzuspringen. „Unglaublich! Noch vor wenigen Stunden hätte das wegen des glatten Bodens eine Karambolage mit mehreren Verletzten im Stall gegeben.“ Rainer Winter und sein Sohn Thorsten stehen am Fressgitter und sind verblüfft.


Premiere in Deutschland:

Die Milchviehhalter aus Bohmte bei Osnabrück sowie Landwirt Dieter Rempe aus dem 30 km entfernten Wagenfeld sind die ersten in Deutschland, die ihre Laufgänge mit dem Flammstrahl-Verfahren behandeln lassen. Bei dieser Methode wird der Beton wenige Sekunden mit einer über 3 000 °C heißen Brennerflamme erhitzt (siehe top agrar 11/2013).


Durch den Hitzeschock werden an der Oberfläche haftende Ablagerungen aus Urinstein, Fett und Protein regelrecht abgesprengt. Die Hitze dringt nur etwa 2 cm in Beton ein, bereits nach wenigen Sekunden ist er wieder begehbar und lässt sich sogar mit bloßen Händen anfassen.


Anders als bei Fräswerkzeugen gehen keine Erschütterungen durch das Material. Auch Spaltenböden oder Pflastersteine lassen sich damit bearbeiten. Was bleibt, ist eine Oberfläche ähnlich wie bei einer Rauhfaser-Tapete, bestehend aus zahllosen, circa zwei bis drei Millimeter tiefen Kratern. Sie bietet den Klauen wieder guten Halt, ist aber nicht so abrasiv wie beispielsweise Gussasphalt. Gleichzeitig wird nur sehr wenig Material abgetragen.


Für Familie Winter die ideale Lösung: „Genau deshalb habe ich mich für dieses Verfahren entschieden“, sagt Rainer Winter. „Weil der Beton das Bewehrungseisen auf unseren Laufgängen nur um rund 4 cm überdeckt, kam das Fräsen nicht infrage. Es wird dabei einfach zu viel Material abgetragen, das Eisen könnte anfangen zu rosten.“


Spezielle Brenner:

Der Handlungsbedarf in Rainer Winters Stall ist groß: Durch das zwölfmal tägliche Abschieben mit dem Faltschieber ist die Lauf-fläche mittlerweile so glatt, dass für die Kühe ständig Rutschgefahr besteht. Mehrere Tiere mussten wegen der Folgen des Ausgrätschens den Betrieb vorzeitig verlassen, brünstige Tiere wurden teilweise extra umgestallt, damit sie sich oder andere beim Aufspringen nicht verletzen.


Bereits wenige Minuten nachdem die Kühe die frisch bearbeitete Lauffläche gestürmt haben, machen sie es sich in ihren Liegeboxen bequem. Dass auf dem benachbarten Laufgang zwei vermummte Gestalten mit laut fauchenden und zischenden Brennern hantieren, stört sie nicht im Geringsten.


Mit einem von Hand geschobenen 0,60 m breiten Brenner flammt Luc Papeta die Übergänge zwischen zwei Laufflächen ab. Sein Sohn Antoine fährt währenddessen den „Selbstfahrer“, ein elektrisch betriebenes Trägerfahrzeug für den Brenner mit 1,20 m Arbeitsbreite. Damit steuert er über die langen Bahnen des 4,50 m breiten und 50 m langen Laufganges. „Diese Geräte sind Einzelstücke und komplett selbst entwickelt. Da steckt jahrelange Detailarbeit drin“, sagt Luc Papeta.


Einziger Anbieter:

Er und sein Sohn Antoine bieten mit ihrer Firma Tounet europaweit als Einzige die Flammstrahl-Behandlung an. Sie sind für den Einsatz auf den Betrieben Winter und Rempe über 1 200 km aus Frankreich angereist.


Neben den Geräten besitzen die beiden Franzosen auch die nötige Erfahrung. Sie bearbeiten den Boden mehrmals in Abschnitten von etwa 40 cm Länge. Dabei kommt es auf einen gleichmäßigen Vorschub an. Andernfalls platzen stellenweise größere Betonsplitter ab und die Oberflächenstruktur wird ungleichmäßig.


Zudem kann der Beton bei zu geringer Arbeitsgeschwindigkeit überhitzten und seine Struktur Schaden nehmen. So schaffen die Brenner eine Strecke von etwa 1,5 m pro Minute. Je nach Beschaffenheit des Betons reicht das für Stundenleistungen von 50 bis 70 m2 je Gerät.


„Entscheidend für ein gutes Arbeitsergebnis ist auch, dass der Boden vorher mit gründlich gereinigt wurde und keine Wasserpfützen auf der Fläche stehen“, erklärt Luc Papeta. Zurückgebliebene Schmutzreste würden die Flammenwirkung senken und den Gasverbrauch erhöhen. Gleichzeitig würde die Arbeitsqualität darunter leiden, denn die Betonteilchen könnten ungleichmäßig abgesprengt werden und eine unebene Oberfläche hinterlassen.


Ohne Gas geht’s nicht:

Das laute Fauchen der Brenner macht Zurufe unmöglich. Während sie sich Stück für Stück vorarbeiten, suchen Luc und Antoine immer wieder Blickkontakt und geben sich Handzeichen, damit sich die Flammen ihrer Arbeitsgeräte und die herumliegenden Schlauchpakete für Gas und Kühlwasser nicht in die Quere kommen.


Befeuert werden die Brenner mit dem Gas Flamal 29 und Sauerstoff. Luc Papeta berechnet die nötige Menge anhand der Fläche und bestellt das Gas dann in Kartuschen bei einem Zulieferer. Sind die Betonflächen besonders weitläufig oder weiter voneinander entfernt, muss der Landwirt die Container mit den Gaskartuschen mit einem Front- oder Radlader umstellen.


Vor den Brennerbalken fliegen Betonsplitter meterhoch durch die Luft, Feinstaub steigt kaum auf. Schnell zeigt sich, dass die Methode hält, was Rainer Winter sich von ihr versprochen hat: Beim Abflammen eines rund 230 m² großen Laufganges kommen nur drei Schubkarren Betonsplitter zusammen, die rasch zusammengefegt sind. Der Materialabtrag ist also tatsächlich sehr gering und Haarrisse im Beton – zumindest mit bloßem Auge – nicht sichtbar.


Einsatz auf Rautenboden:

Auch für Milchviehhalter Rempe, dem zweiten Kunden bei Papetas Deutschland-Besuch, war die vermeintlich schonende Behandlung des Betons ausschlaggebend, um die Thermoschock-Behandlung in seinem Stall einzusetzen.


Die Besonderheit bei ihm: Die Laufgänge sind mit einem Rautenmuster versehen. Es bietet den Kühen bisher noch genug Halt. Dennoch möchte der Landwirt diese Methode ausprobieren, damit das auch künftig so bleibt. Schließlich ist das nachträgliche Aufrauhen eines Rautenmusters schwierig: Würde dieses mit einer Fräse oder Diamant-Scheibe bearbeitet werden, könnten die Kanten der Rauten brechen und so eine scharfkantige und damit „klauenfeindliche“ Kraterlandschaft entstehen – für Rempe keine Alternative. Zudem möchte er den Urinstein von der Fläche entfernen lassen.


Sein erster Eindruck: „Bereits beim Reinigen der Übergänge mit dem Mistschieber merkt man deutlich die bessere Griffigkeit des abgeflammten Betons.“ Ein weiterer Vorteil in seinen Augen: „Die Intensität der Behandlung lässt sich durch das mehrmalige Überfahren mit dem Brenner sehr gut anpassen. Bei Stellen mit porösem Beton macht Herr Papeta einfach eine Überfahrt weniger.“


Kühe haben wieder Griff:

Den guten ersten Eindruck bestätigen beide Landwirte auch fünf Monate nach der Behandlung. „Die Oberfläche ist noch genauso griffig wie am Anfang“, sagt Rainer Winter. Seinen Beobachtungen zufolge sind die Tiere nun deutlich aktiver und bewegen sich sicherer auf dem Laufgang, was der Brunstbeobachtung zugute kommt. Schließlich trauen sie sich wieder aufzuspringen. Auch die Faltschieber kommen mit der angerauhten Oberfläche problemlos klar.


Dieter Rempe aus Wagenfeld ist ebenfalls nach wie vor zufrieden: „Die Methode funktioniert auf dem Rautenmuster. Der Beton ist nicht beschädigt und ist deutlich griffiger. Erst war ich skeptisch, aber nun würde ich auch weitere Flächen damit bearbeiten lassen, bevor sie rutschig werden und ich dadurch Tierverluste habe.“


Wie lange der Beton die Struktur behält, hängt von der Beanspruchung ab. Den Papetas zufolge haben die Kühe auch nach sechs bis acht Jahren guten Halt darauf. „Wird der Boden jährlich mit dem Hochdruckreiniger gereinigt, hält die Behandlung noch deutlich länger vor“, sagt Luc Papeta.


Wiederholbare Methode:

Inklusive Anfahrt und Gas kostet die Flamm-strahl-Behandlung 6 € pro m². Das ist vergleichbar mit den Kosten für das Schlitzen des Betons mit einer Diamant-Scheibe.


„Sollten wir durch das Abflammen die Tierverluste durch Ausgrätschen senken können, rentiert sich die Maßnahme schnell“, ist sich Rainer Winter sicher, „und falls der Boden in einigen Jahren wieder glatt ist, lässt sich die Behandlung wegen des geringen Materialabtrags ja problemlos wiederholen.“


Die nächsten Deutschland-Besuche haben die Papetas bereits geplant. Lange Anfahrtswege sind für die Franzosen mittlerweile nicht mehr selten. „Wir bekommen Anfragen aus vielen Ländern, die wir aus Zeitgründen nicht alle bedienen können“, erklärt Luc Papeta. Deshalb ist er nun auf der Suche nach Geschäftspartnern aus Deutschland, die seine Methode und sein technisches Wissen darüber in Lizenz anwenden. Tjade Gronau

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