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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

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Holland: Von der Milch- zur Tierquote?

Lesezeit: 9 Minuten

Die niederländischen Milcherzeuger wollen nach 2015 deutlich mehr produzieren. Doch die Regierung plant schon die nächsten Wachstumsbremsen. Was erwarten unsere Nachbarn nach dem Quotenausstieg?


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Die Gedanken der niederländischen Milchviehhalter kreisen fast nur noch um ein Datum: Am 1. April 2015 läuft die Quote aus. Viele Landwirte können es kaum abwarten, bis der „Deckel“ endlich kein Hindernis mehr ist. Sie wollen nur eins: Melken, was das Zeug hält!


Mehr Milch:

15 bis 20 % mehr Milch erwarten die Landwirtschaftsorganisation LTO sowie der Milchviehhalterverband NZO bis 2020 an den Molkereien. Mehr als zwei Drittel der Landwirte planen eine Betriebsvergrößerung. In absoluten Zahlen würde die niederländische Milchmenge damit um 2,2 Mrd. kg auf dann 14 Mrd. kg wachsen, wobei Marktbeobachter die größten Sprünge bis 2017 erwarten. Damit hätten die Niederlande wieder das Niveau erreicht, auf dem sie bereits vor Einführung der Milchquote 1984 waren.


Produktion für den Export:

Die Milch-erzeugung ist in den Niederlanden stark auf den Export ausgerichtet. Die 18 500 Betriebe produzieren einen Exportüberschuss von 60 %, mit dem Auslaufen der Quote dürfte dieser Wert weiter steigen.


„Die Zukunftsmärkte für holländische Milch liegen nicht in Europa, sondern vor allem in Asien und Afrika“, prophezeit Klaas Johan Osinga. Der Funktionär des LTO geht deshalb nicht davon aus, dass durch die holländische Produktion der europäische Milchmarkt in Schieflage geraten könnte.


„Wie stark die Milchmenge tatsächlich zunimmt, hängt vor allem von den Weltmarktpreisen ab: Sind die gut, wird mehr gemolken. Sollten sie dagegen stark fallen, wird auch in den Niederlanden verhalten produziert“, erklärt Osinga.


Global betrachtet relativiert sich das Wachstum jedoch. So betont Kees Romijn, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Milchviehhaltung des LTO, dass die Niederlande nur knapp 2 % der Milch auf dem Weltmarkt produzieren. Selbst wenn die Menge wie erwartet zunimmt, läge der Anteil bei höchstens 2,05 % – ein Einfluss auf den Weltmarktpreis wäre auch dann verschwindend gering.


Die Höfe wachsen.

Momentan sind die Landwirte allerdings auf Expansionskurs: In den letzten zehn Jahren sind die Betriebe im Schnitt um fast 40 % gewachsen. Heute produziert der typische niederländische Milchviehbetrieb rund 650 000 kg Milch bei einer Leistung von 8 100 kg und rund 80 Tieren. Prognose des LTO für 2020: 1 Mio. kg Milch pro Betrieb und Jahr, die Zielmarke liegt dann bei 9 000 kg pro Kuh. Diese Werte berücksichtigen, dass jährlich rund 3 % der Milchviehhalter aus der Produktion aussteigen.


Um den Anschluss nicht zu verpassen, habend die Landwirte in den vergangenen Jahren schon mehr als 1,5 Mrd. € in die Modernisierung und den Neubau von Ställen investiert. Das hat allerdings Überkapazitäten zur Folge. Kees Romijn geht davon aus, dass viele Ställe nur zu 80 % gefüllt sind. Die Niederländer halten also Kapazitäten vor, um 2015 durchstarten zu können.


Die Ställe müssen voll.

Um die Ställe bis dahin voll zu bekommen, setzen die Milchviehhalter auf unterschiedliche Strategien. „Weil Färsen und Kühe teuer sind, wird zunehmend gesextes Sperma eingesetzt“, erklärt Dirk-Siert Schoonman, LTO-Vorsitzender in der östlichen Provinz Gelderland. Im vergangenen Jahr wurden 25 000 Portionen mehr gesextes Sperma als in den Vorjahren ausgeliefert.


Der andere Weg ist, weiterhin in Milchquote zu investieren. Die ist mit gegenwärtig rund 33 Cent/kg im Vergleich zu Deutschland zwar teuer. Umfragen zufolge will jedoch in diesem Jahr noch jeder sechste Landwirt Milchlieferrechte erwerben.


Zum einen wollen sie ihre Ställe so auslasten, bevor gutes Vieh knapp wird und die Preise in den nächsten zwei Jahren weiter steigen werden, wie es viele Händler erwarten. Betriebsaufstockungen würden damit unweigerlich teurer.


Zum anderen wollen sie sich absichern, falls der Staat in Zukunft Obergrenzen für den Viehbestand erlässt. „Das Problem ist, dass niemand genau weiß, was die niederländische Politik vorhat, wenn die Quote fällt“, erklärt Twan de Bie, Berater bei der Unternehmensberatung ABAB.


Tierhalter in der Kritik:

Denn die niederländischen Tierhalter sind teilweise noch verunsichert durch die heftigen Diskussion über die „Megaställe“. Unter dem Motto „Für extreme Industrialisierung ist in den Niederlanden kein Platz“ verkündete Agrarstaatssekretär Henk Bleker vergangenes Jahr, dass an einem Standort höchstens 500 Kühe gehalten werden dürften. Zwar wären von dieser Regelung nur 1 % der Betriebe betroffen gewesen und bisher gab es dazu keine Beschlüsse. Die Diskussion zeigte dennoch, dass die niederländische Öffentlichkeit den wachsenden Betrieben zunehmend kritisch gegenübersteht.


Viele Betriebserweiterungen scheitern zudem am Veto der Behörden. Innerhalb des Landes gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle, erklärt Dirk-Siert Schoonman: „In Südholland haben die Behörden sehr strenge Auflagen, wenn es um steigende Güllemengen geht. Betriebe aus dem Norden haben es noch etwas leichter, zu wachsen.“


Wohin mit der Gülle?:

Ein weiterer Stolperstein auf dem Weg zu einer wachsenden Milchproduktion ist die knappe Futterfläche. Sie wird konstant bei etwa 1 Mio. ha bleiben, wovon schätzungs-weise 10 % unter Naturschutzauflagen bewirtschaftet werden. Hier ist also eine weitere Intensitätssteigerung nötig, um die gesteckten Ziele erreichen zu können.


Dabei wirtschaften die Niederländer schon jetzt sehr intensiv: mit einer Milchproduktion von 11 000 kg pro ha haben sie eine Spitzenposition im europäischen Vergleich inne. Besonders stark ist hier der Südosten des Landes, wo Milchleistungen pro ha von über 20 000 kg erreicht werden.


Kehrseite der Medaille: Der Weidegang der Kühe wird bei dieser Entwicklung weiter zurückgehen. Er spielt in der niederländischen Gesellschaft aber eine große Rolle, weil er sich positiv auf das Image der Milchviehhaltung auswirkt. Rückläufig ist die Anzahl an Weidegängern schon jetzt: Hatten Anfang des Jahrtausends noch 90 % der Kühe regelmäßigen Weidegang, sind es aktuell nur noch 70 %.


Knappe Flächen verursachen außerdem steigende Pachten. Preise von 2 000 € pro ha sind auf ackerfähigen Standorten keine Seltenheit. Je nach Region kostet zum Kauf angebotenes Land zwischen 30 000 und 100 000 €.


Entscheidend für die Entwicklung des Milchsektors wird sein, wie die Niederländer ihren Gülleabsatz in den Griff bekommen.


Weil die Betriebe sehr spezialisiert sind, intensiv wirtschaften und ausnahmslos bodennahe Ausbringverfahren einsetzen, nutzen sie ihre Gülle zwar effizient und können dadurch Mineraldünger einsparen. Das zeigt die im europäischen Vergleich sehr hohe Nährstoffeffizienz für Stickstoff von fast 39 % (Deutschland: 28,5 %). Probleme machen vielmehr die schieren Güllemengen, die nicht mehr auf den vorhandenen Flächen ausgebracht werden können.


Zwar dürfen mit Ausnahmeregelungen 250 kg Stickstoff pro ha aus Wirtschaftsdünger auf das Land. Das alleine reicht aber nicht aus, weil auch Phosphor stark im Überschuss ist. „Mehr Milch bedeutet auch mehr Gülle. Und davon gibt es in den Niederlanden eh schon zuviel“, sagt LTO-Mann Osinga.


Um diesem Problem Herr zu werden, diskutiert die niederländische Regierung derzeit verschiedene Vorschläge:


  • Gülleverarbeitungspflicht: überschüssiger Wirtschaftsdünger, für dessen Ausbringung keine Fläche mehr zur Verfügung steht, soll aufbereitet werden, um ihn dann exportieren zu können. In der Diskussion sind beispielsweise Separation oder Veredlung zu flüssigem Biogas.
  • Gülleverarbeitungspflicht in Kombination mit einer verschärften Dünge-Verordnung.
  • Güllerverarbeitungspflicht in Kombination mit Produktionsrechten: diese sind im niederländischen Geflügel- und Schweinesektor bereits ein Steuerungsinstrument, um die Tierzahlen zu begrenzen. Um die Produktion auszuweiten, müssen Landwirte ähnlich wie bei der Milchquote Rechte erwerben. Die nationale Tierzahl und damit auch die Güllemenge ist so festgeschrieben.


Besonders die Variante mit den Produktionsrechten stößt in der Milchbranche auf harsche Kritik. Denn damit würde die Milchquote durch eine Tierquote ersetzt, wachstumswillige Betriebe hätten weiterhin mit Beschränkungen zu kämpfen. Deshalb forderte der Vorsitzende des Genossenschaftsvorstandes und des Aufsichtrates von FrieslandCampina, Piet Boer, die Milchviehhalter auf, Gegenvorschläge bei der Regierung einzureichen, um diese ungeliebte Regelung noch abzuwenden. „Es ist eine Minute vor zwölf“, mahnte er. Im Laufe eines Jahres will das niederländische Kabinett darüber beschließen.


Melken für Banken?

Eine Achillesfärse der niederländischen Milchviehhaltung ist die hohe Belastung mit Fremdkapital.


Bei vielen Investitionen liegt der Eigenanteil bei weniger als 5 %, entsprechend hoch ist der Kapitaldienst an die Banken. Selbst die Rabobank, das größte Geldinstitut für den Agrarbereich in den Niederlanden, bescheinigt den Milchviehhaltern, dass sie dadurch gerade in Zeiten schwankender Milchpreise relativ unflexibel seien. In der Milchpreiskrise von 2009 wurde diese Schwäche vielen Landwirten schmerzhaft vor Augen geführt.


„Statt Rücklagen zu bilden, wird der gesamte Gewinn meistens in weiteres Wachstum investiert. Das ist auf Dauer der falsche Weg, wenn wir keine dänischen Verhältnisse wollen“, sagt Klaas Johan Osinga. Dort stehen momentan viele überschuldete Betriebe zum Verkauf.


Ganz so kritisch sieht Mark Voorbergen, Strategieberater in der Milchwirtschaft, diese Entwicklung nicht: „Die Banken haben nach wie vor Vertrauen in die Landwirtschaft, deswegen investieren sie hier auch.“ Die Wachstumsgeschwindigkeit der Milchproduktion wird allerdings davon abhängen, ob die Banken dieses Vertrauen auch behalten. Angesichts eines weltweit steigenden Milchkonsums und der damit verbundenen guten Absatzmöglichkeiten ist Voorbergen aber optimistisch, dass die Bauern weiter ihren Kapitaldienst leisten können.


„Vielleicht wird es 2015/16 kurzfristig etwas ungemütlich auf dem Milchmarkt werden, langfristig werden sich die Preise aber stabilisieren“, analysiert der Experte. Das heißt jedoch nicht, dass die Niederländer keinen Verbesserungsbedarf bei ihren Kostenstrukturen hätten. In Zeiten schwankender Milchpreise wird es laut Voorbergen eine Herausforderung für die Landwirte sein, wettbewerbsfähig zu bleiben.


Beratung und Banken rücken deshalb die Produktionskosten in den Vordergrund, damit sich die Niederländer auf den Milchmärkten der Zukunft behaupten können.


Die Kosten müssen runter.

Um diese weiter zu senken, setzen die Niederländer auf höhere Lebensleistungen der Kühe. Die Voraussetzungen dafür sind günstig: mit über 30 000 kg Lebensleistung sind die niederländischen Herdbuchkühe der Rasse Holstein weltweit spitze. Gleiches gilt für die Fett- und Eiweißproduktion von 2 400 kg.


Eine weitere Spezialisierung der Betriebe soll zukünftig ebenfalls Einspareffekte haben. Die Auslagerung der Außenwirtschaft wird von den Wachstumsbetrieben ausgedehnt, um sich nur noch auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Eine Tendenz, die bereits jetzt sehr verbreitet ist bei aufstrebenden Betrieben.


Ein großes Thema auf Familienbetrieben ist das Arbeitsmanagement. Denn eine Arbeitskraft muss dort immer mehr Kühe bewältigen, um kostengünstig produzieren zu können. Innerhalb von elf Jahren stieg die Kuhzal pro Arbeitskraft um fast ein Drittel auf nun 69 Tiere pro Arbeitskraft. Und weitere Steigerungen sind durchaus möglich.


Diese versprechen sich die Betriebsleiter vor allem von Automatisierungslösungen. So finden Melkroboter in den Niederlanden immer mehr Verbreitung. Jeder sechste Landwirt setzt mittlerweile diese Technik ein und die jährlichen Zuwachsraten liegen bei über 13 %.


Die traditionellen Familienbetriebe werden aber weiterhin das Rückgrat der niederländischen Milchwirtschaft bilden. Analysten erwarten für das Jahr 2020, dass sie über die Hälfte der Milch anliefern werden. Die von Politik und Gesellschaft befürchtete „Industrialisierung“ der holländischen Landwirtschaft scheint also noch in weiter Ferne.Tjade Gronau

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