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Hornlos-Zucht: Fleckvieh vor Charolais

Lesezeit: 7 Minuten

Die Hornlos-Zucht gewinnt bei Fleischrindern stark an Bedeutung. Sie bietet viele Vorteile. Doch bei einigen Rassen stößt sie an ihre Grenzen.


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Hornlos wird besser bezahlt: Bei der Fleischrinder-Auktion der RinderAllianz Ende März in Karow kamen 70 Fleischrind-Jungbullen unter den Hammer. Den Spitzenpreis von 5 600 € erzielte der Körsieger der Rasse Charolais, der reinerbig hornlose „Helios“ aus der Agrargenossenschaft Leppin. Dr. Sabine Schmidt von der RinderAllianz, die mit knapp 12 000 Fleischkühen im Herdbuch die größte Population vertritt, sagt: „Gehörnte Bullen werden preismäßig auf unseren Auktionen ganz klar abgestraft.“


Auf anderen Auktionen gibt es schon gar keine gehörnten Bullen mehr im Angebot. So wie auf der letzten Versteigerung von Jung­bullen in Meschede, wo von den 35 aufgetriebenen Limousin-Bullen 35 hornlos waren.


Etwas differenzierter sehen die Verkaufsergebnisse beim größten Bullenmarkt in Verden aus. Dort gibt es keinen preislichen Unterschied zwischen den hornlosen und gehörten Bullen. „In der Spitze sind die hornlosen Bullen aber teurer“, bestätigt auch Friedrich Averbeck von der Masterrind. Auch in den Besamungskatalogen der Zuchtorganisationen dominieren Fleischrinderbullen mit dem Buchstaben P hinter dem Name die Listen.


Was die Abkürzung P bedeutet, interessierte bis vor wenigen Jahren nur engagierte Züchter. P steht für das englische Wort polled, was hornlos bedeutet.


Dauerhaft genetisch verankert ist die Hornlosigkeit nur bei Angus und Galloway. In vielen anderen Rassen findet man jedoch hornlose Zuchtlinien. Dazu gehören Hereford, Charolais, Limousin, Pinzgauer, Gelbvieh, Fleckvieh, Blonde d´Aquitaine und Piemonteser. Basis für diese Linien sind Tiere, die von Natur hornlos auf die Welt gekommen sind. Das geschieht nur sehr selten und ist auf eine natürliche Mutation zurückzuführen. Es handelt sich dabei um eine spontane Veränderung des Erbgutes. Vererbt wird es nach dem klassischen Mendelschen Prinzip: hornlos (polled=P) ist dominant über horntragend (p).


Die Hornloszucht ist bei allen fleischbetonten Rindern in Fahrt gekommen.


Hornlos nimmt zu.

Das hat gleich mehrere Gründe: An erster Stelle steht die Arbeitswirtschaft. Enthornen kostet Zeit. Diese ist oft nicht vorhanden. Denn die Mutterkuhhaltung in Deutschland findet entweder mit kleinen Herden im Nebenerwerb oder aber mit sehr großen, teilweise mehreren Hundert kopfstarken, im Haupterwerb statt. Beiden gleich: Zeit ist Mangelware. Nebenerwerbslandwirte sind froh, wenn sie nach Feierabend und am Wochenende Zäune instand setzen, Herden umtreiben und Wasserfässer füllen können. Bei großen Herden spielt die Arbeitsökonomie eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt, weil es gilt, Fremdarbeitskräfte zu bezahlen.


Zudem wird das Enthornen von Kälbern in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Die Politik reagiert, wie in Nordrhein-Westfalen, mit der sogenannten Düsseldorfer Erklärung. Darin verpflichten sich die Unterzeichner, die Hornloszucht aktiv zu fördern.


Im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium arbeitet man an einem Tierschutzplan. Dessen Ziel ist es, gesellschaftlich akzeptierte und vom Tierhalter leistbare Haltungsbedingungen für Nutztiere zu etablieren. Für die Gattung Rind bedeutet dies unter anderem Hornloszucht, um Rindern das Enthornen zu ersparen. Die rot-grünen Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein verschärfen die Bedingungen für das Enthornen von Kälbern.


Biobetrieben ist es ganz verboten, Kälber zu enthornen. Komplizierte Ausnahmegenehmigungen einmal ausgenommen. Die politische Tendenz ist eindeutig: Enthornen soll erschwert, verteuert oder ganz verboten werden.


Die Frage Hörner ja oder nein, ist auch eine Frage des Tierwohls. Das Verletzungsrisiko für Tiere durch Hornträger ist Fakt. Typische Risikositua­tionen entstehen durch Rangkämpfe, Futterneid und Engpass-Situationen im Stall und auf der Weide. Blutergüsse, offene Wunden, Euter- und Scheidenverletzungen sind in behornten und teils behorn­­-ten Herden durchaus keine Seltenheit.


Der eleganteste Weg, auf die Enthornung zu verzichten, ist die Zucht auf Hornlosigkeit. „An erster Stelle steht dabei sicher nicht die derzeitige politische Situation, sondern vorrangig die Arbeitssicherheit und Arbeitswirtschaft“, ist sich Dr. Schmidt sicher. Denn der Tierschutz sei bei der Hornloszucht als Beweggrund nicht außer Acht zu lassen. Die Haltung von horntragenden Rindern in Laufställen im Winter und auf der Weide im Sommer birgt ein hohes Verletzungsrisiko für Mensch und Tier.


Das belegen Zahlen der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. 2014 ver­unglückten in Deutschland 233 Personen durch Hornstöße von Rindern. Für eine Person endete ein Unfall mit dem Tod. 2007 lagen die Zahlen noch doppelt so hoch.


Der Vorreiter in Sachen Hornloszucht ist zweifellos Fleckvieh-Fleisch. Dort bestimmen hornlose Tiere die Zucht. Schon in den 70er-Jahren begann man in Bayern systematisch, hornlose Tiere aufzukaufen und sie züchterisch zu bearbeiten. Hornlose Besamungsbullen dienten als Multiplikatoren.


Wer ist vorne, wer hinten?

Seit 2003 wird bei jedem Kalb in Bayern der Hornstatus über den LKV erhoben. „Inzwischen ist hier wie auch bei den Uckermärkern eine so breite genetische Basis da, dass wir auch viel Zuchtfortschritt in den wichtigen Leistungsmerkmalen erzielen können“, so Dr. Schmidt. Der Bundesverband Deutscher Fleischrinderzüchter und –halter sammelt jährlich die Fleischleistung im Feld von den einzelnen Verbänden und veröffentlicht sie. 2014 triumphierten dabei Uckermärker-Bullen mit täglichen Zunahmen im ersten Lebensjahr von 1 335 g, gefolgt von Fleckvieh-Fleisch-Bullen, die es auf 1 323 g brachten. „Bombige Zunahme“, kommentiert Averbeck von der Masterrind.


Ganz so weit sind die französischen Mutterkuhrassen hier noch nicht. „Ob hornlos oder gehörnt ist bei Limousin und Charolais eine Glaubensfrage“, weiß Dr. Schmidt aus Erfahrung. Der Konflikt entzündet sich an den für jede Rasse definierten Leistungsmerkmalen. Nicht selten auch am äußeren Erscheinungsbild der Hornlosen. Aufgrund der geringen Anzahl an hornlosen fullbreed-Vertretern wird zum Beispiel in Kanada auf Limousin mit Angusblutführung zurückgegriffen, um den begehrten Hornstatus P zu erhalten.


Bei den Charolais kommen Hornlos-Vertreter mit Fremdblutanteil aus Schweden, die selbst schon frühzeitig auf Import-Bullen und -Sperma mit Fremdblutanteil aus Nordamerika zurückgegriffen haben. Beim Einsatz solcher Bullen kann es zur Verschlechterung der Leistungsmerkmale wie Muskelansatz, Muskelausprägung oder auch Grundfutterverwertung kommen. Kenner finden auch optische Unterschiede.


All dies führt dazu, dass bisher die breite Basis der französischen Mutter-kuhhalter verhalten in die Hornloszucht investiert hat. Mit der Konsequenz, dass die Hornlos-Population noch klein ist und über wenige Linien verfügt.


Schlechte Tiere aussortieren!

Wenn dann noch nach dem Motto „Hauptsache hornlos“ gezüchtet wird, „schaden wir uns selber“, meint Friedrich Averbeck. Zuchtexperten dieser Rassen plädieren daher dafür, hornlose Vertreter mit schlechter Leistung konsequent der Mast zuzuführen. Der Weg zu hornlosen Herden ist weit. Nicht zuletzt, weil Mutterkuhbetriebe zu über 98 % mit Deckbullen arbeiten. Multiplikatoren über die künstliche Besamung werden aus arbeitswirtschaftlichen Gründen gar nicht oder sehr selten eingesetzt. „Wir brauchen noch drei bis vier Generationen, bis wir die Leistungsdichte bei hornlosen wie bei gehörnten Tieren haben“, so Averbeck für die Charolais.


Vorschreiben möchte weder er noch Dr. Josef Dissen vom Fleischrinder-Herdbuch Bonn den Züchtern, welche Zuchtrichtung sie gehen sollen. „Ich bin für die friedliche Koexistenz beider Zucht-richtungen“, so Dr. Dissen für die deutschen Limousin. Aus verschiedenen Linien die Merkmale herauszuholen, die gebraucht werden, sei entscheidend. Nur so lasse sich Fleischfülle bei den Charolais und die Rumpfigkeit bei Limousin erhalten.


„In der Spitze haben wir das schon erreicht“, so Dr. Dissen. Sowohl bei den täglichen Zunahmen, als auch bei Merkmalen wie der Fettauflage und der Rückenmuskelfläche haben die hornlosen Limousinbullen gleichgezogen. Solche Bullen kosten ihr Geld, das der Markt bereit ist zu zahlen.


Wie geht’s weiter?

Die Vorteile für Hornloszucht bei Fleischrindern liegen auf der Hand. Das haben die meisten Züchter verstanden und vor allem auch Kunden aus Drittländern, Frankreich, Osteuropa und der Schweiz, die den Markt an Sperma derzeit hierzulande räumen. „Der Zug fährt“, ist sich Averbeck sicher.


Derzeit müssen Züchter noch richtig Geld in die Hand nehmen, um qualitätsvolle Bullen mit ansprechenden Leistungsdaten und rassentypischem Exterieur zu kaufen. Dennoch eine lohnende Investition für fleischbetonte Rassen, an der kein Weg vorbeiführt.


Ausgenommen von der Diskussion um die Hornloszucht sind die Rassen, die vom Image „Hornträger“ leben. Man stelle sich nur einmal Highlands oder Longhorns ohne Hörner vor.

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