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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

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Irland: Weide rettet durch die Krise

Lesezeit: 8 Minuten

Die irischen Milcherzeuger kommen auch mit den derzeit niedrigen Preisen zurecht. Die besten fahren sogar noch Gewinne ein und wollen die Produktion weiter ausdehnen.


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Weniger Stickstoff streuen, teures Futter aus der Ration schmeißen, Investitionen zurückstellen – in ganz Europa drücken Milcherzeuger die Produktionskosten nach unten.


Nur in Irland ist die Situation anders. Denn dort setzen die meisten Milchviehhalter schon seit Jahrzehnten auf die Low-Cost-Strategie (Niedrig-Kosten-Strategie). Das heißt, sie produzieren die Milch so günstig wie möglich – unabhängig von der Höhe des Milchpreises. Durch diese Produktionsweise schöpften viele in den Boom-Jahren 2007 und 2008 gute Gewinne ab. Und auch jetzt, im Krisen-Jahr 2009, kommen die Milcherzeuger noch relativ gut über die Runden.


Das bestätigt eine Auswertung der European Dairy Farmers (EDF), die Ende Juni auf dem EDF-Kongress in Cork (Irland) präsentiert wurde.


Darin wurden von 2006 bis 2008 elf irische EDF-Betriebe mit Milchviehhaltern aus anderen europäischen Ländern im Hinblick auf ihre langfristige Profitabilität verglichen. Auch wenn die Ergebnisse nicht repräsentativ sind, zeigen sie eine klare Tendenz: Irland erreicht innerhalb der Euro-Zone die niedrigsten Produktionskosten (Übers. 2). Zwar sind auch hier die Vollkosten (ohne Quotenkosten) der Milchproduktion von 24,8 Cent/kg ECM (Energie korrigierte Milch mit 4 % Fett und 3,4 % Eiweiß) auf 27,3 Cent/kg ECM angestiegen, andere Länder haben allerdings in der EDF-Analyse deutlich mehr zugelegt. Beispielsweise ist der Wert in Deutschland im gleichen Zeitraum von einem ähnlichen Niveau auf über 30 Cent/kg ECM angestiegen, in Belgien und den Niederlanden sogar auf etwa 33 Cent/kg ECM. „Der Abstand von Irland zu anderen Ländern hat in den drei Jahren zugenommen. Irland hat seine Wettbewerbsfähigkeit somit verbessert“, analysiert Steffi Wille vom Johann Heinrich von Thünen-Institut in Braunschweig, die die Auswertung betreut hat. Ihrer Meinung nach deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die irische Produktionsweise weniger anfällig für die Schwankungen auf dem Milchmarkt ist. Allerdings ist die derzeitige Marktsituation in der Auswertung noch nicht berücksichtigt.


Kühe auf Gras getrimmt


Doch was ist das Geheimnis der irischen Milcherzeuger? Warum geraten sie bei aktuellen Grundpreisen zwischen 18 und 23 Cent weniger stark ins Strudeln als ihre europäischen Nachbarn?


Die 19 000 Milcherzeuger mit insgesamt 1,12 Mio. Kühen (Ø 58 Kühe) haben ihre Produktionsweise optimal den natürlichen Gegebenheiten angepasst.


In Irland, das etwa so groß wie Bayern ist, herrscht gemäßigtes Hochseeklima. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt je nach Region zwischen 8 und 11 ºC, im Schnitt fällt zwischen 800 und 1 200 l Niederschlag pro m2. Die Winter sind mild mit nur wenigen oder gar keinen Frosttagen. Irland bietet somit ideale Wachstumsbedingungen für das Grünland.


Deshalb haben die Landwirte ihre Kühe vollkommen auf Gras getrimmt. Von den 5 Mio. ha landwirtschaftliche Nutzfläche wird ein Großteil als Wiesen genutzt. Sogar der Laktationszyklus ist dem Vegetationsverlauf angepasst. So wird etwa die Hälfte der insgesamt 5,1 Mio. t Milch von Mai bis August produziert, also dann, wenn das Graswachstum am größten ist. Dazu setzen die meisten Milcherzeuger auf Blockabkalbung im Frühjahr. Der Abkalbezeitraum beginnt dabei Ende Januar und endet im Mai.


Die Weidesaison startet bereits Anfang Februar. Die Milchbauern lassen ihre Kühe großflächig auf allen Weiden grasen. Da der Aufwuchs sehr gering ist und somit die Futteraufnahme auf der Weide noch unter 10 kg Trockenmasse (TM) liegt, erhalten die Tiere zusätzlich eine Mischration, meist Gras- und Maissilage. Außerdem bekommen die Frischlaktierenden Kraftfutter, das in Irland fast ausschließlich im Melkstand verfüttert wird.


Mit zunehmendem Grasaufwuchs fahren die Milcherzeuger die Zufütterung der Silagen immer weiter zurück. Im April, wenn die Futteraufnahme auf der Weide bei etwa 16 bis 17 kg TM liegt, erhalten die Kühe auch kein Kraftfutter mehr. „Auf Basis der Energiebilanz kostet Weidefutter nur ein Drittel von Grassilage und ein Viertel von Kraftfutter. Außerdem entfallen die Kosten für die Futterbergung und -vorlage sowie für die Gülleausbringung“, begründet John Maher vom irischen Agrarforschungs-Institut Teagasc die Umstellung auf das Vollweidesystem. Höchstens bei extremen Trocken- oder Regenperioden wird noch Kraftfutter als Ergänzung gefüttert.


Intensive Weideführung


Um allerdings während der gesamten Weideperiode hohe Futteraufnahmen zu erreichen, ist ein optimales Weidemanagement erforderlich.


Dazu hat sich auf der „grünen Insel“ das Rotationssystem bewährt. Die Milcherzeuger haben ihre Weidefläche je nach Tierzahl in kleine Teilstücke (Paddocks) untergliedert. Diese werden nach und nach beweidet. „Wenn auf dem Paddock ca. 1 200 kg TM/ha stehen, sollten die Tiere aufgetrieben werden“, rät Brendan Horan vom Institut Teagasc. Nach etwa drei Tagen sollte die Fläche gewechselt und eine neue Fläche bestoßen werden. Anschließend könne die erste Fläche nochmals für einen Tag genutzt werden, falls noch Futter vorhanden sei.


Da im Frühjahr das Graswachstum am stärksten ist und die erforderlichen 1 200 kg TM/ha schnell überschritten sind, wird ein Teil der Flächen aus dem Weide-Rotationszyklus genommen, geschnitten und zur Winterfütterung siliert.


Hohe Düngeintensität


Damit der Rotationszyklus nicht ins Stocken gerät, sollten nach etwa 19 bis 21 Tagen die beweideten Flächen wieder den erforderlichen TM-Ertrag aufbringen. Da-zu ist eine hohe Düngeintensität nötig. „Wir streuen nach jeder Beweidung 25 bis 35 kg mineralischen Stickstoff (N) pro Hektrar. Bei acht bis zehn Rotationen sind das jährlich 220 bis 250 kg/ha“, berichtet Conor O’Leary, der in der Nähe von Cork einen Betrieb mit 117 Kühen führt. Inklusive organischem Dünger darf er bis zu 500 kg N/ha ausbringen.


Die Weidesaison endet im November. Die Weideperiode dauert somit zwischen 270 und 300 Tagen.


Während der Wintermonate erhalten die Kühe überwiegend Grassilage. Maissilage und Kraftfutter wird nicht verfüttert, da sich alle Kühe jetzt im letzten Laktationsdrittel befinden. Ein Teil der Milcherzeuger hat die Brunst der Herde sogar soweit synchronisiert, dass sie ab Mitte Dezember für vier bis sechs Wochen gar nicht melken.


Untergebracht sind die Kühe im Winter in einfachen, oft alten, abgeschriebenen Ställen. Die anfallende Gülle wird meist in Lagunen gelagert. Seit kurzem müssen die irischen Milcherzeuger allerdings eine Güllelagerung für 16 Wochen nachweisen. Einige Milcherzeuger investieren deshalb in neue Ställe plus Güllelagerung. Die staatliche Förderung dazu beträgt bis zu 50 %.


Mit Beginn der Abkalbeperiode starten die Landwirte auch wieder zu melken. Die Kälber kommen zum Teil schon während der Tränkephase auf die Weide. Im Alter von zehn bis zwölf Wochen werden sie komplett auf Gras umgestellt.


Vollkosten unter 30 Cent


Insbesondere durch die niedrigen Stallkosten und den hohen Weideanteil erreichen die irischen Milchbauern relativ niedrige Produktionskosten.


So lagen 2008 die Vollkosten für den Betriebszweig Milch (also inkl. Fleischproduktion usw.) auf Spitzenbetrieben unter 30 Cent/kg ECM! Im Schnitt aller irischen EDF-Betriebe betrugen sie 35,7 Cent/kg Milch. Zum Vergleich: Bei den 256 ausgewerteten EDF-Betrieben aus 18 Ländern lagen die durchschnittlichen Vollkosten für den Betriebszweig Milch im Jahr 2008 bei 42,6 Cent/kg ECM.


„Ohne die Low-Cost-Strategie würde ich bei den derzeitigen Milchpreisen schwarz sehen“, resümiert Milcherzeuger Michael Downing aus der Nähe von Cork. Derzeit erhält er einen Grundpreis von 20 Cent/l Milch. Aufgrund der guten Inhaltsstoffe, die in Irland seit diesem Jahr eine höhere Gewichtung beim Milchgeld haben, erhöht sich der Milchpreis aber auf etwa 23 Cent/l. „Damit fahren wir zwar keine Gewinne ein, können den Betrieb aber am laufen halten“, so sein Fazit.


Nachteil der Niedrig-Kosten-Strategie: Die durchschnittliche Milchleistung ist in Irland mit ca. 4 500 kg relativ gering. Auch die Flächenproduktivität ist noch verbesserungsfähig. Sie wird in kg Milchinhaltsstoffe (Fett und Eiweiß) pro Hektar berechnet und liegt derzeit bei etwa 660 kg pro ha, angestrebt werden 1 250 kg/ha.


Betriebe wollen wachsen


Doch darin wittern viele Milcherzeuger noch Potenzial und wollen die Milchproduktion weiter ausdehnen.


Eine Umfrage des Forschungsinstituts Teagasc im Jahr 2007 (hohe Milchpreise!) unter 2 300 Milcherzeugern hat ergeben, dass jeder zweite Betrieb expandieren will. „Zwar wollen auch etwa 10 % der befragten Betriebe die Produktion einstellen. Dennoch würde die produzierte Milchmenge um 15 % steigen“, erläutert Brendan Horan vom Forschungsinstitut. „Sollten alle Produktionsfaktoren bis zum Ultimo ausgereizt werden, könnte die Milchmenge bei den befragten Betrieben sogar um bis zu 70 % ansteigen!“


Da Fläche in Irland knapp und teuer ist, wollen viele Betriebe die Milchmenge über eine höhere Flächenproduktivität steigern. So auch Shane Fitzgerald, der in der Nähe von Fermoy derzeit auf 83 ha Land 122 Kühe hält und in zwei Jahren auf gleicher Fläche 180 Kühe melken will. „Durch ein intensiveres Weidemanagement will ich die Produktivität von 1 030 kg Milchinhaltstoffe pro Hektar auf 1 400 kg/ha steigern. Aufgrund der höheren Besatzstärke hoffe ich Dünger einzusparen. Gleichzeitig will ich den Kraftfutterverbrauch auf unter 250 kg pro Kuh und Jahr senken“, so seine Strategie.


Vermarktung verbessern


Allerdings stehen auch einige in der Branche dem Wachstumskurs der Milcherzeuger skeptisch gegenüber. Denn bisher gibt es noch kein Konzept zur Vermarktung der zusätzlichen Milch. „Wir exportieren bereits jetzt 82 % unserer Milch bzw. Milchprodukte. Doch im Vergleich zu anderen Exportnationen wie Neuseeland, Dänemark und Holland sind wir viel schlechter aufgestellt“, bemängeln Mike Magan und Micheal Murphy.


Sie kritisieren vor allem die aus ihrer Sicht schlechte Molkereistruktur: „Mit Fonterra, Arla oder FrieslandCampina haben die anderen Länder jeweils ein Flaggschiff. Bei uns tummeln sich aber noch etwa 20 Molkereien.“ Deshalb fordern sie Zusammenschlüsse. Zu den größten Molkereien zählen derzeit Kerry, Lakeland, Dairygold und Glanbia. Gleichzeitig müssten die Unternehmen aber auch die Wertschöpfung ihrer Produkte verbessern, um unabhängiger vom Butterpreis auf dem Weltmarkt zu werden. P. Liste

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