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„Lächle, Du bist von Kühen umgeben!“

Lesezeit: 6 Minuten

Indien ist der größte Milcherzeuger der Welt. Die Milchwirtschaft hat noch viel Potenzial, dennoch können sich auch deutsche Landwirte etwas davon abschauen. Ein Erfahrungsbericht.


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Mit dem Bus geht es über holprige Straßen vom klimatisierten Hotel hin zur Hetha Farm. Mit der Delegation vom Verband der Deutschen Milchwirtschaft sind wir unterwegs in der Umgebung Delhis in Indien. Während des Weltmilch-Gipfels schauen wir uns einen den Indern zufolge „innovativen Vorzeigebetrieb“ an.


Trotz des tropischen Klimas und der Hitze herrscht reges Treiben auf den Straßen. Kein Wunder, denn mit 1,4 Mrd. Menschen ist Indien nach China das einwohnerreichste Land der Welt. 431 Einwohner leben hier pro km². Das sind fast doppelt so viele Menschen wie in Deutschland auf gleicher Fläche. Indien gehört politisch und wirtschaftlich zu den globalen Hauptakteuren und zählt zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt.


Unser Busfahrer kann aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse und des chaotischen Verkehrs größtenteils nur im Schritttempo fahren. Auf den Verkehrsinseln liegen Kühe und kauen genüsslich wieder. Kleine, deutlich überladene Tuktuks fahren wie selbstverständlich im Gegenverkehr. Während sich in der Stadt die Strommasten unter der Last der Kabel biegen, reihen sich in der Straße zur Farm bunt geschmückte Hochzeitstempel aneinander. Das Ziel ist nur noch wenige Meter entfernt. Allerdings ist die Straße inzwischen so schmal, dass wir das letzte Stück zu Fuß gehen müssen.


1000 Kühe von Hand melken


Auf der Farm halten dünne Holzstäbe die Wellblechdächer, die den Kühen der Rasse Sahiwal Witterungsschutz bieten. Aseem Rawat ist Gründer der Hetha Farm und hat sich bewusst für die einheimische Rinderrasse entschieden: „Unsere einheimischen Rinderrassen sind sehr gut angepasst an unser Klima und produzieren die deutlich bekömmlichere A2-Milch. Damit können wir ein besonderes Produkt anbieten.“


In den Gebäuden fallen uns die unbenutzten Druckluftleitungen auf, die unter der Decke hängen: „Technischer Fortschritt ist hier schwer umzusetzen“, erklärt der 35-Jährige. „Weil die Arbeiter fürchten, ihre Arbeitsplätze zu verlieren, haben sie mehrmals die neu gekaufte Melkmaschine zerstört.“ Deshalb melken die rund 80 Angestellten der Farm die Kühe von Hand. Die Milchleistung liegt bei etwa 10 kg Milch/Kuh und Tag. Die Hälfte davon bekommen die Kälber, den Rest liefern Mitarbeiter in isolierten Boxen mit farmeigenen Motorrädern direkt an Kunden aus.


Kühe sind heilig


Die ökologisch wirtschaftende Vereinigung Hetha teilt sich in drei Standorte auf und beherbergt insgesamt rund 1000 Kühe. Sie sind auf die verschiedenen Betriebe verteilt. Den Dung der Tiere nutzt die Farm als Dünger für die Futterproduktion. Die Organisation kommt ohne Spenden aus, obwohl nach eigenen Angaben auch männliche Kälber und Altkühe bis zu ihrem natürlichen Ende in gleicher Weise versorgt werden wie die Milchkühe. Der Grund dafür ist der Hinduismus, Indiens Religion mit der größten Anhängerschaft. Demnach sind Kühe heilig und dürfen weder getötet noch gegessen werden.


Die Folge: Indien hat mehr als 5 Mio. Straßenkühe. Das war für Aseem Rawat mit ein Auslöser, die Farm zu gründen. Ihm taten die im Müll lebenden und den Müll fressenden Kühe leid. Auf der Hetha Farm stehen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit: Es sind bspw. Schilder an den Ställen angebracht mit Aufschriften wie „Lächle, du bist von Kühen umgeben!“ oder „Kühe haben immer Vorfahrt!“.


„Zusätzlich zu Bio-A2-Milch und weiteren Milchprodukten stellen wir auch sogenannte Panchgavya-Produkte her“, erklärt uns ein Mitarbeiter. Sie finden in der, in Indien hoch anerkannten, Aryuveda-Medizin Verwendung und werden über einen Online-Shop auch im Ausland vertrieben. Aber nicht nur das ist ein Geschäftszweig: Auch den Kot und Harn der Kühe verarbeiten die Mitarbeiter auf der Farm weiter zu Dünger, kleinen Skulpturen oder zu „Immunboostern“.


Hetha wurde als „Start Up des Jahres 2022“ für die Schaffung eines Modellunternehmens mit einheimischen Rinderrassen im Rahmen des von der indischen Lebensmittel- und Landwirtschaftskammer (ICFA) organisierten India Animal Health Summit ausgezeichnet. Für den Erhalt und die Vermehrung einheimischer Kuhrassen und den respektvollen Umgang mit den Rindern erhielt das Unternehmen weitere indische Preise.


Zahlen, Daten, Fakten


Eine Herdengröße von 1000 Kühen gilt in Indien als Ausnahme. Und das, obwohl das Land mit rund 210 Mio. t Milch und 23% der weltweiten Produktion der größte Milcherzeuger der Welt ist. Zum Vergleich: 32 Mio. t Milch erzeugten die deutschen Landwirte im Jahr 2021.


Die Milchwirtschaft ist für rund 80 Mio. indische Haushalte die Haupteinkommensquelle. Die Milchleistung liegt bei 8 bis 10 l/Tier und Tag. Aktuell wächst die Milchproduktion jährlich um 3,3%. Den Großteil der Milch konsumieren die Haushalte selbst oder vertränken diese an die Kälber. So liefern die Erzeuger durchschnittlich 2-3 l Milch bei den örtlichen Milchsammelstellen der Molkereien ab. Mit Analysegeräten wird der Fettgehalt bestimmt. Das Milchgeld bekommen sie direkt vor Ort. Die in Indien erzeugte Milch bleibt komplett im heimischen Markt und geht nicht in den Export.


Die Molkereien in Indien sind vorwiegend genossenschaftlich organisiert. Die größte Molkerei namens Amul bündelt 3,6 Mio. Erzeuger. Täglich liefern sie 27 Mio. kg Milch an. Zum Vergleich: Das Deutsche Milchkontor, also Deutschlands größte Molkerei, hat 5200 Milchproduzenten.


Auch der Milchkonsum ist weltweit in keinem anderen Land höher als in Indien und steigt jedes Jahr um weitere 5%. Trotz des langsam wachsenden Wohlstands und einer immer selbstbewussteren Mittelschicht ist ein großer Teil der indischen Bevölkerung unzureichend ernährt. Dabei hat das Land weniger ein Hunger- als vielmehr ein Verteilungsproblem. Indien hat den heimischen Milchmarkt mit hohen Zöllen geschützt und steht gleichzeitig immer noch vor der Herausforderung, die Bevölkerung mit ausreichend Quantität und Qualität an Milchprodukten zu versorgen. Ende 2012 lockerte die Regierung die Regelungen für ausländische Direktinvestitionen im Lebensmittelhandel. Bisher hat kein größeres ausländisches Unternehmen investiert. Die indische Regierung verhandelt darüber hinaus mit der EU über ein Freihandelsabkommen – regelmäßig begleitet von riesigen Bauerndemonstrationen der ansässigen Landwirte.


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kirsten.gierse-westermeier@topagrar.com

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