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Melkkarusselle für kleinere Betriebe?

Lesezeit: 11 Minuten

Süddeutsche Familienbetriebe entscheiden sich häufig für ein Innenmelker-Karussell. Was sollten Neu­einsteiger beachten? Praktiker und Berater geben Tipps.


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Stressfrei in kurzer Zeit viele Kühe melken – und das mit nur einer Person. Das war das Ansinnen der drei Milchbauern Nicolai Fischer, Martin Schwab und Aaron Albinger aus Süddeutschland. „Bei uns im erweiterten Familienbetrieb ist Arbeitszeit der knappste Faktor. Und mit dem Karussell lassen sich ohne Abstriche bei der Melkarbeit mit nur einer Person hohe Durchsätze erzielen“, erklärt Nicolai Fischer aus Pfullendorf. „Die Wege sind kürzer als im Gruppenmelkstand und die Tiere und wir haben weniger Stress“, ergänzt Aaron Albinger aus Biberach.


Drei Praktiker berichten:

Alle drei Jungbauern haben deshalb vor zwei bis drei Jahren im Zuge einer Herdenaufstockung und eines Stallneubaus in ein Innenmelker-Karussell investiert. Jetzt melken sie darin mit Familienmitgliedern und Mitarbeitern zwischen 190 und 200 Kü­he. Die Anlagen verfügen über 24 bis 31 Plätze. Außenmelker-Karusselle machen erst ab 32 Plätzen Sinn und erfordern eine zweite Melkkraft.


Wie sind ihre Erfahrungen? Was ist im täglichen Melkprozess von Vorteil und was nervt immer wieder? Was bietet die Technik und worauf sollten Neueinsteiger achten?


Das wollten wir zusammen mit Mathias Harsch vom Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf (LAZBW) von den Milch­erzeugern wissen und haben einmal mitgemolken. Bei den drei Anlagen handelt sich zwar um drei unterschiedliche Fabrikate – nämlich Boumatic, Fullwood und Gea. Die Vor- und Nachteile der Modelle spielen jedoch nur am Rande eine Rolle.


Hoher Durchsatz:

In der Regel melken die Betriebe circa 100 Kühe in der Stunde – mit einem Melker inklusive Vormelken, Euterreinigung und Dippen. Nicolai Fischer erreicht zwischen 110 bis 120 Kühe pro Stunde, weil zeitweise zu zweit gemolken wird. Er legt Wert auf eine einfache Melkroutine: Jeder soll einspringen können. Nach den Abkalbern melkt er die Frischmelker und Hochleistenden als eine Gruppe: „Das spart Zeit.“ Die Tiere werden ­anschließend mit einer 3-Wege-Selektion sortiert. Bei Aaron Albinger stehen nur bei den Kannenkühen zwei Personen im Karussell, sonst reicht eine. Bei Martin Schwab beträgt die reine Melkzeit für die 200 Tiere knapp eineinhalb Stunden. „Die erste Gruppe der Hochlaktierenden mit 100 Tieren melkt eine Person alleine, bei der zweiten Gruppe sind wir zu zweit, erhöhen dann allerdings die Karussellgeschwindigkeit. Schwab gibt zu: „31 Melkplätze sind für eine Person schon eine Herausforderung. Besser läuft zu zweit.“ Für die Vorbereitung benötigen die drei zwischen fünf und zehn Minuten.


Schneller Ein- und Austrieb:

Zentral für einen flüssigen, aber trotzdem ruhigen Ablauf sind der Ein- und Austrieb. Das betonen die drei Praktiker. Beide Bereiche sollten ausreichend breit und hell sein sowie den Tieren einen geraden Weg ermöglichen. Die Hersteller bieten Eintriebs-Varianten mit (z. B. Boumatic) oder ohne Tor an (z. B. Gea). In beiden Fällen sollten die Tiere ohne Stopp die Plattform betreten können. Durch bewegliche Platzteiler oder mithilfe eines Rades (Gea), werden sie auf ihren Platz gedrückt. Ob die Tiere links- oder rechtsherum fahren, sei Gewöhnungssache und hat meist bauliche Gründe.


Die Tiere sollten bereits am letzten Melkplatz in Austriebsrichtung stehen, sodass sie nach Abzug des Melkzeuges geradeaus loslaufen können. Problematisch ist, wenn sie sich, wie bei der Fullwood-Anlage von Albinger, erst umständlich aus dem Fixierbügel am Lockfuttertrog ausfädeln müssen: „Das kann bei sehr großen oder jungen Kühen dauern.“ Bei seiner Anlage hängt auf der Plattform zwischen Ein- und Austrieb ein schmaler Kunststoffvorhang. Er soll die Tiere dazu bringen, sich zum Austrieb zu orientieren. In der Praxis gelingt das vor allem bei neugierigen Jungkühen nicht immer. Nicolai Fischer hat zwischen Ein- und Austrieb eine mannshohe Wand installiert, sodass die Tiere auf beiden Seiten keinen Blickkontakt haben: „So geht es zügiger und ruhiger.“ Eine solche Trennung ist auch im weiteren Rücktrieb entlang des Vorwartebereiches sinnvoll.


Bewegliche Platzteiler:

Einen beweglichen Platzteiler zwischen den Melkplätzen halten die Betriebsleiter für unverzichtbar – auch wenn das Anlernen von Färsen dadurch länger dauern mag. Die Kühe stehen ruhig an ihrem Platz und es gibt weniger Gerangel und Stress.


Aaron Albinger sieht es aus diesen Gründen heute als Fehler an, darauf verzichtet zu haben: „So geht die erste Kuh in der Anlage weiter nach vorne durch und es dauert etwas bis sie an ihrem Platz steht.“ Auf der anderen Seite sieht er dabei den Vorteil, dass er bei einem Stromausfall alle Tiere einfach herauslassen kann.


Anlernen und Lockfutter:

In den Betrieben dauerte es drei bis vier Monate, bis sich die Herden an das Karussell gewöhnt hatten. Bewährt habe sich, wenn möglich, die Kalbinnen zum Anlernen schon einige Zeit vor der Kalbung ins Karussell zu holen. Bei Aaron Albinger laufen sie deshalb drei Wochen vorher mit. Bei Schwab waren die Kühe zu Anfang ängstlich und zögerlich, weil das frei stehende Karussell 1 m über dem Boden steht. Jungkühen geht es heute noch so.


Beim Thema Lockfutter gehen die Meinungen auseinander. Während Al-binger bei seinen Brown-Swiss-Kühen darauf schwört und kaum eine Kuh reintreiben muss, sieht Nicolai Fischer dafür keine Notwendigkeit: „Das verursacht zu viel Staub. Außerdem kommen die Kühe auch so.“ Martin Schwab hat ebenfalls auf Lockfutter verzichtet, um Stress zu vermeiden.


Separater Personalgang:

Fast genauso wichtig wie ein schneller Ein- und Austrieb ist ein zügiger, gefahrloser Zugang des Personals ins Karussell und wieder hinaus, z. B. zum Nachtreiben der Kühe. Sowohl Fischer als auch Albinger haben einen separaten Personalgang angelegt. In das Karussell selbst gelangen sie über eine kleine Treppe. „Der Personalgang sollte aber nicht zu kurz sein und idealerweise im Vorwartebereich weitergehen“, rät Albinger. Er bereut, ihn nur auf 2 m Länge angelegt zu haben. Seiner endet bereits vor dem Vorwartehof. Bei Fischer ist der Ausgang an jedem zweiten Melkplatz möglich, bei Albinger an jedem Platz. Schwab hat sein Karussell für den Personalgang untertunnelt. Die ursprünglich vier Übergänge auf der Plattform nutzt er für Melkplätze. „Wir müssen beim Melken meist auch nicht raus. Zudem ist der Tunnel für ältere Mitarbeiter komfortabler als die Kletterei über die Plattform.“


Wie in jedem Gruppenmelkstand zeigt es sich auch im Karussell, dass es von entscheidender Bedeutung ist, den Kühen beizubringen, aus eigenem Antrieb den Melkplatz aufzusuchen: „Sobald man mit dem Treiben anfängt, warten immer mehr Kühe darauf, dass der Melker sie reintreibt“, erklärt Mathias Harsch.


Komfortable Standflächen:

Im Betrieb Fischer stehen die Kühe auf einer speziellen ­Epoxidharzbeschichtung. Albinger und Schwab haben Gummimatten installiert. Das ist komfortabel und senkt den Lärmpegel. Ganz zufrieden sind sie damit aber nicht, weil sich darunter schnell Schmutz ansammelt: „Hier haben wir deutlich mehr Aufwand als erwartet“, sagt Aaron Albinger.


Auf den weichen Boden aus Kunststoffrosten am Standplatz des Melkers wollen die drei Praktiker nicht mehr verzichten. Alle drei haben sich dabei sogar eine Hubfunktion geleistet. „Ob diese aber nötig ist, sollte man vorher sorgfältig prüfen“, sagt Al­binger. „Wir brauchen sie im Alltag kaum, da unsere Melker ungefähr gleich groß sind.“


Gute Euterhygiene:

Keiner der drei Praktiker hat eine Zwischendesinfektion installiert. Als Hauptgründe geben sie die aktuell gute Eutergesundheit sowie die hohen Kosten an. „Außerdem geht eine Zwischendesinfektion zulasten der Melkplatz-Anzahl und des Durchsatzes“, ergänzt Nicolai Fischer.


Berater Mathias Harsch hält eine Zwischendesinfektion bei den genannten Herdengrößen allerdings für unverzichtbar: „Eine Zwischendesinfektion ist eine Art Versicherung. Der Infektionsdruck wird deutlich reduziert und einer Übertragung von Erregern kann wirksam vorgebeugt werden.“ Auch wenn sie nicht immer in Betrieb sein müsse, man könne zeitnah reagieren, wenn sich Probleme ankündigen.


Aus dem gleichen Grund sollte man auf jeden Fall die Euter, unabhängig vom Verschmutzungsgrad reinigen, eventuell sogar mit einem desinfizierenden Pflegeschaum. Zudem ist zur Vorbeugung auf die Einhaltung einer Melk­reihenfolge zu achten, d. h., kranke Kühe sowie frisch abgekalbte Kühe sind, wenn möglich, erst am Ende zu melken. Harsch: „Auch wenn dann das Kälbertränken warten muss.“


Aus hygienischer und arbeitswirtschaftlicher Sicht zu empfehlen, ist ein separates Melkzeug für die Kannenkühe, sodass man die Milchschläuche nicht immer wieder aufwendig umstöpseln muss. Fischer hält für diese Kühe sogar drei Melkzeuge mit eigenen Spülaufnahmen vor. Praktisch findet Aaron Albinger bei seiner Kuhzahl auch den Doppelfilter, den er auch beim Melken wechseln kann.


Während Fischer auf das Dippen von Hand setzt, hat Schwab eine automatische Dippanlage im Rücktrieb installiert: „Sie spart Zeit, bedeutet aber einen höheren Verbrauch als beim manuellen Dippen“, sagt Schwab. Die Trefferquote schätzt er auf 80 bis 90 %.


Aufgeräumter Melkplatz:

Im Melkalltag kommt es auch auf einen aufgeräumten Melkplatz mit wenig störenden Schläuchen oder sonstiger Technik an. Aaron Albinger gefällt, dass die Elektronik kompakt in einem Holmkasten über dem Melker untergebracht ist und nicht unter der Plattform. Eine saubere Lösung ist zudem, wenn die langen Milchschläuche über einen Stutzen durch die Plattform nach oben geführt werden (z. B. Gea, Boumatic): „So hängen sie uns beim Ansetzen nicht im Weg herum“, freut sich Martin Schwab. Eine zu hohe Grubenkante ist eher von Nachteil, auch wenn sie Schmutz auf den Standflächen zurückhält. Mit einer ebenen Sägezahnkante dagegen (z. B. Boumatic, Happel) kommt man selbst bei kleiner Körpergröße sehr nah an das Tier heran.


Eine direkte Beleuchtung der Melkplätze (z. B. Fullwood) leistet nicht nur bei der Beurteilung des Vorgemelks zu jeder Jahreszeit gute Dienste.


Bei den Spülaufnahmen haben die meisten Hersteller inzwischen praktische Lösungen, die den Ablauf nicht stören. So verschwinden sie beim Melken z. B. in einer Schublade (z. B. Boumatic) oder hängen über dem Kopf des Melkers (z. B. Happel). Bei Fullwood ragen sie ­allerdings noch in den Arbeitsbereich und kosten daher mehr Wegezeit.


Einfache Anlagen-Reinigung:

Für die Praktiker zählt auch, wie leicht sich die Anlage reinigen lässt. So ist von Vorteil, wenn die Plattform-Unterseite entweder komplett geschlossen ist (z. B. bei Dairymaster) oder komplett nach außen ­offen ist, wie beim Gea-Karussell von Nicolai Fischer: „Das spritzen wir schnell unten durch.“ Mit großvolumigen Schläuchen und hohem Druck reinigen die Profis die Anlagen innerhalb von ca. 20 Minuten. Eine gründliche Reinigung mit dem Hochdruckreiniger erfolgt etwa alle zwei Monate.


Eine „automatische“ Standflächenreinigung hat nur Albinger installiert. Dabei handelt es sich um eine Eigenbaulösung bestehend aus einer Spritzpistole zwischen Ein- und Austrieb.


Leichtes Ansetzen:

Die automatische Vakuumfreigabe beim Anheben des Melkzeuges schätzen die Jungbauern sehr – auch wenn sie wie bei Fischer eher zu den störanfälligeren Dingen zu gehören scheint. Einen Po­sitio­nierungs­arm halten er und Albinger bei ihrer 30°-Fischgräte für hilfreich, um zu gewährleisten, dass alle Viertel gleichmäßig und vollständig leer werden. Schwab benötigt dagegen keinen, weil er das Melkzeug bei seiner steilen Fischgräte von hinten ansetzt. Ein Kotblech ist hier allerdings unverzichtbar.


Nicolai Fischer hat sich für ein Vierwegemelkzeug entschieden, das die Milch aus den vier Vierteln getrennt ableitet. „Das schont die Milch. Außerdem lassen sich die Schläuche leichter wechseln als früher.“


Die Luft­zufuhr wird automatisch abgeklemmt, sodass es beim Ansetzen nicht zischt. In seiner Milchleitung ist zudem ein Sichtglas installiert: „Dadurch sehe ich Vakuumschwankungen schneller.“


Bei den Milchschläuchen zeigt sich ein Trend zu Si­licon, auch wenn die Haltbarkeit oft nicht so gut ist wie von den Herstellern versprochen. Die Zitzengummis sind dagegen vorwiegend aus Gummi.


Etwas Automatik:

Eine automatische Vorstimulation, Milchmengenmessung sowie Abnahmeautomatik sind Standard. Nachmelkautomatik dagegen nicht, denn langsam melkende Kühe möchten die Profis im Karussell möglichst gar nicht haben.


Bei Fischers fahren langsam melkende eine weitere Runde mit. Allerdings muss dafür das Melkzeug kurz abgenommen werden, sonst fährt das Karussell nicht weiter. Praktisch ist wie im Betrieb Albinger eine Melk-End­überwachung, sodass die Anlage automatisch anhält, wenn ein Tier am Austrieb noch nicht leer ist.


Simple Steuerung:

Wer von dem Karussell aus auf sein Herdenmanagement-Programm zugreifen will, kann sich das installieren lassen. Die Daten sind an einem Touchscreen abrufbar. Einzelne Firmen bieten eine Sprachfunktion an, die z. B. über Tiere mit höherer Aktivität informiert (z. B. Gea).


Den drei Landwirten reicht ein einfaches Steuergerät mit den wichtigsten Funktionen für den Melk­ablauf. Das Gleiche gilt für die Displays am Melkplatz. Schlanke Lösungen sind gefragt: „Nur so sind hohe Durchsätze möglich“, sagt Biolandwirt Albinger.


Wenig Störungen:

Als Schwachpunkt nennen die Praktiker übereinstimmend die Tiererkennung: „Pro Melkzeit werden zwei bis vier Tiere nicht richtig erkannt“, sagt Aaron Albinger.


Bei seinem Fullwood-Karussell zeigten sich auch die IMA-Geräte, die Fett, Eiweiß, Lactose und Leitfä-h­igkeit in der Milch messen, als empfindlich. „Ein paar mussten deshalb bereits ausgetauscht werden.“ Nicolai Fischer führt neben der automa­tischen Vakuumfreigabe auch den Touchscreen als Schwachpunkt seiner Anlage an.


Silvia Lehnert

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