Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Start der Ernte 2024 Agrarpaket der Bundesregierung Pauschalierung

Aus dem Heft

Melkroboter - praxisreif, aber noch zu teuer

Lesezeit: 8 Minuten

Roboter leisten mittlerweile gute Melkarbeit, doch die Euphorie der Gründerjahre ist verflogen. Die Wachstumsraten sind bescheiden. Aktuell melken in Deutschland nur ca. 280 Betriebe mit dem Roboter. Das sind hauptsächlich Familienbetriebe mit ca. 60 bis 120 Kühen. Meist werden diese Höfe nur von einer Person bewirtschaftet. Auch in Holland hat sich der Markt beruhigt. Während sich dort noch vor ein paar Jahren etwa 50 % der Landwirte, die investieren wollten, für einen Robotor entschieden, gehen neue Schätzungen von 25 % aus. Manche Stimmen behaupten sogar nur 5 %. In Dänemark und Schweden erreichten die Melkroboter zeitweise einen Marktanteil von 65 % aller Neuinvestitionen. Pioniere zahlten Lehrgeld Die Pioniere des Automatischen Melkens (AMS) haben viel Lehrgeld bezahlt. Technische Probleme und die Unerfahrenheit im Umgang, haben die Euphorie bei der Markteinführung schnell gedämpft. Besonders negative Beispiele sorgten dafür, dass ganze Landstriche roboterfrei geblieben sind. Vor allem Roboter mit Mehrboxensystem haben den Ruf des Automatischen Melkens schwer beschädigt. Viele wurden schnell wieder ausgebaut, weil es massive Probleme mit dem Kuhverkehr gab, sodass die Melkfrequenz und die Auslastung der Anlagen unbefriedigend blieben. Die Einboxen-Systeme haben sich inzwischen am Markt durchgesetzt, aber auch hier gibt es Beispiele, die zum Scheitern der Anlagen geführt haben. In den meisten Fällen kamen mehrere Gründe zusammen: ? Mit dem bestehenden Stallkonzept konnte kein reibungsloser Kuhverkehr zwischen Futtertisch und Roboter gewährleistet werden. ? Der Roboter gibt durch seine Durchsatzleistung Wachstumsschritte von etwa 60 Kühen vor. Für viele war das zu hoch. ? Fütterung, Tierkontrolle, Behandlungen: alle Maßnahmen müssen auf das Melken im Roboter abgestimmt werden. Für viele Landwirte kam diese Einsicht zu spät, auch weil sie sich nicht ausreichend beraten ließen. Einige fühlten sich mit der Technik allein gelassen. ? Leistungsrückgang, Zellzahlschwankungen und Euterprobleme im Bestand verursachten große Verluste. ? Die ständige Rufbereitschaft war für manche auf Dauer nicht zu verkraften. Technisch ausgereift Von größeren technischen Problemen hört man mittlerweile kaum noch etwas. Sowohl die Betriebs- als auch die Ansetzsicherheit sind hoch und die Euterformen machen kaum noch Probleme, erklärt Ludger Feldhaus aus Grafeld, der seit 1998 mit dem Roboter (Lely) melkt und inzwischen die zweite Box installiert hat. Wichtig sei, das System zu Anfang richtig zu programmieren und die Kühe gut anzutrainieren. Die meisten Betriebe, die schon länger automatisch melken, halten die Technik inzwischen für ausgereift und zuverlässig. Nicht selten steht in diesen Betrieben bereits die zweite oder dritte Anlage. Daher ändern die Hersteller an ihren Grundkonzepten kaum noch etwas, sondern verbessern lediglich Details. Obwohl der Absatz unbefriedigend ist, forschen die Firmen weiter. Wir arbeiten an Detailverbesserungen, die später auch für die konventionelle Melktechnik genutzt werden sollen, erklärt Friedhelm Lemmer von Lemmer Fullwood. Gefeilt wird beispielsweise noch an der Software zum schnelleren Ansetzen der Melkzeuge, an der Hygiene der Milchgewinnung, der Milchqualitätsüberwachung und vor allem an Möglichkeiten, die Betriebskosten, z. B. den Energieverbrauch zu senken. Einige Firmen bieten jetzt frequenzgesteuerte Vakuumpumpen an, die weniger Energie verbrauchen. Auch den Wasserverbrauch und andere Umweltaspekte haben die Firmen im Focus. Dem Kuhkomfort wird ebenso stärker Rechnung getragen, in dem zum Beispiel auf den Standflächen Gummimatten installiert werden. Nicht zuletzt rückt auch die soziale Komponente mehr ins Blickfeld der Hersteller: Um die psychische Belastung durch die ständige Rufbereitschaft zu senken, ist z. B. bei einigen Modellen möglich, sich nur diejenigen Meldungen direkt übermitteln zu lassen, die zum Stillstand des Systems führen. Was muss noch verbessert werden? Aus Praktiker- und Beratersicht sind folgende Punkte noch verbesserungswürdig: ? Der größte Knackpunkt ist bei allen Fabrikaten die zu geringe Durchsatzleistung, die mitunter durch zu lange Ansetzvorgänge (z. B. DeLaval) und unnötige Leerzeiten verursacht wird. Nach einer niederländischen Untersuchung dauert die Umlaufreinigung bei den Robotern von DeLaval und GM ganze 40 Minuten! Die Heißwasser- (Lely) und die Kochendwasserreinigung der übrigen Fabrikate stellt den Roboter für 15 bis 20 Minuten still. ? Sehr schmutzige Euter werden bei allen Systemen noch unzureichend gereinigt. ? Über Kreuz stehende Zitzen werden bei allen Fabrikaten nur schwer gefunden. ? Unzureichend gelöst, ist bei allen Systemen die Überwachung der Eutergesundheit und der Milchqualität. Die Leitfähigkeitsmessung allein ist nicht aussagekräftig genug, erklärt Dr. Wilfried Wolter vom Eutergesundheitsdienst Hessen. Das MQC-System (Milk Quality Control) der Firma Lely, das Farbveränderungen in der Milch wahrnimmt, ist ein erster Schritt für eine effektivere Überwachung. Ob sich die Investition von 7500 E aber lohnt, ist umstritten. ? Die Treffgenauigkeit der Dippmitteldüsen ist noch unzureichend. Der Euterboden wird meist mehr desinfiziert als die Zitzen selbst. Der Verbrauch an Dippmittel wird so unverhältnismäßig hoch. ? Alle AMS liefern umfangreiche Daten zur Tiergesundheit und Milchqualität. Doch für einen schnellen Überblick wäre wünschenswert, die Rohdaten noch besser miteinander zu verrechnen. ? Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, ob gelenkter oder freier Kuhverkehr die bessere Auslastung des Systems gewährleistet. Ein guter Kompromiss scheinen die so genannten intelligenten Selektionstore zu sein. Sie ermöglichen nicht melkberechtigten Kühen trotzdem den Zugang zum Futtertisch. Auch ein Warteraum vor dem Roboter hat sich bewährt. ? Die Firmen können einen flächendeckenden Service nur in Regionen sicherstellen, wo die Roboterdichte hoch ist. Ein Techniker ist erst bei etwa 25 Anlagen rentabel. In anderen Gebieten müssen die Landwirte bei Störungen oft zwei bis drei Stunden warten. Vor allem bei Lely, Insentec und GM ist die Infrastruktur des Service noch ungenügend. 2 bis 3 Cent höhere Kosten Viele Betriebe lassen sich durch die höheren Kosten vom Kauf eines Roboters abschrecken: Automatisches Melken ist bezogen auf unsere Produktionsverhältnisse im Schnitt rund 2 bis 3 Ct pro kg Milch teurer als konventionelles Melken, erklärt Klaus Wagner, Betriebswirtschaftler am Bildungszentrum Eichhof in Bad Hersfeld, wo seit März 2003 mit einem Lely- Astronaut gemolken wird. Unter Einbezug der Abschreibung, der Unterhaltskosten, der Zinsen, Einhausung und der Versicherung kommt Wagner auf Jahreskosten von 19 bis 21% des Anschaffungspreises, also rund 28 000 E bei einer angenommenen Nutzungsdauer des Roboters von zehn Jahren. Demgegenüber kommt man bei einem vergleichbaren Fischgrätenmelkstand auf rund 12 000 E Jahreskosten. Allerdings muss hier zusätzlich noch ein Herdenmanagementprogramm angeschafft werden, das beim Roboter in der Regel bereits integriert ist. Roboter sind Energiefresser Die Kosten für Energie und Wasser sind trotz Verbesserungen immer noch deutlich höher als beim konventionellen Melken. Der Energieverbrauch der Anlagen liegt zwischen 0,21 kWh (Lely) bis 0,55 kWh pro Melkung (Insentec). Konventionelle Melkstände brauchen etwa zwischen 0,25 bis 0,28 kWh/Melkung. Bei Wasser reicht der Verbrauch von 1,77 l (Insentec) bis 8,40 l (Fullwood) pro Melkung (siehe Übersicht Seite R 24). Insgesamt habe ich mit meinem Astronauten, der schon etwas älter ist, einen durchschnittlichen Verbrauch von 25 000 kWh und 292 000 Liter Wasser für eine Einboxenanlage für 60 Kühe im Jahr, erklärt Ludger Feldhaus. Demgegenüber wird im 2 x 6er FGM für 60 Kühe pro Jahr 12000 kWh und 140 000 l Wasser verbraucht, wenn die Kühe zweimal pro Tag gemolken werden. Die laufenden Betriebskosten hängen entscheidend davon ab, welchen Wartungsvertrag der Landwirt mit der Herstellerfirma vereinbart hat. Denn die meisten Firmen bieten Stufenverträge an, die vom bloßen Einsatz bei etwaigen Störfällen bis zum Komplettservice, der meist Ersatzteile beinhaltet, reichen. Viele Kleinteile im Roboter verschleißen recht schnell und die Ersatzteile sind teuer, meint Franz-Wilhelm Peters aus Bislich-Wesel, der seit fünf Jahren eine Lely-Einboxanlage in Betrieb hat. Hinzu kommen die Anfahrtskosten für den Servicetechniker. Der Nachtzuschlag wird extra berechnet. Die jährlichen Kosten für solche Wartungsverträge bewegen sich zwischen 2 500 E und 7 000 E. Im 2 x 6er Fischgrätenmelkstand müssen für Wartung und Reparatur pro Jahr rund 3 500 E veranschlagt werden. Die Wirtschaftlichkeit des Roboters hängt ab von der Auslastung der Anlage, der Zeiteinsparung und um welchen Betrag die Milchleistung durch das häufigere Melken gesteigert wird. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht müssen pro Jahr mit einer Einboxenanlage mindestens 600 000 kg Milch ermolken werden, damit sich die Investition lohnen kann. Dazu ist eine hohe Melkfrequenz erforderlich. Leider hat sich in Versuchsbetrieben gezeigt, dass die Anlagen nicht die Kuhzahl bewältigen, die von den Herstellern angegeben wird, gibt Dr. Eckhard Boll von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein zu bedenken, der den Roboter im Versuchsbetrieb Futterkamp betreut hat. Die meisten Betriebe können zwischen 30 bis 40 % der ursprünglichen Melkzeit einsparen. Die Milchleistung kann durch das häufigere Melken meist um ca. 10 % gesteigert werden. Wann rechnet sich ein Roboter? Eine Praxisuntersuchung aus dem niederländischen Wageningen kommt zu dem Ergebnis, dass der Roboter nicht unbedingt teurer ist als ein konventionelles Melksystem, wenn ? die Milchleistung um mindestens 10% gesteigert werden kann und damit weniger Kühe gehalten werden müssen, ? pro Tag 1,5 h Arbeitszeit eingespart und diese Zeit im Betrieb Gewinn bringend eingesetzt werden kann, ? das System ohne viel Aufwand in den bestehenden Stall integriert werden kann. Fazit Melkroboter haben inzwischen eine hohe Betriebssicherheit erreicht. Nur wenn die Milchleistung deutlich gesteigert und genug Arbeitszeit für andere Arbeit frei wird, kann das automatische Melken wirtschaftlich sein. Ein Melkroboter kommt vor allem für Familienbetriebe mit mehreren Produktionszweigen in Frage, da Fremd-Arbeitskräfte schwer zu finden und zudem kaum bezahlbar sind. Größere Betriebe ab 120 Kühen werden auch in Zukunft eher Melkstände bevorzugen, in denen mit Lohnarbeitskräften ein hoher Durchsatz möglich ist. S. Lehnert

Die Redaktion empfiehlt

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.