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Mit Frischgras die Kosten senken?

Lesezeit: 7 Minuten

Wegen der niedrigen Milchpreise müssen viele Betriebe die Futterkosten senken. Die Agrar-GbR Wittbrietzen in ­Brandenburg setzt daher im Sommer auf ­Frischgras. Es berichtet Dr. Olaf Steinhöfel.


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Mehr Maissilage in die Ration, mehr Milch. Diese Rechnung ging bei der Agrar-GbR Wittbrietzen in Brandenburg jahrelang auf. Mit rund 10 500 kg Milch pro Kuh und Jahr konnte der Betrieb so stets einen der Spitzenplätze in der LKV-Milchleistungs­tabelle belegen. „Wir haben ganzjährig Silage gefüttert, das war effizient und die Futterqualität war immer gleichbleibend“, berichten die beiden Betriebsleiter Jörg Schmidt und Jürgen Frenzel. Ein Weg, den die Mehrzahl der deutschen Milchviehbetriebe seit Ende der 70er Jahre gegangen ist: Grünfutter wurde kontinuierlich aus den Rationen verdrängt, die Anteile von Gras- und Maissilagen stetig erhöht.


Für die Agrar-GbR Wittbrietzen war dieser Weg Ende der 90er Jahre allerdings zu Ende. Die Maissilagen rochen verstärkt nach Lösungsmittel. In der Folge brachen Futteraufnahme, Milchleistung und Tiergesundheit der Herde massiv ein.


Frischgras trotz Trockenstandort


Bei der Untersuchung des Futters wurden Gärsäuren und Alkohole von Hefen und Bakterien gefunden. Durch eine chemische Reaktion waren Ester entstanden, die die untypischen Gerüche verursachten. Die genaue Ursache ist bis heute ungeklärt. Gravierende Silier-Fehler wurden jedenfalls nicht gefunden. Trotzdem war für den experimentierfreudigen Betriebsleiter Jörg Schmidt klar: „Die Maissilage muss durch ein alternatives Grobfutter ersetzt werden.“ Sowohl aus standortspezifischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht drängte sich die Grünfutterfütterung auf. Das Ziel war, eine Frischgrasfütterung mit einem kontinuierlichen Futterangebot über 180 Tage bei gleichbleibenden Futterwerten sicher zu stellen.


Doch so einfach wie es sich anhört, war die Umsetzung der Frischfütterung im Betrieb Wittbrietzen nicht, denn in Brandenburg fallen jährlich im Schnitt nur 520 mm Niederschlag – mit sinkender Tendenz. Die Agrar-GbR bewirtschaftet 1 670 ha Acker (AZ 24) und 280 ha Grünland (GZ 33). Das Grünland liegt in der Nuthe-Nieplitz Niederung und ist grundwassernah.


Die Bodentypen reichen von Sand bis tiefgründiges Niedermoor. Da aber ausreichend Fläche vorhanden ist, kann das Risiko für den Grasanbau etwas gestreut werden. So können z. B. in sehr nassen Perioden (2008, 2009) die wasserzügigen, sandigen Ackerstandorte und in trockenen Perioden verstärkt das feuchte Grünland und die 20 ha Beregnungsfläche genutzt werden. So war es in den letzten drei Jahren möglich, die 700 Milchkühe mit Nachzucht über 210 Tage im Jahr mit Frischgras zu versorgen.


Welsches Weidelgras als Grundlage


Als Grundlage dienen die Bestände mit Welschem Weidelgras auf einer Fläche von ca. 100 bis 120 ha. Damit lässt sich eine sehr hohe Flächenverwertung erreichen. Mit den vorwiegend eingesetzten tetraploiden Sorten wurden im Mittel der Jahre Erträge um 180 dt TM erzielt. Zum Vergleich: Bei Kleegras werden am Standort rund 90 dt/ha TM geerntet.


Das Gras steht auf dem Acker nach Wintergerste. Es wird entweder nach Pflugfurche oder Minimalbodenbearbeitung im Spätsommer gedrillt. Je nach Herbstwitterung kann der Bestand noch bis zu dreimal genutzt werden.


Auf den Grünlandstandorten wird der Welsche Weidelgras-Bestand bodenschonend durch Direktsaat etabliert. Auf Grünlandbeständen erfolgt regelmäßig eine Nachsaat mit späten Weidelgräsern (Plantinum). Da die Gräser in den Sommermonaten teilweise viele generative Halme bilden, sollen künftig ca. 60 % der Welschen Weidelgras-Flächen im Frühjahr angesät werden.


Im Sommer kein Soja


Das hohe Ertragspotenzial des Welschen Weidelgras verlangt eine adäquate Nährstoffversorgung. Je Dezitonne geerntete Futtertrockenmasse werden vor dem ersten Schnitt 2,5 bis 3 kg N, 2,5 kg K, 0,3 kg P und S gedüngt. Die Düngung erfolgt teilflächenbezogen zwei bis drei Tage nach der Ernte. Zirka 50 % der Nährstoffe werden über die Gülle angeboten. Die hohen N-Aufwendungen sind notwendig, um das Ertragspotenzial (200 dt/ha TM) des Weidelgrases auszunutzen. Von den Düngermengen werden zirka 90 % mit dem Futteraufwuchs wieder abgeführt, so dass zum Ende der Vegetation die N-min-Werte unter 50 kg je ha liegen.


Auch der geplante und erreichte Rohprotein-Gehalt im Frischfutter von 15 bis 18 % macht den hohen Nährstoffaufwand notwendig. Werden z. B. bei schlechter Befahrbarkeit, die Soll-N-Mengen nicht erreicht, sinken die Rohproteinwerte auch schnell auf 12 %. Dann muss Protein ergänzt werden. Seit 2007 ist es aber gelungen, Soja komplett und Raps fast vollständig während der Vegetationszeit aus der Ration zu nehmen.


In Perioden mit geringer Einstrahlung oder Wachstumsdepressionen durch hohe Temperaturen und/oder Trockenheit kann es im Gras zu hohen Nitratgehalten kommen. In solchen Perioden ist Vorsicht geboten und eine regelmäßige Kontrolle sinnvoll. Dazu hat sich der Betrieb ein Schnelltestgerät (Nitracheck) angeschafft. Eventuell müssen die Futterflächen gewechselt werden. Der Schnelltest wird auch durchgeführt, wenn zum ­Beispiel der Harnstoff in der Milch ­plötzlich extrem nach oben schnellt.


Bei optimalen Bedingungen lassen sich über die Vegetationsperiode Energiedichten von 6,5 bis 7,0 MJ NEL je kg Trockenmasse und Rohproteingehalte von 15 bis 18 % erreichen. Durch Frühjahrsansaaten wird die Qualität im Sommer deutlich verbessert. Im Spätsommer ist bei Weidelgräsern mit Rost zu rechnen, der die Futteraufnahme reduziert. Durch eine entsprechende Sortenwahl kann dieses Problem aber vermindert werden.


Tägliche Bonitur


Da der Futterwert vegetationsbedingt immer wieder schwankt, lassen die Betriebsleiter kurz vor Nutzungsbeginn einer Fläche das Futter routinemäßig beim LKV analysieren. Bei Problemen wird auch eine Vollanalyse durchgeführt, bei der neben TS-Gehalt, Protein und Rohfaser auch die Mineralstoffe und Spuren­elemente untersucht werden.


Mit jahrelanger Erfahrung und der Unterstützung von Grünland-Spezialberater Dr. Andreas Milimonka gelingt es, die mittleren täglichen Veränderungsraten im Futterwert visuell gut einzuschätzen. Die tägliche Bonitur und Einsatzentscheidung des Grases auf dem Feld entscheidet über den Erfolg der Frischfütterung. Über die Nutzung der Aufwüchse als Grünfutter wird täglich je nach Qualität neu entschieden. Bei unzureichender Qualität wird die Fläche gewechselt.


In der Konsequenz bleiben oft Restflächen stehen, die für die Frischfütterung nicht mehr, aber noch für die Silierung in Ballen geeignet sind. Das Prinzip: Mähen und danach entweder bis zu zwei Stunden anwelken oder sofort Pressen und Wickeln in einem Arbeitsgang. Der Silage werden homofermentative MSB zugesetzt. Die Press-Wickel-Kombination sorgt für hohe Pressdrücke und damit eine hohe Gärqualität, außerdem für stabile Ballen, Gewichte von 800 bis 1 000 kg und eine Flächenleistung von über 50 t je Stunde. Die bisher erreichten Silagequalitäten sind sehr gut. Allerdings ist die Beschädigungsrate der Ballen mit 5 bis 10 % noch zu hoch. „Schuld daran ist häufig, dass die Mitarbeiter mit den Ballen nicht sachgemäß umgehen“, berichtet Schmidt. Die Silagen zeigen an den Schadstellen oft nur wenige Zentimeter tiefe Schimmelnester.


Zudem sind sie bedingt durch zu niedrige Trockensubstanzgehalte oftmals sehr schwer. Vor dem Öffnen solcher Ballen werden sie auf einer Heuschicht auf den Kopf gestellt, damit der Sickersaft im Futter bleibt und die Nährstoffe verwertet werden können.


Die Frischfutterbergung selbst erfolgt mit einem Mähladewagen, der 5 t Grünfutter fasst. Im Sommer ist ein Mitarbeiter sechs bis acht Stunden pro Tag mit Futterfahren (40 bis 42 t am Tag) beschäftigt. Schmidt berichtet, dass die Befahrbarkeit der Flächen selbst bei Regen kein Problem darstellt, weil das Wasser durch die sandigen Böden relativ schnell abfließe. Schlepper und Ladewagen sind bereits mit spezieller Grünlandbereifung ausgestattet. Eine Reifendruckregelanlage soll noch angeschafft werden. Der Mähladewagen ist mit einer Wägeeinrichtung sowie einem Querförderband für den Auswurf ausgestattet. Zusammen mit einer Trockenmassebestimmung über Mikrowelle lässt sich die Frischfuttermenge für die drei Leistungsgruppen Frischmelker-, Hochlaktierende und Altmelker sehr gut zuteilen. Ein Traum der geschäftsführenden Landwirte: Eine NIRS-Vollanalyse auf dem Futterladewagen.


Bessere Fruchtbarkeit


Die Ration wird zweimal täglich vorgelegt. Jörg Schmidt kontrolliert die Ration anhand der Wägung des Restfutters und der Kotkonsistenz.


Die Rationen für Sommer und Winter sind in Übersicht 1 (Seite R30) zusammengestellt. Im Winter wird die Ballensilage mit etwas Mais gefüttert. Soja- und Rapsextraktionsschrot kommen hinzu. Es gelang, trotz einem sehr hohen Grobfutteranteil respektable Milchleistungen zu erzielen. Die Grundfutterleistung liegt im Sommer bei etwa 23 Liter, im Winter bei ca. 20 Liter. Mit der dargestellten Ration kam der Betrieb auf eine LKV-Leistung von 11 500 kg!


Seit der Umstellung auf die Frischgras-Fütterung haben sich sowohl die Zwischenkalbezeit als auch die Bestands-ergänzungsrate der Holstein-Friesian-Tiere, die im Laufstall auf Tiefstreu gehalten werden, verbessert (siehe Übersicht 2, Seite R 30). Allerdings können diese Effekte zum Teil auch auf die Umstellung von drei- auf viermaliges Melken zurückzuführen sein.

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