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Mut zur Milch im Alpenland

Lesezeit: 10 Minuten

Österreich hat die Milchproduktion seit dem EU-Beitritt um rund 30 % gesteigert. Was steckt dahinter?


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Ein Landwirt in Trachtenhose, der zusammen mit seiner Familie einen Hof im hügeligen Grünlandgebiet führt, seine Milchkühe mit Weidegras und Heu füttert und rundum zufrieden ist – dieses Bild schießt den meisten in den Kopf, wenn sie an Milchproduktion in Österreich denken.


Wer aber von Passau aus über die Grenze in die Alpenrepublik fährt, wird schnell aus dieser Idylle gerissen: Ein neuer Laufstall folgt dem anderen, jeder Quadratmeter Fläche wird intensiv bewirtschaftet, nur wenige Kühe stehen auf der Weide.


So krass die Unterschiede auch sind: Beides trifft zu. Denn seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 hat sich die Milchviehhaltung in Österreich stark verändert und ist inzwischen zweigeteilt: Auf der einen Seite kleinere, traditionelle Milchviehbetriebe mit einer Jahresproduktion von 5 000 kg, auf der anderen Seite dynamische Wachstumsbetriebe mit mehr als 1,5 Mio. kg Milch. Insgesamt ist die Milchmenge seit dem EU-Beitritt um 30 % oder 0,7 Mio. t gestiegen.


Einige Vollgas-Melker:

Das liegt zum einen daran, dass sich die durchschnittliche Milchmenge pro Betrieb auf 82 000 kg verdreifacht hat (siehe Kasten Seite R 13). Gleichzeitig sind noch einige Betriebsleiter voll durchgestartet und überdurchschnittlich stark gewachsen.


2011 hielten nach einer Auswertung der Bundesanstalt für Bergbauernfragen österreichweit 86 Betriebe zwischen 75 und 100 Milchkühe. 38 Betriebe hatten sogar über 100 Kühe (Übers. 1). Zwar ist ihr Anteil gemessen an den 35 400 Milch-erzeugern sehr gering, dennoch gelten sie als Vorreiter. Denn sie wirtschaften im Vollerwerb und „leben“ fast ausschließlich von der Milch.


Auffällig ist die Verteilung der Wachstumsbetriebe. Sie liegen vorwiegend in Oberösterreich. „Die Milch wandert in Österreich eindeutig in die Gunstlagen des Grünlandes“, sagt Michael Wöckinger, Landwirtschaftskammer Oberösterreich.


Oberösterreich ist bereits jetzt das Milch-Bundesland Nummer eins. Die 9 800 Milcherzeuger produzierten im vergangenen Jahr 900 000 t Milch. Das ist rund ein Drittel der Gesamtmenge Österreichs. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Milchmenge um stolze 7,2 % – so stark wie in keinem anderen Bundesland.


Besonders im Westen und Nordwesten des Bundeslandes, an der Grenze zu Deutschland, brummt die Milchproduktion. „So einen Boom gibt es in ganz Österreich nicht noch einmal“, sagt Rudolf Stockinger, Obmann des Bauernbundes Vöcklabruck und selbst Milcherzeuger.


Die stärksten Zuwächse verbuchen die Bezirke Braunau, Vöcklabruck, Rohrbach und der angrenzende Salzburger Flachgau (Bundesland Salzburg). Sie verfügen von jeher über relativ viel Quote und haben seit 1995 nochmals um teilweise mehr als 30 % aufgestockt. Inzwischen wird in diesen vier Bezirken mehr als 20 % der österreichischen Milch produziert.


Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen sind die natürlichen Voraussetzungen hier ideal. Das Gebiet liegt in 450 bis 650 m Höhe, hat überwiegend sandige Lehmböden und Jahresniederschläge von rund 1 200 mm. Es bietet somit ideale Bedingungen für eine intensive Grünlandnutzung mit fünf bis sechs Schnitten und beste Voraussetzungen für Silomais. Die Konkurrenz durch den Getreideanbau ist aufgrund der hohen Niederschläge gering.


Zum anderen ist die Industrie in der Region stark vertreten, die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 4 %. „Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder aus der Milchproduktion aussteigen und in der Industrie sein Geld verdienen – oder den Milchviehbetrieb weiterentwickeln, um konkurrenzfähig zu sein“, sagt Stockinger.


Zudem schiebt der Wettbewerb unter den Milcherzeugern das Wachstum an. „In einigen Orten puschen sich die Landwirte gegenseitig in die Höhe. Dadurch steigt die Milchmenge“, sagt Wöckinger.


Das stimmt. Denn in der Region sitzen viele Vollblut-Milcherzeuger. „Mein Herz schlägt für die Milchproduktion. Aber nur 20 Kühe zu haben, wäre nicht mein Ding. Da muss schon mehr kommen“, sagt Franz Kircher aus Neukirchen (Bezirk Vöcklabruck). Der Milcherzeuger hat im vergangenen Jahr den neuen Kuhstall bezogen und melkt jetzt 130 Kühe.


Wie ticken Milch-Profis?

Doch wie haben es Kircher und die anderen Milch-Profis geschafft, innerhalb kürzester Zeit so zu wachsen? Die Antwort ist klar: Sie sind neue Wege gegangen – konsequent!


In Österreich wird traditionell überwiegend mit Eigenkapital investiert. Die Bauern machen nur ungern Schulden. Die durchschnittliche Fremdkapitalbelastung über alle landwirtschaftlichen Betriebe liegt bei gerade einmal 45 000 €.


Doch die meisten Wachstumsbetriebe haben sich von diesem Denken verabschiedet. „Fremdkapital ist einfach und günstig zu bekommen. Wer nur mit Eigenkapital bauen will, verschläft die Zeit“, sagt Josef Knonbauer aus Schardenberg (Bezirk Schärding). Der Milcherzeuger hat den Betrieb 1996 mit 17 Kühen übernommen und fortlaufend in die Erweiterung und Modernisierung des Laufstalls, der Melktechnik und des Jungviehstalls investiert. Inzwischen hält er 55 Kühe und hat noch Platz für weitere 15.


Auch beim Quotenregime hat ein Umdenken stattgefunden. Die Melker aus den Bergen haben ihre nationale Referenzmenge im vergangenen Jahr um rund 120 000 t überschritten, schätzt die Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. Das ist so viel wie nie zuvor. „Die Quote ist nur noch Thema von Diskussionsrunden, in der Realität hat sie keine Funktion mehr. Dort schreiben wir bereits heute das Jahr 2015“, sagt Stockinger.


Quote überliefert.

Einige Wachstumsbetriebe setzen auf Überlieferung. In Österreich wird ein Teil davon mit einer geringeren, der andere Teil mit einer höheren Superabgabe bestraft. Nach vorläufigen Prognosen „kosteten“ im vergangenen Jahr 20 % Überlieferung rund 9 Cent, alles was darüber hinaus ging ca. 22 Cent. „Die Betriebsleiter kalkulieren, zu welchen Grenzkosten sie produzieren können. Viele setzen auf einen Mittelweg zwischen Quotenkauf und Überlieferung“, sagt Wöckinger.


In Summe droht nun eine Superabgabe von mehr als 33 Mio. €. Dadurch ist der Quotenpreis auf rund 25 Cent/kg in die Höhe geschnellt. Das schreckt noch mehr Milcherzeuger ab. „So viel Geld investiere ich nicht für etwas, das 2015 nichts mehr wert ist“, sagt Milcherzeuger Knonbauer.


Der Familienbetrieb ist Standard. Und das will die große Mehrheit der Betriebsleiter auch unbedingt beibehalten – trotz Aufstockung. Das gelingt nur durch effiziente Arbeitsabläufe und Technisierung.


Bestes Beispiel dafür sind die Melkroboter. Insgesamt gibt es im Alpenland rund 250 stählerne Melker. „Über die Hälfte der Melkboxen stehen davon in Oberösterreich. Die Wachstumsbetriebe schaffen sich so arbeitswirtschaftliche Freiräume“, sagt Wöckinger.


Arbeitskräfte für die Milchproduktion sind in Österreich nur schwer zu bekommen. Das liegt zum einen daran, dass es nur Auszubildende gibt, die selbst vom Hof kommen. Zum anderen scheuen die Österreicher offenbar die Arbeit auf einem Milchviehbetrieb.


Das hat auch Johann Konrad aus Pfaffing (Vöcklabruck) zu spüren bekommen. Er beschäftigt seit zwei Jahren eine Arbeitskraft aus Rumänien. „Einen Österreicher habe ich dafür nicht gefunden“, sagt der Milcherzeuger, der mit seinen 210 Kühen zu den größten Milcherzeugern Österreichs gehört.


Konrad und die anderen „Aufstocker“ haben auf ihrem Wachstumsweg ständig Fläche zugepachtet. So liegt der Pachtflächen-Anteil im Bezirk Vöcklabruck schon bei 60 %. „Bis vor etwa zwei Jahren war es sehr leicht, Fläche zu bekommen. Die Pachtpreise betrugen damals oft nur 100 €/ha“, sagt Konrad.


Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. In den Milch-Hochburgen ist ein Kampf um die Fläche entbrannt. Zusätzliches Feuer schüren die ersten Biogasanlagen. „Die Pachtpreise liegen jetzt bei bis zu 500 €/ha. Zum Teil ist überhaupt nicht mehr an Fläche zu kommen“, sagt Stockinger.


Doch pfiffige Milcherzeuger haben auch hierfür Lösungen gefunden. Josef Hurnaus aus Kollerschlag (Bezirk Rohrbach) stehen für seine 65 Kühe plus weiblicher Nachzucht nur 40 ha zur Verfügung. Um intensiver wirtschaften zu können und mehr Futter von der Fläche zu holen, verzichtet er als einer der wenigen Betriebe in seiner Region auf die Teilnahme am Umweltprogramm und somit auf staatliche Zuschüsse. „Extensive Grünlandbewirtschaftung passt nicht zur intensiven Milchviehhaltung. Ich will das Maximum von der Fläche holen“, sagt der Landwirt.


Einen anderen Weg ist Milcherzeuger Knonbauer gegangen. Auch er ist mit 32 ha bei derzeit 55 Kühen plus Nachzucht knapp mit Fläche bestückt. Deshalb hat er mit einem viehlosen Nachbarbetrieb einen Gülleabnahmevertrag abgeschlosssen. Im Gegenzug kauft er Silomais vom Nachbarn zu. „Eine ideale Lösung, sonst hätte ich nicht aufstocken können“, sagt Knonbauer.


„Feindbild“ Großbetrieb:

Doch ganz ohne Hindernisse ist der Wachstumsweg auch in Österreich nicht.


Zu kämpfen haben die Milch-Profis zum Beispiel mit relativ hohen Baukosten. Zum einem müssen sie durch die vorgeschriebenen Schneelasten sehr massiv bauen. Zum anderen verteuert die Hanglage den Bau. „Wir mussten für den Kuhstall einen Höhenunterschied von 5 m ausgleichen. Dadurch ist die Bausumme um ein Drittel gestiegen“, sagt Knonbauer.


Auch Hurnaus musste in seinem neuen Stall einige Höhenmeter überwinden. Allerdings hat er im gesamten Stall ein Gefälle von 3 % eingebaut. „An der höchsten Stelle steht der Melkroboter, an der tiefsten ist der Abwurfschacht für die Mistschieber. Das läuft optimal“, sagt er.


Ein Kuhplatz (inkl. Melktechnik, Güllelagerung, Fahrsilos) kostet nicht selten 10 000 € oder mehr. Um diese Nachteile auszugleichen, erhalten die Bauherren je nach Bundesland und Betrieb einen Zuschuss von bis zu 30 % vom Staat.


Die hohen Baukosten schlagen bis auf die Produktionskosten durch. Hinzu kommen höhere Kosten durch den Zwang zur GVO-freien Fütterung, die hohen veterinärmedizinischen Bestimmungen und Nachteile durch die verhältnismäßig kleinen Strukturen. Zwar sind österreichweit nur 1 000 Milcherzeuger in Arbeitskreisen organisiert, doch die Vollkosten dieser Betriebe in Höhe von 53,0 Cent/kg zeigen, dass die Milchproduktion verhältnismäßig teuer ist. „Allerdings ist die Spreizung zwischen den erfolgreichen und weniger erfolgreichen Betrieben enorm“, sagt Berater Wöckinger.


Doch viel mehr als die produktionstechnischen Hindernisse stört die Wachstumsbetriebe das Feindbild, das gegen sie geschürt wird. „Vielen Berufskollegen und Berufsvertretern gefällt es nicht, dass wir unsere Betriebe so weiterentwickelt haben. Ihnen wäre lieber, wenn alles so wie früher geblieben wäre“, sagt Konrad.


Ihn ärgert, dass größeren Betrieben das Leben bewusst schwer gemacht wird. Als Beispiel nennt er, dass er den Zuschuss von 10 €/Kuh für das QS-Milchprogramm nur für 130 Kühe erhält – obwohl er die Gebühren für 210 Kühe bezahlt.


Sein Berufskollege Hurnaus fühlt sich ebenfalls gegängelt: „Die Politiker schämen sich doch für uns Wachstumsbetriebe. Sie gaukeln lieber eine idyllische Welt mit Kleinbauern und Heumilch vor – völlig an der Realität vorbei!“D


Mit diesem Vorwurf liegt er nicht ganz falsch. Denn Österreichs Strategie für das Quotenende 2015 ist, mit Spezial-Milchsorten wie Heumilch oder Biomilch Nischenmärkte zu bedienen, um so auf dem liberalisierten Milchmarkt zu bestehen (siehe Kasten rechts).


Die von uns besuchten Wachstumsbetriebe sehen das aber anders und haben keine Angst vor dem Ende der Quote, im Gegenteil: „Wir haben ideale Standortvoraussetzungen für die Milchproduktion und sind gut drauf: Wir werden im EU-Wettbewerb also sehr gut mithalten können“, spricht Hurnaus stellvertretend für nahezu alle Milch-Profis.


Fläche wird bremsen.

Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Milchmenge nach der Quote rasant steigt.


Der Mangel an Fläche und Arbeitskräften wird eine Milch-Schwemme verhindern. „Das Problem mit den Arbeitskräften kann vielleicht noch über eine zunehmende Technisierung entschärft werden. Aber die Flächenknappheit ist ein Bremsklotz“, sagt Stockinger vom Bauernbund.


Das bestätigt auch eine Umfrage unter den ca. 3 000 Mitgliedern der Molkerei Alpenmilch Salzburg. Diese gaben an, dass sie die Milchmenge nach dem Fall der Quote von derzeit 212 Mio. kg auf maximal 235 bis 240 Mio. kg erhöhen können. Insbesondere die Flächenknappheit würde eine weitere Steigerung verhindern. Andreas Gasteiger, stellvertretender Geschäftsführer der Molkerei, sieht für ganz Österreich eine ähnliche Entwicklung: „Ich schätze, dass die gesamte Milchmenge maximal um 15 % auf 3,3 Mio. t ansteigen wird.“


P. Liste j

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