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Naturschutz und Biogas engen ein

Lesezeit: 8 Minuten

Im Norden Schleswig-Holsteins haben viele Milchviehhalter kräftig in neue Ställe investiert. Andere haben in der Milchkrise auf Biogas gesetzt. Jetzt konkurrieren sie um die Fläche.


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Wer den Nord-Ostsee-Kanal überquert und auf der A7 in Richtung Dänemark fährt, sieht neue Kuhställe, Biogasanlagen und Windräder so weit das Auge reicht. Das satte Grün der Wiesen und die vielen Knicks kennzeichnen die Naturräume in den beiden Kreisen Nordfriesland und Schleswig-Flensburg. Auch Naturschutzgebiete sind großräumig vorhanden. Doch die Idylle trübt.


Wir befinden uns auf dem Geest-Rücken, einem Landschaftstyp, der von Dänemark bis Hamburg reicht. Im Osten grenzt die Geest an das Schleswig-Holsteinische Hügelland mit der Landschaft Angeln. Im Süden Nordfrieslands befindet sich das Naturschutzgebiet die Eider-Treene-Sorge-Niederung. Die humosen Sandböden der Geest eignen sich hauptsächlich für Grünland und bedingt auch für Mais. Etwa 70 % der Fläche ist Grünland, der Maisanteil beträgt 10 bis 20 %, schätzt Heinrich Bednarz von der Unternehmensberatung VRS Schleswig-Flensburg.


Kräftig investiert:

Die Milchviehhaltung spielt im Norden Schleswig-Holsteins eine zentrale Rolle. Alternativen gibt es kaum. Nur die Energieerzeugung hat ebenfalls kräftige Zunahmen verzeichnet. Ob Biogas, Photovoltaik oder Windkraft: Mehr als 80 % der Milcherzeuger erwirtschaften ein zweites Einkommen aus den erneuerbaren Energien.


In den beiden Landkreisen entlang der dänischen Grenze waren 2013 etwa 120 000 Kühe in der Milchleistungs­prüfung des Landeskontrollverbandes Schleswig-Holstein gelistet. Sie stehen in 1 241 Betrieben mit einer durchschnittlichen Milchleistung von gut 8 100 kg.


In den vergangenen Jahren haben viele Landwirte neue Ställe gebaut und kräftig Quote gekauft. In zehn Jahren haben die Betriebe in Schleswig-Holstein von 60 Kühe auf gut 100 Kühe aufgestockt. „Die Quote, die nach Schleswig-Holstein geflossen ist, hat sich vor allem auf dem Geest-Rücken konzentriert“, sagt Dirk Stöven von der Landwirtschaftskammer in Schleswig.


Als die Milchpreise in der Milchkrise drastisch gesunken sind, haben sich einige Betriebe in Schleswig-Holstein von der Milcherzeugung abgewandt und voll auf Biogas gesetzt. Von Ende 2009 bis 2011 hat sich die Anzahl der Anlagen mit etwa 600 mehr als verdoppelt.


Das zunächst harmonische Miteinander stößt langsam an seine Grenzen: Die Fläche wird knapp und die Pachtpreise schießen in die Höhe. In besonders guten Lagen werden bis zu 1 200 € pro ha gezahlt.


Ähnlich sieht das auch Stövens Kollege Bednarz: „Auf der Geest, da brummt’s“, beschreibt der Milchviehberater die Situation. Er und seine Kollegen betreuen viele der aktiven Milchviehbetriebe. Manche Betriebsleiter auf der Geest wollen ihre Bestände noch vergrößern, doch die Fläche gibt es oft nicht her. Dabei galten die Betriebe in der Region noch bis vor einigen Jahren als eher flächenreich.


Denn im Laufe der Jahre wurden auch die abseits gelegenen Moore und Heiden kultiviert. So entstanden neue Flächen und neue Betriebe. Im Vergleich zur nordfriesischen Marsch, entlang der Nordseeküste, liegt der Geest-Rücken deutlich höher. Damit sind die Flächen trockener und können besser bewirtschaftet werden.


Milchleistung ist gesunken:

Mehr als die Hälfte der knapp 390 000 Kühe in Schleswig-Holstein stehen in den drei Landkreisen Nordfriesland, Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg. Deshalb lassen sich die durchschnittlichen Zahlen der Betriebszweigauswertung in Schleswig-Holstein laut Berater Johannes Thomsen gut auf diese Kreise übertragen.


Durch das extreme Wachstum der Betriebe und die dadurch geringere Selektion ist die Milchleistung wieder auf das Jahr 2009 zurückgefallen. Im Schnitt gaben die Kühe 2012/2013 in Schleswig-Holstein gut 8 200 kg Milch. Das sind gut 170 kg weniger als ein Jahr zuvor. Die Betriebe, die an der Beratung teilnehmen, haben ihren Bestand von 108 auf 118 Kühe aufgestockt. Die erfolgreicheren Betriebe hielten sogar knapp 150 Kühe im Schnitt.


Die gesunkene Milchleistung könnte aber auch noch andere Ursachen haben: Denn die Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein sind enorm abhängig von den Witterungsbedingungen. Die letzten drei Jahre waren in den Niederungen sehr extrem und nass. In manchen Gebieten konnte der zweite Schnitt erst im September eingefahren werden. Das führte zu einer Verknappung der Futtervorräte mit schlechten Qualitäten.


Die meisten Betriebe im Norden Schleswig-Holsteins sind klassische Familienbetriebe mit Fremdarbeitskräften. In der Regel ist ein Azubi oder eine geringfügig beschäftigte Arbeitskraft vorhanden. Viele Betriebe haben ihre Außenarbeiten an Lohnunternehmen abgegeben und erledigen nur wenige Feldarbeiten mit eigenen Maschinen. Arbeitskräfte sind im Moment in beiden Landkreisen nicht knapp. Durch das Schließen der vielen Bundeswehrstandorte, gibt es noch genügend Kapazitäten, Mitarbeiter für einfachere Arbeiten im Betrieb zu finden. Jedoch ist es auch hier schwer, hochqualifizierte Mitarbeiter zu finden.


Problematisch ist laut Bednarz auch, dass die Landwirte die Mitarbeiter richtig führen. Hier sieht er bei vielen Betriebsleitern noch großen Nachholbedarf. In der Ausbildung werde zu wenig Zeit in die Mitarbeiterführung investiert. Jetzt sind viele Betriebe sprunghaft gewachsen und stoßen im Familienbetrieb an ihre Grenzen.


Wachsen kaum noch möglich:

Die Berater sehen das Wachstum in den meisten Betrieben als abgeschlossen. Jetzt heißt es für viele Betriebe, bei den guten Milchpreisen Geld zu sparen und die Kredite zu tilgen. „Für weniger lukrative Jahre müssen die Betriebsleiter bereits jetzt ein Drahtseil um ihre Geldbörsen spannen und einen Puffer ansparen,“ erklärt Bednarz.


In Regionen abseits des Geest-Rückens ist Wachstum zwar theoretisch noch möglich, doch die Junglandwirte sollten für sich entscheiden, ob sie auf diesen Gebieten überhaupt noch eine Zukunft sehen. Denn viele Flächen liegen bereits jetzt unterhalb des Meeresspiegels und können nur extensiv bewirtschaftet werden, so Bednarz. Andere Grenzstandorte werden über kurz oder lang dem Naturschutz zum Opfer fallen. Zwar versuchen die Berater weiterhin für jeden Betrieb passende Lösungen zu finden, doch wer an den Grenzstandorten baut, der sollte sich das auch mehrmals überlegen. Denn unter dem Strich muss es sich für die Betriebe vor allem rechnen.


Es geht ans Eingemachte:

Während viele Betriebe bereits stallbautechnisch die besten Voraussetzungen für die Milchproduktion nach dem Quoten-ende mitbringen, hapert es innerbetrieblich manchmal noch. Für die kommenden Jahre müssen die Betriebe wieder mehr auf Milchleistung und Tiergesundheit achten, sind sich die Berater einig. Außerdem sei es wichtig, nicht in eine Arbeitsfalle hineinzuschlittern. Denn mit 150 Kühen im Schnitt arbeiten etwa zwei Generationen auf den Betrieben. Die jungen Betriebsleiter müssen ihre Betriebe arbeitstechnisch optimieren.


Den Grundstein dafür bildet die sehr hohe Beratungsdichte der Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein. Das liegt vor allem daran, dass die Milcherzeuger in dieser Region schon immer Pionierarbeit leisteten und oftmals seit zwei Generationen die Beratungsleistungen in Anspruch nehmen.


Sie wollen ihre Betriebe nach vorne bringen und lassen sich das etwas kosten. Anders als in anderen Bundesländern gibt es in Schleswig-Holstein keine Zuschüsse, sodass die Beratung durch die Landwirte finanziert wird. Da die meisten für ihr Geld auch etwas sehen wollen, arbeiten sie aktiv in den Arbeits­kreisen mit. So wissen die Milcherzeuger aus den Betriebszweigaus­wertungen, wo ihr Betrieb steht und können daraus ableiten, wo sie hinwollen.


Soziales Engagement:

Typisch für die Landwirte in den Kreisen entlang der dänischen Grenze ist auch, dass sie in der Dorfgemeinschaft einen hohen Stellenwert genießen. Oftmals engagieren sie sich als Bürgermeister oder über andere Organisationen im Dorf. Das stärkt sowohl den Zusammenhalt als auch die Akzeptanz untereinander. So ist es nicht verwunderlich, dass es in Schleswig-Holstein viele Bürgerbeteiligungen an Biogasanlagen oder Windparks gibt.


Damit werden die Bürger zeitnah in größere Projekte eingebunden und sehen die Landwirtschaft mit anderen Augen. Die meisten Betriebe haben ein größeres Akzeptanzproblem mit den Behörden als mit der Bevölkerung. Die Behörden genehmigen Neubauten mittlerweile nur noch mit Bedacht. Aber natürlich gibt es auch hier Ausnahmen.


Stallbau ohne Förderung:

Für Schleswig-Holstein ist besonders prägend, dass es schon seit mehreren Jahren keine Förderung mehr für den Neubau von Ställen gibt.


Deshalb investieren hauptsächlich Milcherzeuger, die sich ein gut ausgeklügeltes Konzept überlegt haben und damit ihre Bank überzeugen können. Oft geschieht das in Zusammenarbeit mit einer Unternehmensberatung. Die Berater beschreiben die norddeutschen Milchbauern als sehr tüchtige Leute. Sie erwirtschaften ihre Ställe schon lange ohne Fördermittel und müssen damit wettbewerbsfähig bleiben.


Die Nähe zu Dänemark hat für die meisten Betriebe keine große Bedeutung. Bis vor einigen Jahren galt Dänemark noch als das große Vorbild: Hier wurde kräftig in neue und große Ställe investiert.


Doch heute hat sich die Meinung gedreht. Es wird sogar von einem abschreckenden Beispiel gesprochen. Denn viele dänische Betriebe haben sich finanziell total übernommen und haben jetzt mit den Konsequenzen zu kämpfen. Sie sind hochverschuldet und nicht wettbewerbsfähig. Das will in Schleswig-Holstein jeder für seinen Betrieb verhindern.


Da die meisten Betriebe ihre Investitionen vorerst abgeschlossen haben, sehen Berater keine großen Wachstumsschritte mehr in den nächsten Jahren. Sie erwarten eine Zunahme der Milchmenge von etwa 5 %. Langfristig sollten Betriebe bei einer Größe von 120 Kühen eine Herdenleistung von 9 500 kg anstreben.


Sandra Lefting

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