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Niedersachsen: Auf dem Weg an die Spitze

Lesezeit: 9 Minuten

Die Milcherzeuger an der Küste dehnen ihre Milchproduktion kräftig aus­. Wird Niedersachsen die größte Milchregion in Deutschland?


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Noch ist Bayern das Milchland Nr. 1 in Deutschland, aber in den letzten Jahren gab es für die Milch nur eine Richtung. Fast bei jedem Börsengang haben die Nordländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein Quote hinzugewonnen.


Die Milchproduktion wandert weiter in die Küs­tenregionen, und dabei vor allem nach Niedersachsen. Die hohen Milchpreise 2007/08 haben die Milchproduktion gerade in diesen Regionen nochmals gepuscht.


20 % mehr Milch in zehn Jahren


So erzeugten alleine die Landkreise Cuxhaven und Leer in 2008 22 % bzw. 19 % mehr Milch als noch vor zehn Jahren (s. Grafik). Mit 610 Mio. kg wird im Landkreis Cuxhaven fast so viel Milch erzeugt wie im gesamten Bundesland Rheinland-Pfalz. Aber nicht nur an den Küsten geht die Post ab. Auch der Landkreis Grafschaft Bent-heim, direkt an der niederländischen Grenze, hat seine Milchproduktion um 18 % ausge­dehnt.


Doch die hinzugewonnene Milch stammt nicht nur aus dem Süden der Republik. Insbesondere der südöstliche Teil Niedersachsens zwischen Braunschweig und Göttingen wird immer mehr zur kuh-freien Zone. Hier haben sich die Kuhzahlen in zehn Jahren fast halbiert.


Besonders in den flächenmäßig gut strukturierten Ackerbauregionen bestehen zur Milch lukrative inner- und außerlandwirtschaftliche Erwerbsalternativen.


Die gesamte Erzeugung in Niedersachsen beläuft sich auf über 5,2 Mrd. kg Milch, fast ein Fünftel der deutschen Milch wird hier produziert. Derzeit werden in Niedersachsen in 14 168 Milchviehbetrieben ca. 775 000 Kühe gehalten.


Stallbauförderung stark gefragt


Der Puls der Milchproduktion schlägt in Niedersachsen vor allem an der Küste. Dass es weiter geht, zeigen die Anträge auf Investitionszuschuss (AFP) beim Land Niedersachsen. Dem Fördervolumen von ca. 34 Mio. € für Milchviehbetriebe stand eine Nachfrage von 70 Mio. € gegenüber.


„Dabei sind Umbauten, neue Melk­stände, aber auch komplette Neubauten. Die Milcherzeuger sind zwar etwas vorsichtiger angesichts des vergangenen wirtschaftlich schlechten Jahres, doch der Bauboom reißt noch nicht ab“, bestätigt auch Johannes Kreutzhermes vom Beratungsring Leer.


„Alleine im Landkreis Cuxhaven haben dutzende Betriebe eine Baugenehmigung in der Tasche, die nur aufgrund der wirtschaftlich angespannten Lage den Baubeginn verschoben haben“, so Petra Jost vom Beratungsring Wesermünde.


Viele Milcherzeuger im Norden und Westen Niedersachsens wollen nun ihren Betrieb fit machen für das Quotenende 2015. Denn sie sehen durchaus Vorteile der Region, die die Milcherzeugung im Norden wettbewerbsfähig erscheinen lässt.


Über 70 % der Betriebe halten ihre Kühe im Boxenlaufstall. In einigen Gebieten sind es sogar weit über 90 %. Zum Vergleich: In Bayern liegt die Laufstallquote bei 30 %. Hinzu kommt, dass die Betriebe bereits über größere Kuhzahlen pro Betrieb verfügen. Im Schnitt werden über 55 Kühe pro Betrieb gehalten. Dabei gibt es aber auch in Niedersachsen Größenunterschiede, so werden in Cuxhaven und Stade durchschnittliche Herdengrößen von 72 bzw. 85 Kühen erreicht, im Raum Göttingen sind es dagegen nur 30 Kühe pro Betrieb.


Und glaubt man einer Umfrage unter niedersächsischen Milchviehhaltern, werden die Herden weiter wachsen. So wollen fast alle Regionen deutlich zulegen, Spitzenreiter ist dabei Oldenburg mit 172 Kühen pro Betrieb in 2014, ein Plus von 53 Kühen (Übers. 2).


Aufgrund der hohen Milchdichte entlang der Küste haben die ansässigen Molkereien deutlich niedrigere Erfassungskosten. Bayerischen Studien zufolge liegen sie im Norden im Mittel bei 0,78 Ct/kg, während in Bayern trotz ebenfalls hoher Milchdichte durch eine Erfassungskonkurrenz zwischen den Molkereien und teilweise eintägiger Abholung der Milch Kosten von bis zu 2 Ct/kg erreicht werden.


Gerade die Erfassungskonkurrenz dürfte für die Molkereien im Norden eine geringere Rolle spielen, da deutlich weniger Unternehmen hier Milch erfassen. Während in Niedersachsen von den fünf größten Molkereien 80 % der Milch eingesammelt wird, werden in Bayern nur gut 30 % der Milch von den größten fünf Molkereien erfasst. (Übers. 1).


Klimatische Vorteile der nordwestdeutschen Küstenregion erlauben eine kostengünstigere Milcherzeugung als in Mittel- und Süddeutschland. Die Vegetationsperiode ist aufgrund des günstigen Seeklimas im Vergleich zu einigen Regionen Süddeutschlands um bis zu 4 Wochen länger. Eine längere Vegetationsperiode in Kombination mit einer besseren Flächenausstattung der Betriebe ermöglicht den Futterbaubetrieben eine preiswertere Grundfuttergewinnung.


Darüber hinaus verfügt Niedersachsen im Mittel über höhere Niederschlagsmengen, die zudem noch besser über die Vegetationsperiode verteilt sind. Rund 40 bis 45 % der Niederschläge entfallen auf die Sommermonate. Nur 55 bis 60 % auf die Wintermonate. Insofern ist die vielfach im Süden und Osten ausgeprägte Frühsommertrockenheit im Nordwesten der Republik nicht so häufig anzutreffen.


Weiterer Klimapluspunkt: In Küstennähe werden bedingt durch höhere Windgeschwindigkeiten, die extrem hohen Tagestemperaturen in den Sommermonaten tiergerecht abgepuffert.


Im Mittel der Wirtschaftsjahre weisen gerade die norddeutschen Küstenstandorte günstigere Produktionskosten von 1 bis 5 Ct/kg gegenüber gleich großen Betrieben in anderen Regionen auf. Dabei profitieren die Nordlichter von höheren Erträgen, niedrigeren Abschreibungen und Arbeitserledigungskosten. Viele Tätigkeiten wie der Futterbau oder die Klauenpflege werden ausgelagert. Durch den starken Wettbewerb an Lohnunternehmern und Dienstleistern können die Kosten gedrückt werden.


Ein wichtiger Standortfaktor, der künftig an Bedeutung gewinnen wird, liegt in der guten Verkehrsinfrastruktur im Norden. Hiervon profitieren nicht nur Landwirte, sondern auch die der Milchwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereiche.


In kaum einem anderen Bundesland ist der Wettbewerb zwischen Unternehmen der Mischfutterindustrie derart hoch, wie in Niedersachsen. Kostenvergleiche zeigen, dass die nordwestdeutschen Milchbetriebe in der Regel Kuhfutter und Soja vergleichsweise preisgünstig einkaufen.


Auch bei der Vermarktung der Milch ist über die unmittelbare Anbindung der Marktmolkereien an Hafenstandorte eine direkte Anbindung an die Weltmärkte gegeben. Bei der zunehmenden Bedeutung der Exporte für die deutsche Milchwirtschaft dürfte dies ein langfristig nicht zu unterschätzender Pluspunkt sein.


Voraussetzung für den betrieblichen Erfolg ist aber auch, dass die Betriebsleiter und deren Umfeld über ein hohes Know-How verfügen. Neben den gut ausgebildeten Betriebsleitern, die häufig über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss verfügen, stehen auch eine große Anzahl guter Berater in Produktionstechnik und Betriebswirtschaft sowie fachkundige Tierärzte zur Verfügung.


Hohe Pachten und zu wenig Arbeitskräfte


Auf der anderen Seite werden in den Zentren der Milchproduktion aber auch zunehmend Standortnachteile erkennbar.


Die Erlöse aus der Milch sind in Niedersachsen im Bundesvergleich unterdurchschnittlich. Die süddeutschen Molkereien zahlen in der Regel höhere Erzeugerpreise. Grund dürfte zum einen die jahrelange Konsolidierung der Nordmilch sein, aber auch eine fehlende Markenstrategie vieler niedersächsischer Molkereien.


In den Preisvergleichen der AMI wurden in Bayern 2007 mit 35,1 Ct/kg im Schnitt 1,6 Cent mehr gezahlt als in Niedersachsen, 2008 lag der Unterschied sogar bei 4,7 Cent. Damit wird ein Großteil der Vorteile bei den Produktionskosten wieder „aufgefressen“.


Im Vergleich zu süddeutschen Milcherzeugern sind die Nebenerlöse aus dem Nutzkälberverkauf sowie die Preise für Schlacht- und Altkühe niedriger, da in Niedersachsen vor allem milchbetonte Rassen wie Holstein Friesian eingesetzt werden.


Durch das beschleunigte Wachstum, sind viele Betriebe bereits jetzt schon an der Obergrenze von 170 kg N/ha aus organischem Dünger in ihrer Nährstoffbilanz angekommen. In Überschussgebieten wie der Grafschaft Bentheim machen daher viele Milchviehhalter von der 230 kg N-Ausnahmeregelung Gebrauch.


Der Pachtmarkt hat in den Jahren 2007 und 2008 einen erheblichen Schub erfahren. Sowohl Pachtpreise für Grünland wie auch maisfähiges Ackerland haben sich in den letzten fünf Jahren teilweise verdoppelt. Für Pachtland werden in den Veredlungszentren im Emsland und Südoldenburg im Schnitt zwischen 600 und 800 € pro ha gezahlt. Der Kampf um die Fläche wird regional verschärft durch außerlandwirtschaftlichen Flächenverbrauch (Niedersachsen verliert ca. 15 ha LF pro Tag durch Straßen- und Siedlungsbau sowie Ausgleichsmaßnahmen).


Aber auch durch die zunehmende Konkurrenz um die Flächen durch Schweinemast, Sonderkulturen und Biogasproduktion verlieren viele Milchviehbetriebe Pachtflächen. „Teilweise werden bei Neuverpachtungen oder beim Auslauf alter Pachtverträge Preise von über 800 €/ha gefordert, so dass viele Milchviehhalter gezwungen sind, die Flächen liegen zu lassen“, so Dr. Hubert Kruse von der Bezirksstelle Meppen.


Rund 70 % der niedersächsischen Milcherzeuger würden bei einer Betriebserweiterung große oder sehr große Probleme haben, weiter Flächen zu bekommen, so eine Studie. 55 % der Milcherzeuger sehen sogar ohne Erweiterung durch den hohen Flächendruck ihre derzeitige Betriebsentwicklung gefährdet.


Wenn eine höhere Pachtzahlung nicht infrage kommt, wären nur die intensivere Nutzung der vorhandenen Flächen, der Export von Gülle, Zukauf von Futter, die Kooperation mit anderen Landwirten oder ein Standortwechsel die Alternative.


In den küstennahen Regionen gibt es kaum Alternativen zur Milchproduktion. In diesen Gebieten ist die Flächenausstattung nicht das vorrangige Problem wachstumswilliger Milcherzeuger. Vielmehr begrenzt die knappe Milchquote sowie die hohen Baukosten bzw. der Mangel an Stallplätzen das betriebliche Wachstum.


Die schlechte Verfügbarkeit an Arbeitskräften schränkt einen Großteil der Milcherzeuger ebenfalls in Ihrer Entwicklung ein. 43 % der Milcherzeuger in Niedersachsen sehen den Mangel an Arbeitskräften als Problem an. Vielfach sind osteuropäische Angestellte auf den Betrieben zu finden. „Rund 45 % meiner Ringmitglieder haben eine Fremdarbeitskraft“, so Petra Jost. „Oft ist es aber problematisch gute Angestellte langfristig an den Betrieb zu binden.“


Den vielen Vorteilen stehen also auch zahlreiche Nachteile gegenüber, die eine weitere Zunahme der Milchproduktion in Niedersachsen bremsen könnten. Vielfach wird von den Beratern als kritische Mindestgröße 60 Kühe/Betrieb angesehen. Unterhalb dieser Wachstumsschwelle von 60 Kühen dürfte sich künftig nur schwerlich ein ausreichendes Gesamteinkom-men für Vollerwerbsbetriebe von 50 000 bis 60 000 Euro erzielen lassen.


Stimmen die natürlichen Standortbedingungen, d. h. ist genügend Futterfläche auch für weiteres Wachstum gegeben, ist derzeit eine hohe Investitionsbereitschaft zu erkennen. Ist die Nachfolge innerhalb des Betriebes gesichert und sind sogleich überdurchschnittliche Betriebsergebnisse zu erkennen, wird vielfach bereits jetzt schon über eine Verdopplung der Produktion nachgedacht.


Fazit


Die Aussichten für die Milchproduktion in Niedersachsen sind zweigeteilt. Vor allem in den Küstengebieten, wo die Milchviehhaltung ohne große Konkurrenz und Alternative ist, werden die Betriebe weiter konsequent wachsen, um nach Quotenende wettbewerbfähige Größen erreicht zu haben. In anderen Regionen wird die zunehmende Flächenknappheit bei weiter niedrigen Milchpreisen einen Rückgang der Milchproduktion zur Folge haben.


A.Hortmann-Scholten, A. Leifker j

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