Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

Aus dem Heft

Steigen ab Herbst die Milchpreise wieder?

Lesezeit: 10 Minuten

Ï top agrar: Die Milchpreise sind im Bundesschnitt unter 27 Cent gefallen. Die schwächsten Molkereien zahlen nur noch 24 bis 25 Cent. Geht der Absturz so weiter? Oder werden die Milchpreise im Herbst wieder steigen? Born: Wir erwarten eine deutliche Anhebung der Milchpreise im Herbst und Winter. Auch für 2005 sind wir sehr optimistisch. Die Trendwende steht bevor, dafür sprechen positive Entwicklungen auf den Märkten im In- und Ausland. Die jüngsten Preisabschlüsse zwischen Molkereien und Discountern lagen bei Konsummilch zwar um 1 bis 4 Prozent unter den Vorjahreswerten. Doch die Konsummilch ist nur ein Teil des Marktes. Bei Butter ist die Talsohle durchschritten, es wurde eine Stabilisierung der Preise bei 3 E/kg erreicht. Bei Käse ist der Trend leicht positiv. Hier könnten die Preise in den nächsten Monaten weiter steigen, denn die Milchproduktion ist gegenwärtig EU-weit rückläufig. In Deutschland liegen wir aktuell um 1,8% unter der Vorjahreslinie. Positive Signale kommen auch von vielen anderen Märkten. Interessante Absatzchancen bieten die neuen EULänder. Auch aus Russland kommt wieder Nachfrage. In Australien und Neuseeland stagniert die Produktion bzw. ist sogar rückläufig. Beide Länder treten auf den internationalen Märkten kaum noch als Anbieter auf. Sie beliefern vorwiegend den boomenden asiatischen Raum. In den USA ist die Milch derzeit knapp. Die Erzeugerpreise sind von 22 auf über 30 Euro-Cent gestiegen. Nicht zuletzt wegen dieser günstigen Marktlage senkt die EU fortlaufend die Exporterstattungen. Ï top agrar: Die starken Preisschwankungen auf dem US-amerikanischen Markt sind nicht neu. Was sind die Gründe für den aktuellen Anstieg? Born: Es kommen mehrere Dinge zusammen. Futtermittel sind knapp und teuer. Es fehlt der Zuchtvieh- Nachschub aus Kanada (150 000 bis 200 000 Kopf), weil die Kanadier wegen der BSE-Krise nicht mehr exportieren dürfen. Schließlich haben die Amerikaner mit einem freiwilligen Programm die Milchproduktion um etwa 1% (1 Mio. t) gedrosselt. Ï top agrar: Sie erwarten zusätzliche Absatzchancen für unsere Molkereien in den neuen EU-Ländern. Noch vor wenigen Wochen hieß es, in Osteuropa würden riesige Mengen Interventionsware gehortet und wir würden künftig zugeschüttet mit billiger Milch und billigen Milchprodukten aus dem Osten. Born: In der Tat hat die Diskussion um die EU-Osterweiterung unseren Milchmarkt belastet. Wir hatten zeitweise eine regelrechte Psychose. Es tut schon weh, wenn einzelne Molkereien negative Berichte in die Presse lancieren. Nach unseren Informationen gibt es billige Milch nur in Polen (18 bis 20 Cent). Aber wegen der kleinstrukturierten Betriebe ist die Erfassung dort problematisch und teuer. Alle anderen Länder können nur sehr begrenzt liefern, weil es Hygieneprobleme gibt, weil die Mengen fehlen oder weil die Preise ähnlich sind wie bei uns. In Tschechien zahlt Müller-Milch 26 Cent. In Ungarn, in der Slowakei und im Baltikum liegen die Preise bei 26 bis 30 Cent, mit sinkender Tendenz. Wegen des aktuellen Preisdrucks ist die Produktion rückläufig. Es wird von 10 % Unterlieferung berichtet. Ï top agrar: So gesehen wären die Preiszugeständnisse der Molkereien überhaupt nicht nötig gewesen? Born: Die jüngsten Preisabschlüsse bei Konsummilch waren unanständig und völlig unnötig. Eine Seitwärtsbewegung wäre realistisch gewesen. Diese Chance wurde vertan! Ich akzeptiere, dass die Unternehmen ihre strategischen Ziele verfolgen, aber das hätte man nicht auf dem Rücken der Milcherzeuger austragen müssen. Die Preisnachlässe der Preisbrecher habe die Milcherzeuger insgesamt 200 bis 300 Mio. E gekostet. Auch für die Lieferanten der Preisbrecher sinken die Preise! Ï top agrar: Nun haben Sie zwar drei Molkereien namentlich genannt, doch Sanktionen gegen diese Unternehmen können Sie nicht verhängen... Born: Die Nennung der Namen ist sicherlich ein Novum, das seine Wirkung bei den Bauern und Molkereien erzielt hat. Die Milcherzeuger fragen intensiv nach, ob das wirklich so sein musste. Die Milchunion Hocheifel hätte ihre neue HMilch- Anlage wirklich auch anders auslasten können. Theo Müller ist eigens aus der Schweiz zu Gesprächen mit dem Sächsischen Bauernverband und den verärgerten sächsischen Erzeugergemeinschaften angereist. Ï top agrar: Müller-Milch soll Ihnen wegen unerlaubter Preisabsprachen postwendend mit dem Kartellamt gedroht haben. Born: Bei uns hat sich niemand gemeldet. Ï top agrar: Die niedrigen Milchpreise sind das eine Problem, das andere sind die enormen Preisdifferenzen zwischen den Molkereien von bis zu 8 Cent je kg Milch. Einzelne Unternehmen mit besonders niedrigen Auszahlungspreisen machen bundesweit die Preise kaputt. Der Landesbauernverband Mecklenburg-Vorpommern hat eine Verkürzung der Kündigungsfristen verlangt, um mehr Druck auf die Molkereien ausüben zu können. Können Sie sich einen Eingriff in die Satzungen und in die Lieferverträge vorstellen? Born: Preisdifferenzen von 6 bis 8 Cent zwischen den Molkereien sind für die Milcherzeuger nicht länger tragbar. Mehr Flexibilität bei den Kündigungsfristen könnte tatsächlich den Druck erhöhen. Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass die Molkereien wegen der hohen Investitionen eine möglichst lange Bindung der Milcherzeuger wünschen. Andererseits geraten unsere Milcherzeuger aufgrund der zunehmenden Betriebsgröße und der Spezialisierung auf Milch in eine große Abhängigkeit von den Unternehmen. Sehr wichtig sind deshalb regelmäßige Milchpreisvergleiche. Nicht nur Molkereien brauchen Sicherheit, auch kapitalintensive Milcherzeuger. In den Lieferverträgen müssen neue Instrumente der Preisfindung festgeschrieben werden. So ist es z. B. vorstellbar, dass sich bei unterdurchschnittlicher Auszahlung die Laufzeit des Liefervertrages automatisch verkürzt. Ï top agrar: Viele Molkereien kritisieren jetzt das starke Engagement des Bauernverbandes im Milchsektor. Der Milchindustrieverband hat Sie sogar aufgefordert, Sie sollten die Bauern nicht auf die Bäume jagen. Werden Sie dennoch am Ball bleiben? Born: Es gibt in der Milchwirtschaft noch eine Menge zu tun. Wir können viele Dinge entscheidend mit anschieben. Zunächst einmal müssen die zerstrittenen Molkereien wieder zusammenkommen. Das müssen die Molkereien selbst erledigen. Wir können und müssen mithelfen, den Strukturwandel in der Molkereiwirtschaft voranzubringen, wie vor Jahren im Mühlensektor oder in der Geflügelbranche. Die Molkereien müssen künftig bei den Listungsgesprächen mit dem Lebensmittelhandel auf gleicher Augenhöhe verhandeln. Wenn heute bundesweit nur noch fünf bis sechs Einkäufer die Preise diktieren, dann müssen wir auf der Molkereiseite die gleiche Größenordnung erreichen. Entweder durch funktionsfähige Verkaufskontore oder über Fusionen. Daran müssen sich die Molkereien und der Bauernverband messen lassen! Nordmilch und Humana denken bereits in die richtige Richtung, wenn sie jetzt eine Kooperation bei Speiseeis und Molke anstreben. Andere Unternehmen müssen folgen. Schwieriger ist die Situation in Süddeutschland, wegen der vielen kleinen Privatmolkereien. Ï top agrar: Angeblich blockiert das deutsche Kartellrecht/Wettbewerbsrecht eine engere Zusammenarbeit der Molkereien. Gibt es Chancen, die Rechtslage zugunsten der Molkereiwirtschaft zu ändern? Born: Das Kartellrecht muss angepasst werden, ist aber nicht entscheidend für den Fusionswillen der Molkereien. Ï top agrar: Angesichts der Überproduktion würden viele Milcherzeuger eine Drosselung der Milchproduktion mittragen. Es gibt zahlreiche Vorschläge, die aber alle sehr widersprüchlich diskutiert werden. Welche Maßnahmen haben denn nun wirklich Aussicht auf Realisierung? Born: Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Der Wichtigste ist die Begrenzung der einzelbetrieblichen Überlieferung auf 5%. Wenn der Bundesrat am 9. Juli zustimmt, tritt diese Regelung noch in diesem Jahr in Kraft. Eine zweite Chance gibt es in diesem Jahr nicht mehr. Dieses System wäre insgesamt gerechter. Unbegrenzte Überlieferungen einzelner Betriebe wären nicht mehr möglich. Der Milchmarkt würde um etwa 1 Mio. t entlastet. Wir erwarten deshalb die Zustimmung des Bundesrates. Ï top agrar: Gegen die Begrenzung der Saldierung gibt es erhebliche Widerstände selbst aus Ihren eigenen Reihen, so z. B. von den Landesbauernverbänden Rheinland und Schleswig-Holstein. Letztere möchten gerne weiterhin ungestraft die Quoten in Mecklenburg-Vorpommern vollmelken. Die Hansa-Milch in Upahl wirbt seit Jahren mit diesem Argument Lieferanten bei anderen Molkereien ab. Von Überlieferungen einzelner Betriebe um bis zu 400% ist die Rede. Born: Konkrete Zahlen liegen uns nicht vor, die kennen nur die Molkereien. Sicher ist aber, dass bei der Saldierung einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Einerseits bemühen sich viele Betriebe regelmäßig um eine Punktlandung. Andere überliefern seit Jahren ihre Quoten um 60, 80 oder 100%, ohne dass Abzüge anfallen. In der Summe beträgt die Überlieferung rund 1 Mio. t, die zusätzlich den Markt belasten. Dieses gezielte Ausnutzen der Saldierung wollen wir stoppen. Ï top agrar: Wenn wir schon national keine einheitliche Linie finden, wie realistisch ist dann eigentlich die immer wieder diskutierte Quotensenkung auf EU-Ebene? Born: Zunächst steht uns die Erhöhung der Milchquoten um 1,5 % ab 2006 ins Haus. Angesichts der dramatischen Entwicklung beim Milchmarkt sehe ich gute Chancen, dass zumindest die Nordländer (Deutschland, Frankreich, Benelux, Skandinavien etc.) diese Aufstockung verhindern wollen. In der Summe sind das etwa drei Viertel der EU-Milchproduktion. Schwierigkeiten machen hier die Südländer (Italien, Griechenland) und Polen. Aber vielleicht bekommt man eine Mehrheit auch ohne diese Länder. Eine EU-weite Quotenkürzung ist dagegen politisch wesentlich schwerer umzusetzen. Da sehe ich gegenwärtig keinen Zeithorizont. Ï top agrar: Wofür stehen eigentlich die Bauernverbände der Nachbarländer? Born: Die Bauernverbände der Nordländer würden mehrheitlich eine Flexibilisierung der Quotenregelung mittragen. Gemeint ist damit: Bei Überschüssen könne die Quote um 2 bis 3% gesenkt und bei Engpässen wieder erhöht werden. Auch in diesem Punkt steht der Süden gegen den Norden. Übrigens: Aus Frankreich werden wir regelmäßig kritisiert, weil wir bisher zur Mengendrosselung nichts beitragen. Frankreich hat z. B. nur 96 % seiner nationalen Quote vergeben und es gibt dort inzwischen wie in den USA ein freiwilliges Stilllegungsprogramm, das die Milcherzeuger selbst auf den Weg gebracht haben! Ï top agrar: Seit mehreren Monaten organisiert der neu gegründete Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM-Nord) zahlreiche Protestveranstaltungen im nord- und ostdeutschen Raum. Entsteht hier eine neue Interessenvertretung für Milcherzeuger, wie etwa die ISN für die Schweinehalter? Spalten Milcherzeuger möglicherweise den Bauernverband? Born: In den letzten Jahren haben sich immer wieder einmal regionale Krisenstäbe und Interessengemeinschaften gebildet. Wenn solche Gruppen entstehen, muss man sich mit ihren Forderungen und Interessen ernsthaft auseinandersetzen. Vielleicht hat das diesmal bei einigen Landesbauernverbänden zu lange gedauert. Man sollte schon genau hinsehen, was die neuen Gruppierungen fordern und was sie wirklich leisten. Die Protestveranstaltungen des BDM-Nord sind offenbar gut organisiert. Die Forderung nach 35 Cent Milchgeld ist gut gemeint, bei der derzeitigen Marktlage aber völlig unrealistisch. Und welche Leistungen erbringen solche Vereine auf Dauer für die Bauern? Eine Spaltung des Bauernverbandes sehe ich deshalb nicht. Die meisten BDM-Mitglieder sind und bleiben auch Mitglied im Bauernverband. Eine Spaltung würde die Interessen der Milcherzeuger sicherlich nicht stärken. Ï top agrar: Ein Grund für die Unzufriedenheit der Milcherzeuger liegt möglicherweise in den veralteten Strukturen des Bauernverbandes.Viele Milcherzeuger beklagen, ihre Interessen würden zu wenig vertreten. Born: Die Milchpolitik ist im Bauernverband sehr gut vertreten, sowohl inhaltlich als auch personell. Trotzdem besteht grundsätzlicher Handlungsbedarf. Die klassische Regionalstruktur des Bauernverbandes (Kreisebene, Länder, Bund) hat zwar auch heute noch ihre Berechtigung. Die Verbandsarbeit ist breit angelegt und läuft mit dem notwendigen politischen Gewicht in vielen Gebieten, etwa der Steuer-, Rechts- oder Umweltpolitik. Daneben brauchen wir aber besser sichtbare Konturen in der Interessenvertretung, z. B. der Milch- und Schweineerzeuger. Das Problem ist erkannt. Wir müssen deshalb neben der Regionalstruktur eine spezielle Fachstruktur schaffen. Beispiel Milch: Wir haben zwar bereits in allen Regionen Milchausschüsse installiert, aber die müssen sich wesentlich stärker profilieren. Ï top agrar: Wann bringen Sie das auf den Weg? Born: Eine Strategiekommission arbeitet bereits an einem Konzept. Noch in diesem Jahr wird das in die DBV-Gremien eingebracht. B. Achler

Die Redaktion empfiehlt

top + In wenigen Minuten wissen, was wirklich zählt

Zugang zu allen digitalen Inhalten, aktuellen Nachrichten, Preis- und Marktdaten | 1 Jahr für 1̶2̶9̶,̶6̶0̶ ̶€̶ 99 €

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.