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„Unsere Kunden sind bereit, mehr zu zahlen“

Lesezeit: 8 Minuten

Die Milchwerke Berchtesgadener Land stehen für hohe Milchpreise. Wie schaffen sie das? Wie wollen sie künftige Herausforderungen wie das Anbindestall-Verbot meistern?


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Herr Pointner, in Milchkrisen glänzen die Milchwerke Berchtesgadener Land mit hohen Milchpreisen, in anziehenden Märkten kommen Sie bei den SpitzenMilchpreisen aber nicht mit. Welche Marktlage ist Ihnen eigentlich lieber?


Pointner: Bei Grundpreisen über 40 ct/kg geben alle Bauern Gas. Da wollen wir nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen und mit höheren Milchpreisen weitere Produktionsanreize schaffen. Vielmehr sehen wir uns als Bügeleisen für die starken Ausschläge: Der Landwirt hat wenig davon, wenn er mal 20 und mal 45 ct/kg bekommt. Wir versuchen unseren Milchpreis immer bei mindestens 40 ct/kg zu halten (brutto bei 4,2% Fett inklusive Zuschläge; die Red.). So können Landwirte besser kalkulieren. Und bekommen übrigens auch leichter einen Bankkredit, da die Liquiditätsplanung einfacher ist.


Trinkmilch und Co. sind in Deutschland von Handelsmarken geprägt. Ihre Marken-Milch steht für mindestens 1,09 € im Regal. Wie schaffen Sie das?


Pointner: Aufbau und Führung einer Marke lernt jeder Geschäftsführer im Studium. Ob aber die Umsetzung in einer Genossenschaftsmolkerei gelingt, hängt maßgeblich von den Bauern im Vorstand und Aufsichtsrat ab. Unsere Bauern haben erkannt, dass die Investition in eine Marke langfristig für ein gutes Milchgeld sorgt. Darüber bin ich sehr froh. Denn unsere Marke ist kaum austauschbar. Wer Handelsmarken produziert, ist dagegen ein Spielball des Handels. In vielen Molkereien denken die Verantwortlichen allerdings nur kurzfristig an das aktuelle Milchgeld.


Also ist eine starke Marke das Geheimnis für hohe Milchpreise?


Pointner: Kommunikation ist das Zauberwort. Wir machen dem Verbraucher klar, dass vom höheren Preis auch mehr beim Bauern ankommt. Deshalb leben wir die Genossenschaft und stellen immer unsere Bauern in den Vordergrund. Der Verbraucher soll uns als ehrliche Marke wahrnehmen: Fair zu den Bauern, der Umwelt, den Mitarbeitern und den Zulieferern. Dann zahlt er mehr.


Und das klappt?


Pointner: Absolut. Als das Päckchen Butter beim Discounter nur 0,75 € kostete, lag unsere Butter bei 1,80 €. Trotzdem haben wir unsere Absatzmengen steigern können. Denn der Verbraucher hat einen Sinn darin gesehen, unsere Genossenschaft zu unterstützen. Genauso sehen einige Auto-Käufer auch einen Sinn darin, einen BMW oder Mercedes zu kaufen. Klar ist natürlich, dass wir mit dieser Strategie nie alle Verbraucher erreichen. Wir konzentrieren uns auf den klassischen Lebensmitteleinzelhandel und vertreiben unsere Produkte nicht über den Hard-Discount wie Aldi und Lidl. So erreichen wir vor allem die Kunden, die für einen Zusatznutzen gerne bereit sind, etwas mehr zu zahlen. Natürlich müssen die Produkte halten, was sie versprechen.


Was heißt das konkret?


Pointner: Nur Produkte, die auch gut sind, lassen sich gut vermarkten. Deshalb müssen wir uns qualitativ abheben: Wir haben den Landwirten bereits vor Jahrzehnten das Ausbringen von Klärschlamm verboten, haben als erstes auf Verpackungen aus Glas gesetzt, produzieren seit Jahren GVO-frei und setzen gerade stark auf Tierwohl und Nachhaltigkeit. Die Bauern sind dabei oft mit höheren Auflagen konfrontiert. Aber wenn wir es dem Verbraucher erklären, ist dieser bereit, dafür zu zahlen. So profitiert der Landwirt.


Wie erklären Sie es dem Verbraucher?


Pointner: Wichtig ist, mit den Kunden in Kontakt zu treten. Wir setzen unter anderem auf Großflächen-Plakate in Städten, Werbeanzeigen in Zeitungen und Radio-Spots. Zudem unterstützen wir unsere Landwirte bei „Urlaub auf dem Bauernhof“. Nichts ist besser, als die Verbraucher direkt auf die Höfe zu holen.


Viele Molkereien fürchten die hohen Marketingkosten. Wie ist es bei Ihnen?


Pointner: Unser Marketingbudget liegt bei schlappen 2% des Umsatzes. Also viel zu wenig, um Fernseh-Werbung zu buchen. Denn ein 15-Sekunden-Spot bei „Wer wird Millionär“ kostet stolze 220000 €. Deshalb ist zusätzlich kreative Werbung gefragt. Ein gutes Beispiel ist die Milcherfassung auf der Kallbrunnalm. Weil das Gelände steil ist, sammelt ein ausrangierter Bundeswehr-Lkw die Milch von den Bergbauern ein. Der Lkw ist mit unseren Logos beklebt. Dieser Hingucker kommt jeden Tag mehreren Hundert Wanderern entgegen – und diese erinnern sich später an unsere Marke. Ein anderes Beispiel sind redaktionelle Berichte: Ein Zeitungsjournalist hat einen unserer Tankwagenfahrer bei der Milchabho-lung im Winter auf 1200 Höhenmeter begleitet. Seine packende Geschichte war kostenlose Werbung für uns.


Sie setzen stark auf die regionale Herkunft, vermarkten aber auch in Köln und Berlin. Wie passt das zusammen?


Pointner: Wir spielen das Thema Herkunft, nicht Regionalität. Eine Molkerei, die außer räumlicher Nähe nichts zu bieten hat, wird nicht überleben. Wir betonen unsere Spezialitäten aus dem Berggebiet. Das ist eine besondere Herkunft. Und es gibt genügend Verbraucher in Deutschland und Europa, die bereit sind, für diese Spezialitäten mehr zu zahlen. Voraussetzung ist selbstverständlich eine vernünftige Logistik der Produkte.


Entscheidend für Ihre Strategie ist eine kalkulierbare Milchmenge. Allerdings steigern auch Ihre Milchbauern bei hohen Preisen die Produktion. Zuletzt haben Sie deshalb Brandbriefe verschickt.


Pointner: Das stimmt. Wenn Milchproduktion und Vermarktung im Einklang gehen, ist für uns ein Wachstum von 3% pro Jahr möglich. Nach dem Quotenende hatten wir rund 50 Mitglieder, die ihre Produktion extrem ausdehnten. Das hatte für uns fatale Folgen. Die zusätzliche Milch konnten wir nur für 15 ct/kg auf dem Spotmarkt absetzen, sie zog die Wertschöpfung des gesamten Unternehmens nach unten. Gleichzeitig hatten die Betriebe ihre Ställe überbelegt und kauften Milchaustauscher zu. Das macht keinen Sinn. Wir haben diese Landwirte angeschrieben, besucht und eingeladen, um ihnen die Situation zu erklären. Danach senkten sie die Menge.


Denken Sie über Modelle zur Mengen-Steuerung nach?


Pointner: Weder einzelbetriebliche Kontingente, noch A/B-Milchpreise können in Genossenschaften reibungslos funktionieren. Sie würden zu starken Diskussionen führen. Deshalb kommen sie für uns nicht infrage. Vielmehr setzen wir auf einen engen Dialog mit unseren Landwirten. Aufgrund der Flächenknappheit und den gesetzlichen Vorgaben erwarte ich keinen sprunghaften Mengenanstieg mehr. Sollte es dennoch passieren, würde ich die größten Steigerer wieder persönlich auf dem Hof besuchen. Das persönliche Gespräch auf Augenhöhe bewirkt oft Wunder!


Beim Tierwohl prescht der Handel vor und will künftig keine Milch aus Anbindeställen mehr verkaufen. Sie haben noch viele Anbindebetriebe. Was tun Sie?


Pointner: Knackpunkt ist die ganzjährige Anbindehaltung. Deshalb unterstützen wir Anbindebetriebe, wenn sie ihren Kühen Bewegung ermöglichen: Für Weidegang im Sommer gibt es einen Milchpreis-Zuschlag von 1,5 ct, für einen Auslauf 1,0 ct und für einen Laufstall ebenfalls 1,0 ct. In Summe können diese sogenannten Kombi-Betriebe somit bis zu 3,5 ct/kg mehr Milchgeld bekommen. Die Resonanz ist gut, viele Anbindebetriebe stellen um. Wir empfehlen, dabei auch direkt auf Bio umzuschwenken. Dort sehen wir noch Potenzial.


Und was ist, wenn der Handel tatsächlich Ernst macht?


Pointner: Dann erfassen wir die Milch der Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung separat. Diese würden wir zu H-Milch produzieren und in Länder exportieren, in denen die Haltungsform keine Rolle spielt. Das betrifft jedoch weniger als 200 unserer Betriebe. Klar ist aber, dass die ganzjährige Anbindehaltung über kurz oder lang ausläuft.


Halten Sie die Kombi-Lösung für zukunftsfähig? Hofer (Aldi) will in Österreich auch diese Milch auslisten.


Pointner: Wir haben mehr Laufstall- als Kombi-Betriebe. Aber ich halte die Kombination von Anbindestall und einer Bewegungsmöglichkeit für absolut tiergerecht – sogar besser als einige Laufställe mit Spaltenboden. Und es gilt als gentlemen‘s agreement in Bayern, dass die Kombi-Betriebe akzeptiert sind. Alles andere wäre auch Wahnsinn: Würden alle Anbindeställe in Bayern verboten, gäbe es einen Strukturwandel in Lichtgeschwindigkeit.


Der Handel diktiert, wo’s langgeht. Lässt sich das noch einmal zurückdrehen?


Pointner: Wohl kaum, das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen. Der Handel ist übermächtig, auch durch Unterstützung von Kartellamt und Politik. Er lässt keine neuen Molkerei-Marken mehr zu, will stattdessen seine Eigenmarken stärken. Jetzt steigt er sogar selbst in das Molkereigeschäft und die Produktion ein, wie Edeka und Lidl zeigen. Für die Branche sind das keine guten Entwicklungen: Die Molkereien werden überflüssig, die Landwirte zu Rohstofflieferanten degradiert, die ständig neue Anforderungen erfüllen müssen und einem enormen Kostendruck ausgesetzt sind. Der Handel macht sich dagegen die Taschen voll.


Wie halten Sie dagegen?


Pointner: Wir versuchen das Risiko zu streuen und machen uns nicht von einer Region oder einem Abnehmer abhängig. Wir vermarkten in 14 EU-Länder und haben insgesamt 150 verschiedene Abnehmer. Das ist beispielsweise der klassische Lebensmittelhandel, der Naturkosthandel oder die Gastronomie, aber auch die Flugline Singapur-Airlines, der Drogeriemarkt dm, die Fast-Food-Kette McDonalds oder die Kantinen von BMW und Audi.


Molkereien wie Bergader, Gropper oder Schwarzwaldmilch fahren eine ähnliche Strategie. Graben Sie sich künftig gegenseitig das Wasser ab – und spielen dem Handel somit noch in die Karten?


Pointner: Natürlich ärgert es uns, dass diese und andere Molkereien unsere Strategie kopieren. Wir waren die ersten mit grünen Milchverpackungen. Inzwischen sind rund zwei Drittel aller Milchverpackungen grün. Das Angebot an Premium-Milchprodukten wächst – Gott sei Dank aber auch die Nachfrage. Deshalb erwarte ich keinen Verdrängungswettbewerb. Zudem ist es für uns Ansporn, immer eine Nasenlänge besser zu sein als unsere Wettbewerber.


Interview: Patrick Liste

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