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Viel Milch pro Hektar melken!

Lesezeit: 8 Minuten

Oberschwaben ist im Südwesten die Milchregion Nummer eins. Weil Flächen und Arbeitskräfte knapp sind, verbessern die Milcherzeuger ihre Arbeits- und Flächenproduktivität.


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In unserer Region entscheiden künftig die Kilogramm Milch pro Hektar über die Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebes“, so die Überzeugung von Alexander Keller. Der Milchviehhalter aus Zillishausen im Landkreis Biberach hat sich selbst dafür eine anspruchsvolle Zielmarke gesetzt: „Wenn ich am Flächenmarkt mithalten will, muss ich 20 000 kg pro ha melken.“


Top-Erträge im Futterbau:

Eine so hohe Flächenproduktivität setzt Top- Erträge im Futterbau voraus. Und die sind in der Region Oberschwaben, die die Landkreise Ravensburg, Biberach und Sigmaringen sowie den Bodenseekreis umfasst (Übers. 1), durchaus drin.


„Bei Silomais erreichen unsere Betriebe durchschnittliche Hektarerträge von 180 bis 200 dt TM, bei Grassilage 100 bis 110 dt TM“, berichtet Albert Basler, Leiter des Landwirtschaftsamtes in Biberach. Ähnlich gute Ernten fahren auch die Landwirte in den übrigen drei Landkreisen ein.


Ausschlaggebend dafür sind die hohen Niederschläge, die je nach Standort von 800 bis über 1 000 ml reichen. Zudem mildert der nahe Bodensee die Temperaturen in der Region mit einer Höhenlage von durchschnittlich 500 bis 600 m ab.


Dass sich unter diesen Bedingungen eine starke Milchviehhaltung entwickeln konnte, verwundert nicht. In Oberschwaben stehen in 2 800 Betrieben etwa 128 000 Milchkühe (Übersicht 2, R 16). Das entspricht 37 % des Milchviehbestandes in Baden-Württemberg.


Die Schattenseite: In weiten Teilen Oberschwabens ist die Viehbesatzdichte vergleichsweise hoch. Die Landkreise Ravensburg (1,4 GV/ha LF) und Biberach (1,1 GV/ha LF) gehören zu den viehstärksten Kreisen im Südwesten.


Hinzu kommt, dass dort auch die meisten Biogasanlagen in Baden-Württemberg stehen. So laufen im Land­-kreis Ravensburg über 100 Anlagen mit einer durchschnittlichen Leistung von 260 kW. In Biberach sind es rund 90 Anlagen, die mit einer Leistung von durchschnittlich 450 kW deutlich größer sind. „Bezogen auf die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche in unserem Landkreis entspricht der Nährstoffanfall aus unseren Biogasanlagen weiteren 0,4 bis 0,6 GV pro ha“, macht Amtsleiter Basler klar.


Milcherzeugung steigt weiter.

Trotz des Biogas-Booms haben die Oberschwaben die Milcherzeugung seit 2006 um 3,4 % gesteigert.


Allerdings gibt es große Unterschiede. Die Betriebe im Landkreis Sigmaringen, wo die Viehdichte nur bei 0,7 GV/ha liegt, haben die Milchanlieferung um fast 12 % gesteigert. Auch der Landkreis Ravensburg konnte die Milcherzeugung um rund 5 % ausbauen. Im Landkreis Biberach blieb die Milchproduktion stabil. Einzig im Bodenseekreis, der stark vom Anbau von Sonderkulturen geprägt ist, ging die Anlieferungsmenge zurück.


Eine weitere Ursache für den Milchzuwachs ist die gute Beratungsinfrastruktur in der Region. So sind in Oberschwaben drei Milchvieh-Beratungsdienste mit insgesamt elf Spezialberatern angesiedelt, die eng mit den Landwirtschaftsämtern in der Region zusammenarbeiten. „Die Beratungsdienste sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine wettbewerbsfähige Milchviehhaltung in unserer Region“, bestätigt Albrecht Siegel, Leiter des Landwirtschaftsamtes Ravensburg.


Mit Sorge verfolgt Siegel deshalb die Pläne der Landesregierung, die Beratung ab 2015 auf ein Modulsystem umzustellen. „Wir können nur hoffen, dass im Zuge der Reform die gut funktionierende Struktur der Beratungsdienste erhalten bleibt“, so der Offizialberater.


Ein weiterer Pluspunkt der Region ist der Wettbewerb um die Milch. Rund ein halbes Dutzend Molkereien erfassen in Oberschwaben Milch, daneben noch etliche kleine Käsereien. Besonders spürbar wurde dies, als in den letzten Jahren die Allgäuland Käsereien und die Omira ins Straucheln gerieten. Freiwerdende Mengen wurden von umliegenden Molkereien vor allem aus dem angrenzenden Bayern sofort aufgesaugt. Molkereien, die über einen längeren Zeitraum keinen wettbewerbsfähigen Milchpreis auszahlen, sind deshalb schnell von der Bildfläche verschwunden (siehe Interview auf S. R 20).


Die größte Stärke der Oberschwaben sind die für süddeutsche Verhältnisse vergleichsweise großen Herden. Im Durchschnitt hält jeder Milchviehhalter 46 Kühe. Landesweit liegt die Herdengröße nur bei 39 Kühen. Auffällig ist zudem der hohe Anteil an Haupterwerbsbetrieben. So wirtschaften im Landkreis Ravensburg 60 % der Betriebe im Haupterwerb. Bezogen auf ganz Baden-Württemberg sind es nur 36 %.


Viele Strategien:

Je nach Ausgangslage sind die Wachstumsstrategien der Betriebe für den bevorstehenden Quotenausstieg sehr unterschiedlich. „Viele Betriebe mit 50 bis 80 Kühen haben aus arbeitswirtschaftlichen Gründen in einen Melkroboter investiert und sich mit der Energieerzeugung, z. B Biogas oder Photovoltaik, ein zweites Standbein geschaffen“, berichtet Karl Eble, zuständig für die Investitionsförderung am Landwirtschaftsamt Biberach.


Ein weiterer Wachstumspfad ist die Aufstockung von 60 auf 100 Kühe. Diese Milchviehhalter bauen häufig einen neuen Laufstall mit einem leistungsfähigen Grup­penmelkstand und nutzen den alten Laufstall für das Jungvieh. „Die Betriebe in dieser Größenordnung sind in der Regel wirtschaftlich sehr gesund, sodass vorerst kein weiterer Wachstumsdruck besteht“, erläutert Franz Pfau, Betriebswirtschaftler und Förderspezialist am Landwirtschaftsamt Ravensburg. Kein Wunder, dass 40 bis 45 % der Kühe in Oberschwaben in Beständen zwischen 50 und 100 Kühen stehen.


Allerdings sind auch etliche Betriebe über diese Größe hinausgewachsen. Viele von ihnen haben auf 140 bis 160 Kühe aufgestockt und zwei Melkroboter installiert. Und einige Betriebe haben für 200 Kühe und mehr investiert.


„Im letzten Jahr sind in unserem Beratungsgebiet rund zehn Betriebe in diese Größenordnung gewachsen“, bestätigt Clemens Mauch vom Beratungsdienst für Milchviehhaltung Biberach/Sigmaringen. Im regionalen Vergleich haben die Betriebe im Landkreis Sigmaringen die größten Wachstumsschritte vollzogen. Dort stehen mittlerweile 35 % der Kühe in Herden mit mehr als 100 Tieren.


Daraus wird klar: Viele Betriebe in Oberschwaben haben sich bereits gut für den Quotenausstieg gerüstet und planen für die Zeit danach.


„Die meisten Milchviehhalter haben die Quote bereits abgehakt“, ist Berater Albert Basler überzeugt. Dafür spricht, dass Wachstumsschritte nur noch teilweise und manchmal auch gar nicht mehr mit Quote abgesichert worden sind.


Das ging wegen der Saldierungsmöglichkeiten bisher gut. Allerdings werden wohl im laufenden Quotenjahr etliche Betriebe Superabgabe zahlen müssen.


Trotzdem: Die Knackpunkte für die Zukunftsbetriebe liegen an anderer Stelle. Die eine Baustelle ist die Flächenknappheit, die andere die Arbeitsbelastung.


Wie reagieren?

Die Lösungsansätze gegen die Flächenknappheit sind unterschiedlich. Auf den Ackerbaustandorten im Norden und Westen Oberschwabens kaufen flächenarme Wachstumsbetriebe häufig Mais zu und geben Gülle ab. „In der Regel gibt es für unsere 200 Kuh-Betriebe im Radius von 10 km die Möglichkeit, Silomais zu kaufen“, so Berater Eble vom Biberacher Landwirtschaftsamt.


Die notwendige Logistik für den Futter- und Gülletransport stellen die Lohnunternehmer in der Region bereit. Zudem vermittelt der Maschinenring Biberach für eine einmalige Gebühr von 50 ct/m3 überschüssige Gülle an nahegelegene Betriebe mit Nährstoffbedarf. Allerdings müssen flächenknappe Milcherzeuger Futterlieferverträge mit mindestens 6-jähriger Laufzeit nachweisen, wenn sie Investitionsförderung erhalten wollen.


Jungvieh auslagern:

Im Landkreis Sigmaringen lagern einige stark wachsende Betriebe die Jungviehaufzucht aus. Das ist möglich, weil dort flächenstarke Aufzuchtbetriebe aufgebaut wurden, die die Aufzucht für mehrere Betriebe übernehmen.


Auf den Grünlandstandorten im östlichen Landkreis Ravensburg, wo die Viehdichte sehr hoch und die Flächen besonders knapp sind, gehen die Betriebe noch ganz andere Wege. Zum einen versuchen sie die Wertschöpfung durch Heu- und/oder Bio-Milcherzeugung zu steigern. Entsprechende Absatzmöglichkeiten gibt es.


Zum anderen kombinieren sie die Milchviehhaltung mit anderen Erwerbsquellen wie zum Beispiel Tourismus. Aber auch hier gilt der Grundsatz, möglichst viel Milch pro Hektar zu erzeugen.


Zu wenig Arbeitskräfte:

Ebenso knapp wie die Flächen sind für die Wachstumsbetriebe in Oberschwaben die Arbeitskräfte. Denn in den meisten Landkreisen liegt die Arbeitslosenquote unter 3 %. Damit herrscht in der Region praktisch Vollbeschäftigung. Zudem sind die Arbeitsplätze im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Pharmaindustrie meist gut bezahlt.


Viele Milchviehbetriebe investieren deshalb in Technik, um die Arbeitsbelastung zu senken. Besonders gefragt sind automatische Melksysteme, die etwa 60 % der Neuinvestitionen in Melktechnik ausmachen, und Selbstfahr-Futtermischwagen. Auf den Ackerbaustandorten im Norden Oberschwabens gibt es zudem den Trend, die Außenwirtschaft auszulagern. Die In-frastruktur dafür ist vorhanden. In der Region laufen große Maschinengemeinschaften. Zudem gibt es leistungsfähige Lohnunternehmer, unter denen es einen starken Wettbewerb gibt.


Wer Mitarbeiter beschäftigt, greift häufig auf osteuropäische Arbeitskräfte zurück. Nur vereinzelt haben Milchviehbetriebe einen qualifizierten Mitarbeiter angestellt, der alle wichtigen Arbeiten im Stall übernehmen kann.


Ein Problem sehen die Berater darin, dass viele Betriebsleiter den Sprung vom Familien- zum Mitarbeiterbetrieb noch schaffen müssen. Wie groß der Bedarf ist, zeigt die Resonanz auf ein Fortbildungsangebot des Beratungsdienstes Ravensburg. „An unserem Arbeitskreis Fremd-Ak nehmen 30 Landwirte teil“, berichtet Milchvieh-Berater Franz Schönberger.


Trotz aller Herausforderungen scheinen die Milcherzeuger in Oberschwaben zurzeit sehr positiv gestimmt zu sein. Ein Indiz ist, dass trotz der hervorragenden außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungsmöglichkeiten die Zahl der Fachschüler wieder steigt. „Wir haben jedes Jahr 35 bis 40 Bewerbungen, können aber nur 25 Schüler aufnehmen“, berichtet Albrecht Siegel, der die Schule in Ravensburg leitet. Auch die Fachschule in Biberach ist in allen drei Klassen bis auf den letzten Platz gefüllt.


Die Chancen stehen damit gut, dass Oberschwaben seine Spitzenposition in der Milch weiter halten wird.


Klaus Dorsch

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