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Wilder Westen im friedlichen Pommern

Lesezeit: 7 Minuten

Texas in Mecklenburg-Vorpommern: Mit 6 500 Rindern ist das Gut Borkeneiner der größten Mutterkuhbetriebe Deutschlands. Das Umtreiben der Herden übernehmen Cowboys mit Pferden.


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Der Boden bebt. Staub wirbelt durch die Luft. Eine Rinderherde rast den Pfad entlang. Angeheizt von Cowboys auf Pferden. Bis sie die nächste Koppel erreichen. Dann kehrt Ruhe ein. Eine Szene wie im mittleren Westen der USA – und das mitten in Mecklenburg-Vorpommern!


Cowboys treiben Rinder


Das Gut Borken im Landkreis Uecker-Randow hält derzeit etwa 6 500 Fleisch­rinder auf 4 000 ha Niedermoorgrünland. Zum Umtreiben der einzelnen Herden nutzen die Mitarbeiter Pferde der Rasse American Quarter Horses. Dazu treiben sie die Herde zunächst mit den Pferden zusammen. Beim Wechsel der Koppel fährt ein Auto vorweg und gibt den Weg vor. Vier bis fünf Cowboys auf Pferden achten dabei darauf, dass die Herde zusammenbleibt und kein Tier ausbricht.


Und auch wenn Behandlungen bei den Rindern anstehen, kommen die Pferde zum Einsatz. Denn dann treiben die Mitarbeiter die Herden in die Behandlungs- und Fangstände auf den Weiden – den so genannten Corrals.


Der amerikanische Stil der Rinderhaltung ist aus der Not heraus geboren: Als Betriebsleiter Dr. Christof Kühnlein das Gut 1992 übernahm, stand kein einziges Rind mehr auf dem Betrieb – obwohl dort zu DDR-Zeiten 10 000 Jungrinder pro Jahr aufgezogen wurden. So kaufte der gebürtige Franke sämtliche Mutterkühe zu. Doch die „zusammengewürfelten“ Herden ließen sich kaum treiben. „Mit Mopeds, mit denen Rinder früher getrieben wurden, gingen wir bei den Herdengrößen einfach unter. Autos waren uns bei dem rauhen Gelände zu schade und mit Traktoren waren wir zu langsam“, berichtet Dr. Kühnlein.


Quasi aus Verzweiflung heraus hat er versucht, die Herden mit Haflingern zu treiben – mit Erfolg! Die Rinder respektieren die Pferde und diese sind schnell genug, einzelne Rinder einzuholen.


Kurze Zeit später kaufte der Tierarzt sein erstes Quarter Horse. Diese Pferderasse ist bekannt für ihre Qualitäten beim Rinder treiben und wird in den USA auf vielen Ranchen eingesetzt. Von dort importierte der Betriebsleiter weitere vier Quarter Horses. Inzwischen ist die Herde auf 25 Pferde angewachsen – auch, weil seine Frau Petra Pferdeliebhaberin ist.


Kontinuierlich gewachsen ist auch der Mutterkuhbestand auf dem biologisch wirtschaftendem Betrieb. Derzeit stehen auf Gut Borken rund 2 500 Mutterkühe. Dabei setzt Dr. Kühnlein bewusst auf verschiedene Rassen: 50 % der Kühe sind reinrassiges Fleckvieh, 5 % sind reinrassige Angus-Kühe, der Rest sind Gebrauchskreuzungen zwischen diesen beiden Rassen. Dazu gesellen sich noch etwa 50 Limousin-Kühe.


Was steckt dahinter? „Fleckvieh ist eine bodenständige Zwei-Nutzungsrasse mit guter Milchleistung und ausgeprägtem Schlachtkörper. Die Angus-Kühe haben eine sehr gute Futterverwertung und durch den intramuskulären Fettanteil eine Spitzen-Fleischqualität. Mit den Kreuzungstieren erhalten wir die ideale Mutterkuh für unseren Standort“, begründet Dr. Kühnlein. An den Limousin-Kühen schätzt er die gute Fleischqualität. Allerdings sei die Rasse zu temperamentvoll und die Milchleistung relativ gering. Deshalb wird er diese Rasse nicht weiter aufstocken.


Clevere Herdeneinteilung


Die Mutterkühe sind derzeit in 42 Herden mit jeweils ca. 60 Tieren eingeteilt. Die einzelnen Herden bleiben ein Leben lang zusammen und werden kontinuierlich mit Färsen ergänzt. Das hat mehrere Vorteile: Da die Herden auch immer im gleichen Weidegebiet grasen, kennen sie alle Koppeln sowie alle Treibwege. Das erleichtert die Umtriebe.


Zudem lässt sich für jede Herde ein Abkalbeschwerpunkt festlegen. So bleiben die Deckbullen immer nur für acht bis zehn Wochen in den Herden. Somit konzentrieren sich auch die Abkalbungen auf diesen Zeitraum. Das vereinfacht die Herdenbetreuung. Denn die Abkalbeschwerpunkte der Herden verteilen sich über das ganze Jahr. „Die Mitarbeiter wissen genau, in welchen Herden die Kühe gerade kalben. Hier intensivieren sie die Beobachtung und Betreuung“, begründet der Betriebsleiter.


Direkt nach der Geburt werden den Neugeborenen Ohrmarken eingezogen. Als Veterinär führt Dr. Kühnlein alle Behandlungen selbst durch. So impft er alle Kälber im Alter von drei bis vier Monaten prophylaktisch gegen IBR und Rindergrippe. Das Konzept scheint aufzugehen. Denn die Aufzuchtverluste sind mit 5,5 % vergleichsweise gering (Übers. 1, R 26).


Weiterer Pluspunkt des Abkalbeschwer­punktes: Die Absetzer sind im Alter von etwa acht Monaten gleich groß und mit 280 bis 300 kg etwa gleich schwer. Das ist für die anschließende Mast vorteilhaft.


Alle männlichen Kälber werden nach dem Absetzen aufgestallt und gemästet. Somit entstehen einheitliche Partien. Zusätzlich werden alle weiblichen Absetzer, die nicht zur Nachzucht benötigt werden, aufgestallt und gemästet.


Die Mastställe stammen aus den 50er-Jahren. Um den Bio-Richtlinien zu entsprechen, wurden sie umgebaut. So sind in allen Abteilen nur auf den Fressgängen Spalten verlegt. Alle Liegebereiche sind auf Stroh. Zudem haben fast alle Abteile einen Auslauf nach draußen.


Das Futter für die Masttiere ist eine Totale-Mischration aus Grassilage, Maissilage, Erbsen, Lupinen und Getreide. Dabei achtet der Betriebsleiter auf einwandfreie Qualitäten. Denn nur so erreichen die weiblichen Tiere Tageszunahmen von 1 000 g und die männlichen von 1 200 g.


Ganzjährig Weidegang


Die Mutterkuh-Herden bleiben ganzjährig auf der Weide. Lediglich die Herden, die zwischen Oktober und März kalben, werden aufgestallt. „Das ist uns einfach sicherer. Je nachdem wie streng der Winter ist, kann es bei den Kalbinnen bei Schnee und Temperaturen bis zu -25 ?C bei der Freilandhaltung zu Problemen kommen“, sagt Dr. Kühnlein.


Etwa 15 bis 20 % der weiblichen Absetzer werden als Reproduktionsfärsen benötigt. Sie sind momentan in acht Herden aufgeteilt und bleiben ebenfalls ganzjährig auf der Weide. Im Alter von 15 bis 18 Monaten stoßen Deckbullen hinzu. So erreichen die Färsen ein Erstkalbealter von 24 bis 27 Monaten.


In Summe bleiben somit über 4 000 Rinder auch den Winter über im Freien. Sie stehen dann auf speziellen Winterkoppeln: Das sind trockende Standorte, die von Wald umgeben sind. Neben frostsicheren Tränken befinden sich dort auch Futterstellen. Denn die Färsen und Kühe erhalten von Oktober bis April Grassilage. Die Kälber haben über einen Schlupf zusätzlich noch Zugang zu Kraftfutter, das aus einem Hafer-Lupinen-Gemisch besteht.


Fleisch für Babynahrung


Die beiden Hauptabnehmer des Rindfleisches sind die Einzelhandelskette Wasgau und der Babynahrungshersteller Hipp. „Beide wollen ganzjährig mit Fleisch gleicher Qualität beliefert werden, darauf müssen wir uns einstellen“, so Dr. Kühnlein.


Damit die Tiere vor der Schlachtung so wenig Stress wie möglich haben, nimmt das Gut Borken den Transport selbst in die Hand. Die Mitarbeiter verladen die Schlachttiere auf einen Viehhänger und fahren sie zum Schlachthof in Anklam. Dort begleiten sie die Tiere so lange, bis sie geschossen werden. „Denn werden die Tiere unmittelbar vor der Schlachtung gestresst, verschlechtert sich die Fleischqualität massiv“, begründet der Betriebsleiter.


Pro Jahr vermarktet er etwa 2 200 Schlachtrinder. Umgerechnet sind das 278,1 kg Schlachtgewicht (SG) pro Mutterkuh bzw. 167,5 kg SG pro ha Hauptfutterfläche (Übersicht 1). Diese vergleichsweise hohen Ergebnisse sind nur durch die relativ intensive Mast möglich.


Dass das Gut Borken zwei so prominente Abnehmer gefunden hat, dürfte auch am geschlossenen System liegen. Denn der Bio-Betrieb produziert alle Futtermittel selbst. Auch die Herden werden nur mit eigener Nachzucht ergänzt.Lediglich zehn bis fünfzehn Deckbullen kommen pro Jahr „neu“ in den Betrieb. „Das hat besonders in der BSE-Krise unser Image verbessert und das Vertrauen unserer Abnehmer gestärkt“, berichtet Dr. Kühnlein.


Das macht sich jetzt beim Verkauf bezahlt. Denn hier kann Dr. Kühnlein höhere Preise durchsetzen. So liegt die Summe der Leistungen fast 250 € pro Mutterkuh über der der Vergleichsbetriebe (Übersicht 2). Zwar machen die etwas höheren Futterkosten aufgrund der intensiveren Mast diesen Vorteil zum Teil wieder wett. Dennoch schneidet das Gut Borken per Saldo besser ab als die Vergleichsbetriebe.


„Der Gewinn schmilzt“


Mit einem Verlust von 279 € pro Mutterkuh erreicht aber selbst das Gut Borken keine Vollkostendeckung. Das bereitet Dr. Kühnlein erhebliches Kopfzerbrechen: „Trotz überdurchschnittlicher Betriebs­größe und guter Vermarktung bleibt immer weniger über. Wenn die Prämien weiter sinken, ist überhaupt keine wirtschaftliche Mutterkuhhaltung mehr möglich. Dann müssten wir aussteigen!“


Deshalb appelliert er an die Politik, vernünftige Rahmenbedingungen für die Zeit nach 2013 zu schaffen. Schließlich könnten nur Rinder die Kulturlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern offen halten. Er selbst will versuchen, die Produktionskosten weiter zu drücken, um so günstig wie möglich produzieren zu können. Reserven gebe es noch bei den Futter- und Arbeitskosten.P. Liste

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