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„Wir verlieren hierkeinen Tropfen Milch“

Lesezeit: 9 Minuten

Die Eifel ist die Hochburg der Milchproduktion in Rheinland-Pfalz. Die Land­wirte haben sich optimal an den Standort angepasst. Deshalb blicken sie gelassen auf das Quotenende 2015.


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Servatius und Bernd Bürger stehen auf einer Grünlandfläche und blicken zu ihrem Hof hinunter. „Für uns gibt es keine Alternative zur Milchproduktion. Das war schon immer so – und daran wird auch das Quoten-ende 2015 nichts ändern. Deshalb setzen wir auch künftig auf Kühe“ sagen die Milcherzeuger aus Holsthum.


Ihr Betrieb liegt im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Zusammen mit den Kreisen Bernkastel-Wittlich, Trier-Saarburg und Vulkaneifel sowie der Stadt Trier bildet er den ehemaligen Regierungsbezirk Trier, heute Region Trier genannt. Sie liegt im Westen von Rheinland-Pfalz und grenzt an Belgien und Luxemburg, im Norden an Nordrhein-Westfalen und im Süden an das Saarland (siehe Karte).


Ein Viertel mehr Milch:

Die Re­-gion Trier ist der Milch-Motor von Rheinland-Pfalz: Von 1996 bis 2013 hat die Milchmenge um 24 % auf über 503 Mio. kg zugenommen. Die knapp 1 200 Milcherzeuger halten heute im Schnitt 57 Kühe.


Die beiden anderen Regionen in Rheinland-Pfalz kommen da nicht mit: Im Bezirk Koblenz ist die Milchmenge im gleichen Zeitraum mit 258 Mio. kg nahezu konstant geblieben, im Bezirk Neustadt ist sie sogar um 15 % auf 93 Mio. kg gesunken. In beiden Bezirken war der Strukturwandel stärker, da die Milcherzeuger entweder auf Ackerbau umgeschwenkt haben oder jetzt in der Industrie arbeiten.


Die Region Trier hat somit entscheidend dafür gesorgt, dass die Milchmenge in Rheinland-Pfalz von 1996 bis 2013 um 12 % auf 855 Mio. kg gestiegen ist. Sie macht jetzt knapp 60 % der gesamten rheinland-pfälzischen Milch aus (Übersicht 2). Den größten Anteil daran hat der Kreis Bitburg-Prüm mit seinen 700 Milcherzeugern.


Raues Gelände:

Beim Blick auf die Standortbedingungen der Region Trier ist diese Entwicklung umso beeindruckender: Die Flächen liegen zwischen 120 und 700 m Höhenlage, die Durch-schnittstemperatur schwankt zwischen 6,5 und 9,5 °C und die Niederschlagsmenge pendelt zwischen gut 600 mm in den Niederungslagen und über 1 000 mm in den Höhenlagen.


In den günstigen Lagen wie dem Moseltal gibt es tonreiche, tiefgründige, fruchtbare Böden. Hier ist Ackerbau und Weinanbau problemlos möglich. In den mittleren und höheren Lagen dominieren Schiefer-Verwitterungsböden und sandige Böden. Hier überwiegt das Grünland. Mit 92 500 ha macht es insgesamt über die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Region Trier aus. Aber: Nur die Hälfte des Grünlandes lässt sich intensiv nutzen. Die andere Hälfte der Flächen lässt oft nur eine extensive Bewirtschaftung zu. Auf extremen Standorten ist es sogar so schief oder steinig, dass nur Weidehaltung möglich ist.


Auf Gras getrimmt:

Doch die Milcherzeuger haben sich optimal an diese Gegebenheiten angepasst. Sie sind meist relativ flächenstark. Die Besatzdichte liegt bei etwa 1,2 GV/ha. „Das ist deutlich weniger als in anderen Regionen, zum Beispiel dem Niederrhein“, sagt Andrea Höller, Beraterin vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Eifel (DLR Eifel). Das liegt aber auch daran, dass fast jeder Rinderhalter mehrere Hektar extensives Grünland hat, das sich ausschließlich zur Weidehaltung eignet.


Das gut zugängliche Grünland nutzen die Milcherzeuger intensiv zur Futterproduktion: Sie führen regelmäßig Nach- oder Neusaaten durch, düngen es intensiv und fahren pro Jahr drei bis vier Schnitte ein. Denn eine qualitativ hochwertige Grassilage ist vor allem für diese Region extrem wichtig.


Das hat auch Marco Weires aus Olmscheid bitter zu spüren bekommen: 2011/2012 hat er noch über 11 000 kg gemolken. Doch 2012 ist ihm seine Grassilage nicht gelungen. „Die Leistung ist prompt auf 9 700 kg gesunken. Wenn aus dem Gras nichts kommt, helfen bei uns auch keine Zusatzfutter wie Fett“, sagt der Milcherzeuger (vgl. Seite R 12).


Zwar fällt in der Summe meistens ausreichend Niederschlag für das Grünland. Doch sollte es im Sommer einmal etwas länger nicht regnen, vertrocknen gefährdete Standorte schnell und werden braun. Dann kann ein ganzer Schnitt ausfallen.


Mais auf 600 m:

Um davon unabhängiger zu werden, setzen die Milcherzeuger zunehmend auf Maissilage. Auf rund 20 % der 78 700 ha Ackerland in der Region Trier steht inzwischen Silomais. Einige Sorten bringen sogar in 600 m Höhe noch gute und sichere Erträge.


Die typische Futterration setzt sich deshalb aus rund 50 % Grassilage und 50 % Maissilage, Pressschnitzel und/oder Biertreber zusammen. Auf die Weide kommen meist nur noch Kühe aus Betrieben mit kleineren Herden.


Jungrinder kommen dagegen fast immer nach draußen, vor allem auf extensive Flächen. Das nutzen fast alle Betriebe – unabhängig von der Herdengröße. Denn das geschlossene System, die Jungviehaufzucht auf dem eigenen Betrieb, ist den Milcherzeugern in der Region Trier sehr wichtig. „Zum einen lassen sich einige Flächen nicht anders nutzen. Zum anderen wissen sie, dass nur optimal entwickelte Kälber und Jungrinder eine langlebige Kuh werden. Deshalb machen sie es selbst“, sagt Herbert Rieder vom DLR in Bitburg.


In Schritten gewachsen:

Der Berater nennt eine weitere Besonderheit der Region: Die Milcherzeuger wachsen in kleinen Schritten, entwickeln ihren Betrieb kontinuierlich weiter. Große Wachstumssprünge mit z. B. der Verdopplung der Kuhzahl „auf einen Schlag“ gibt es kaum. Die ersten Laufställe entstanden in der Region bereits in den 1970er-Jahren. Die Landwirte haben sie fortlaufend modernisiert, einige existieren heute noch.


Zwischen 2010 und 2012 gab es einen kleinen Investitions-Schub. Neben der Basis-Förderung von 25 % verteilte die Landesregierung Rheinland-Pfalz für besonders tiergerechtes Bauen zusätzlich 10 % Investitionsförderung (90 % der Nettosumme). Dieser Zuschuss endete 2012. „Einige Milcherzeuger haben deshalb ihre für später geplante Investition vorgezogen“, sagt Rieder.


Auflage für den Extra-Zuschuss waren beispielsweise mindestens 3,50 m breite Fress- bzw. mindestens 2,50 m breite Laufgänge und ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1,0 zu 1,2. Deshalb sind die meisten Neubauten aus dieser Zeit mit zweireihiger Aufstallung.


Bei der Melktechnik machen die Melkroboter inzwischen 50 % der Neuinvestitionen aus. 110 der 150 Roboter aus Rheinland-Pfalz stehen in der Region Trier, meist in Betrieben bis 150 Kühe. Milcherzeuger mit mehr als 200 Kühen setzen häufiger auf Melkkarusselle als auf Frischgräten-Melkstände.


Durchgesetzt haben sich einhäusige Außenklima-Ställe mit Curtains, Selektion und Strohbuchten sowie planbefestigten Laufgängen. Denn nach Berechnungen der Landwirtschaftskammer und des DLR ist die Lagerung im Güllebehälter mit 50 bis 70 €/m3 deutlich günstiger als die Unterflur-Lagerung mit rund 120 €/m3. Insgesamt beziffert Berater Rieder die Stallplatzkosten auf 8 000 bis 9 000 € (inkl. Melktechnik, Güllelagerung, Fahrsilos; ohne Abzug der Förderung).


Drücken lassen sie sich unter anderem durch Eigenleistung. Das zeigt eindrucksvoll die Hermes GbR aus Berscheid (S. R 14). Oswald Hermes hat mit seinen Söhnen Hans-Josef und Burkhard beim Stallbau 2006 und der Stallerweiterung 2012 selbst Hand angelegt. So haben sie Stallplatzkosten von unter 4 000 € erreicht (inkl. Melk- und Gülletechnik; ohne Abzug der Förderung).


Der starke familiäre Zusammenhalt ist ohnehin eine Stärke der Region. Die klassischen Familienbetriebe machen den Großteil der Milchviehbetriebe aus – entweder mit 40 bis 150 Kühen und maximal zwei Generationen oder mit 150 bis 300 Kühen und mehreren Familienmitgliedern. Milchviehbetriebe mit Angestellten, die nicht zur Familie gehören, gibt es sehr selten.


Hohe Löhne:

Das hat einen einfachen Grund: Die Arbeitslosigkeit in der Region Trier liegt unter 3 %, es herrscht quasi Vollbeschäftigung. Und das Lohnniveau ist sehr hoch. Grund dafür ist Luxemburg: Das Nachbarland lockt mit gut bezahlten Jobs. Denn die Lohnnebenkosten sind dort deutlich niedriger als in Deutschland. Zum Teil springt so der doppelte Netto-Lohn für deutsche Arbeitnehmer heraus. Deshalb ziehen die Milcherzeuger als Arbeitgeber oft den Kürzeren.


Doch auch auf viele Fa­milienbetriebe kommen in den nächsten Jahren große Herausforderungen zu. Das verdeutlichen zwei Zahlen: 40 % der Milch­erzeuger in der Region Trier melken noch im Anbindestall. Und etwa ein Viertel der Milcherzeuger dürfte im Nebenerwerb wirtschaften.


Sie kommen meist auf eine Jahresproduktion von maximal 300 000 kg Milch. Die Wachstumsschwelle liegt allerdings bei 500 000 kg. Das heißt, nur die Anzahl an Betrieben mit mehr als 500 000 kg nimmt noch zu, die Anzahl an Betrieben mit weniger Milch sinkt stetig. „Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass in den nächsten zehn Jahren ca. ein Drittel unserer Milcherzeuger aufhört“, befürchtet Alfred Lorenz, Abteilungsleiter Agrar des DLR Eifel.


Denn für kleinere Milcherzeuger wird es zunehmend schwieriger, ausreichend Einkommen zu erwirtschaften. Grund: Zumindest regional wird der Wind rauer. Das zeigt sich beispielsweise bei der Fläche: Der durchschnittliche Pachtpreis für Grünland liegt bei 100 €/ha, für Ackerland bei 200 €/ha. Doch in einigen Regionen sind die Preise bereits deutlich in die Höhe geschossen.


Das liegt zum einen an expandierenden Milcherzeugern, zum anderen aber auch an der Zunahme von Biogasanlagen: Die Hälfte aller 142 Biogasanlagen in Rheinland-Pfalz steht in der Region Trier. Sie schlucken inzwischen über 11 000 ha Silomais. Allein 6 500 ha fließen in die 47 Fermenter im Landkreis Bitburg-Prüm – also genau dort, wo auch die meisten Kühe stehen. „Dieses Futter fehlt den Milcherzeugern jetzt natürlich und treibt die Preise“, analysiert Lorenz.


Gelassen für 2015:

Allerdings geht er davon aus, dass bei den Biogasanlagen auf Basis nachwachsender Rohstoffe (NawaRo) das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Und auch das Wachstum der Milcherzeuger wird sich nicht ewig fortführen lassen. Lorenz nennt dafür zwei Gründe: Die fehlenden Arbeitskräfte und die hügelige Landschaft, die den weiten Transport von Futter und Gülle extrem erschwert und verteuert. „Deshalb werden nicht alle Betriebe auf 400 Kühe wachsen“, sagt er.


Das Berater-Team und auch die meisten Milcherzeuger in der Region gehen davon aus, dass das Quotenende 2015 kaum Veränderungen mit sich bringen wird. Die Milchmenge, die durch den Strukturwandel wegbricht, fangen die anderen Betriebe auf. Die Kapazitäten dafür haben sie bereits in den letzten Jahren aufgebaut.


Und Luft gibt es auch noch, beispielsweise bei der Milchleistung. Diese liegt im Schnitt bei gut 7 400 kg, bei den Kühen in Milchleistungsprüfung bei knapp 8 000 kg. Berater Rieder ordnet das so ein: „Damit sind wir zwar besser als der Schnitt in Rheinland-Pfalz, aber zum Bundesschnitt fehlen uns knapp 300 kg – und zur Spitze sogar über 1 000 kg.“ Somit gibt es für die nächsten Jahre noch genug zu tun.P. Liste

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