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Zu viele Unfälle im Bullenstall

Lesezeit: 5 Minuten

Die Zahlen sind erschreckend: Rund 150 Rinderhalter verunglücken jedes Jahr beim Einziehen von Ohrmarken. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften registrieren dabei sogar tödliche Unfälle. Vor allem das nachträgliche Einziehen von verloren gegangenen Ohrmarken bei Bullen, Mutterkühen und Kälbern ist lebensgefährlich. Die Tiere sind zum Teil sehr aggressiv und den Umgang mit Menschen nicht gewohnt. Gefährliches Gesetz Doch an der gesetzlichen Pflicht zur Nachkennzeichnung führt kein Weg vorbei: Nach der Viehverkehrsverordnung (VVVO) muss einem Rind bei Verlust einer Ohrmarke unverzüglich eine Ersatzohrmarke eingezogen werden. Besonderer Wahnsinn: Obwohl die Tiere zwei Marken haben und eine in der Regel immer drin ist, muss die zweite verlorengegangene Ohrmarke wieder eingezogen werden. Denn spätestens am Schlachthof müssen die Tiere wieder vollständig mit zwei Ohrmarken gemäß der Fleischhygieneverordnung (FIHV) gekennzeichnet sein. Ansonsten werden Rinder ohne eingezogene Ohrmarken im Schlachthof verworfen. So bleibt den Landwirten nichts anderes übrig als sich immer wieder in Gefahr zu begeben. Auch die Angst vor Prämienkürzungen im Zuge der Cross Compliance- Kontrollen lässt den Landwirten keine Wahl. Gerade bei Kontrollen sind die Landwirte häufi g der Willkür der Kontrolleure ausgesetzt. Manche Kontrolleure handeln eher pragmatisch, andere hingegen bestehen absolut auf der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. so Michael Starp vom Deutschen Bauernverband (DBV). Viele sehen bei der Nachkennzeichnungspfl icht einen ganz klaren Zielkonfl ikt zwischen der Viehverkehrsverordnung und dem Personen- und Arbeitsschutz wie z. B. Dr. Arno Piontkowski, Veterinär der Bezirksregierung Münster. Praktische Lösungen für das Problem sind bisher rar. Meistens handeln die Landwirte sehr unvernünftig und gefährlich. Vom Einsatz eines Lasso ist mehrfach die Rede, um an die ohrmarkenlosen Bullen heranzukommen. Solche Maßnahmen sind allerdings lebensgefährlich. Wie hilft sich die Praxis? Eine deutlich ungefährlichere Methode nennt Landwirt Ludwig Degen, Bullenmäster aus Bawinkel (Emsland). Wir haben uns einen speziellen Behandlungsund Fangstand angeschafft, den wir so- wohl für die Bullen als auch für die Kühe nutzen. Die Bullen werden so festgesetzt und nachgekennzeichnet, allerdings benötigen wir dazu immer zwei Personen. Doch gebraucht wird der Fangstand mittlerweile kaum noch. Hauptursache für den Ohrmarkenverlust war die Stalleinrichtung, wie sich nach Umbaumaßnahmen herausstellte. Seitdem sind die Probleme deutlich zurückgegangen. Aber nicht jeder bullenhaltende Betrieb hat einen speziellen Fangstand oder würde diesen erwerben, um Ohrmarken einzuziehen. Doch neben der Suche nach geeigneten Praxislösungen ist vor allem der Gesetzgeber gefordert, eine praxisgerechte Auslegung der Verordnungen zu ermöglichen. Wo Handlungsbedarf besteht, wissen die Landwirte genau: Ein erster Schritt wäre, dass ältere Tiere mit nur einer Ohrmarke keinen Verstoß mehr darstellen, sagt Bullenmäster Degen. Dass Lösungen im Sinne der Praxis bei diesem Vorschlag möglich sind, zeigen die aktuellen Entwicklungen bei den Cross Compliance-Kontrollen. Hier hat das Bundeslandwirtschaftsministerium nach Gesprächen mit dem Bauernverband eingelenkt. Das Ministerium weist die Länder darauf hin, das Fehlen einer Rinder-Ohrmarke bei nur einem Tier nicht mehr als Verstoß im Rahmen der Cross Compliance-Kontrollen zu ahnden. Mit dieser Regelung werden die Forderungen des Berufsstandes nach praxisnaher und angemessener Umsetzung der Cross Compliance-Anforderungen in den landwirtschaftlichen Betrieben erfüllt. Ebenso wäre es zu begrüßen, wenn eine Lockerung der Nachkennzeichnungspfl icht von Mastbullen ab dem 12. Lebensmonat bei Verlust der Ohrmarke eingeführt würde, erklärt Bullenmäster Degen. Der Bauernverband schließt sich dieser Forderung an: Kein Mensch kann verlangen, dass ein Landwirt in eine Gruppenbucht mit älteren Mastbullen steigt, um ein Tier mit fehlender Ohrmarke nachzukennzeichnen, sagt Michael Starp (DBV). Die Umsetzung dieser Forderung verlangt allerdings eine gesamteuropäische Initiative, so dass eine schnelle Lösung nicht in naher Zukunft erreichbar sein wird, so Starp weiter. Ein weiterer Vorschlag von Seiten des Bauernverbandes ist, bestehende Verordnungen wie z. B. die EU-Verordnung 2419/01 im Sinne der Landwirte auszulegen. Wer sachlich richtige Angaben über das Tier mit fehlender Ohrmarke macht, dem droht im Falle einer Kontrolle kein Verstoß und damit kein Prämienabzug. Sachlich richtige Angaben des Landwirtes sind: 1. Vorlage des Tierpasses 2. Korrekter Eintrag in die HIT-Datenbank 3. Vorlage der nachbestellten Ohrmarke, bzw. Nachweis der Bestellung, so dass ein Bemühen des Landwirtes erkennbar ist. 4. Merkmale (Zeichnung, Farbe des Tieres) festhalten zur eindeutigen Identifkation in der Gruppe. Sowohl Mutterkuhhalter als auch Bullenmäster fordern aufgrund der mangelnden Qualität bei den Ohrmarken vom Gesetzgeber ein Prüfverfahren für Ohrmarken. Auf diese Weise könnte die Haltbarkeit und Belastbarkeit entscheidend verbessert werden. Auch die Forderung nach Alternativen zu den Ohrmarken wie z. B. die elektronische Tierkennzeichnung mittels Chip unter der Haut wäre ein gangbarer Weg. Schnelle Lösungen sind lebenswichtig Die Lösung bei den Cross-Compliance Kontrollen zeigt den richtigen Weg für das Problem der Nachkennzeichnung. Die EU hat außerdem für Betriebe mit extensiver Freilandhaltung die Frist bis zur Ohrmarkung unter bestimmten Bedingungen auf sechs Monate verlängert. Fraglich bleibt, ob die Kontrolleure wirklich Einsicht und Augenmaß bei den Kontrollen herrschen lassen. Klar ist, dass Gesetzgeber und ausführende Behörden schnell handeln müssen und sich nicht hinter langwierigen Gesetzgebungsverfahren verstecken dürfen. Das Leben und die Gesundheit der Landwirte stehen auf dem Spiel: Jeder Unfall und jeder Tote ist einer zu viel! Ansgar Leifker

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